Wie der Ramadan an Schulen polarisiert
„Dürft ihr denn nicht einmal Wasser trinken?“ – fastende Muslim:innen haben diesen Satz höchstwahrscheinlich schon einmal gehört. Der heiligste Monat im Islam – der Fastenmonat Ramadan – ist insbesondere an Schulen ein umstrittenes Thema. Einerseits möchten Lehrkräfte den Glauben ihrer Schüler:innen respektieren, andererseits sorgen sich viele um die Gesundheit der Kinder und fürchten, sie würden dehydrieren. profil hat darüber mit drei Wiener Lehrerkräften gesprochen.
Wer darf fasten?
Eine fixe Regelung für Lehrpersonen, wie mit Ramadan im Klassenzimmer umgegangen werden soll, gibt es nicht. Fragt man bei der Wiener Bildungsdirektion nach, wird man auf den Ramadan-Leitfaden der Islamische Glaubensgemeinschaft Österreich IGGÖ verwiesen.
In dem Leitfaden für Schulen wird etwa erklärt, wer überhaupt fastet und wer davon befreit ist. Das Fastengebot gilt nämlich laut Leitfaden zwar prinzipiell für jede körperlich reife und geistig gesunde muslimische Person. Aber ab welchem Alter man „körperlich reif“ ist, wird individuell entschieden, da jede:r einen eigenen Entwicklungsprozess hat. Dennoch gilt: Kinder, Personen mit körperlichen oder intellektuellen Einschränkungen, chronisch Kranke und Ältere sind prinzipiell vom Fasten befreit.
Auch die österreichische Kinder- und Jugendstaatsanwaltschaft verschickte einen Informationsbrief an mehrere öffentliche Schulen. Darin wird eingangs erklärt, was der Ramadan genau ist – und dann auf das Wohl der Kinder hingewiesen. Eltern sollten demnach berücksichtigen, dass die Schüler:innen für den Unterricht fit sein sollten.
„Fastende Kinder sitzen mit uns am Mittagstisch“
Nina* ist Lehrerin an einer Mittelschule im 21. Wiener Gemeindebezirk. In den Klassen, die sie unterrichtet, gibt es einige Schüler:innen, die fasten. „Ramadan ist vor allem beim Mittagessen Thema“, berichtet sie. Die Mittelschule, an der Nina arbeitet, bietet eine Nachmittagsbetreuung an. Das heißt, dass Schüler:innen nach dem regulären Unterricht gemeinsam mit Betreuer:innen Mittagessen, im Schulgarten spielen und Hausaufgaben erledigen.
An Ninas Mittelschule gibt es die schulinterne Regelung, dass fastende Kinder, die in der Nachmittagsbetreuung sind, zwar zum Mittagessen mitkommen müssen, aber nicht dazu verpflichtet sind, mit zu essen.
„Ab und zu kommt es vor, dass sich Schüler:innen untereinander ärgern oder genervter im Unterricht sind, weil sie hungrig sind. Ich würde das jedoch nicht als große Sache bezeichnen“, meint sie zu profil. Die Regelung, dass fastende Schüler:innen beim Mittagessen dabei sitzen müssen, findet sie jedoch eher unpassend. Sie würde sich wünschen, dass man Ramadan oder Bayram – also den Festtag, der am Ende des Fastenmonats Ramadan stattfindet, auch in ihrer Schule mehr thematisiert: „Wir sind so eine multikulturelle Schule und ich finde es schade, wie christlich trotzdem alles bei uns ist.“.
Fastende Volksschüler:innen sind Einzelfälle
Marie* ist Lehrerin an einer Volksschule im 19. Wiener Gemeindebezirk. Den IGGÖ-Leitfaden hat sie auch zugeschickt bekommen. „Natürlich ist Fasten ab einem gewissen Alter total in Ordnung und eine individuelle Entscheidung“, sagt sie. Marie arbeitet erst seit wenigen Monaten als Lehrerin und fühlt sich unvorbereitet auf den Fastenmonat. „Was bedeutet körperlich reif und gesund? Kann man in der 1. Klasse Volksschule schon reif und gesund sein?“, fragt sie sich. An ihrer Schule fasten nur vereinzelt Schüler:innen.
„Kinderfasten“ als Kompromiss
Ali Dönmez unterrichtet Deutsch als Zweitsprache und setzt sich aktivistisch gegen antimuslimischen Rassismus ein. Er gibt Workshops und postet auf Instagram Tipps zum Umgang mit Rassismus und Ramadan an Schulen.
Dönmez erzählt, dass in vielen Familien mit dem sogenannten „Kinderfasten“ ein Kompromiss praktiziert wird – hier fasten Kinder beispielsweise nur bis 12:00 Uhr oder sie essen ganz normal ihre Mahlzeiten und „fasten“ dazwischen.
Diskriminierung während Ramadan
In den letzten Jahren verzeichnete die Dokustelle Österreich einen alarmierenden Anstieg von anti-muslimischem Rassismus – dieser hört in den Klassenzimmern nicht auf. „Schulen sind ein Spiegelbild der Gesellschaft. Nimmt in der Gesellschaft Rassismus zu, oder es findet ein Rechtsruck statt, hat das auch einen Einfluss auf Schulen“, warnt Carla Amina Baghajati vom Schulamt der Islamischen Glaubensgemeinschaft Österreich: “Gleichzeitig sind Schulen der Ort, an dem sozialer Zusammenhalt trainiert werden kann. Und darum geht es uns.”
Auch zu Ramadan soll es antimuslimische Anfeindungen gegen fastende Personen geben. In Schulen oft unter dem Vorwand, man würde sich Sorgen um die Gesundheit der Schüler:innen machen”, so Ali Dönmez.
Der Lehrer wünscht sich vor allem aber ein größeres Verständnis für den Ramadan: „Ich verstehe schon, dass es für Lehrpersonen, die jetzt nicht damit aufgewachsen sind, eine Umstellung ist. Aber wenn etwas unbekannt ist, dann kann man nachfragen oder Interesse zeigen. Und wenn man besorgt ist, kann man ein Gespräch auf Augenhöhe suchen.“
*Die Namen der Lehrerinnen wurden von der Redaktion geändert
Was ist der Ramadan?
In Österreich leben laut Statistik Austria 645.600 Menschen, die Teil der islamischen Glaubensgemeinschaft sind. Der Islam ist also nach dem römisch-katholischen Christentum die am meisten verbreitete Religion.
Das Wort „Ramadan“ bezeichnet den neunten Monat des islamischen Jahres, den muslimischen Fastenmonat. Das Fasten im Monat Ramadan ist eine wichtiger Bestandteil des Glaubens. Gefastet wird von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. Das heißt, dass man in dieser Zeit weder isst, noch trinkt, raucht oder allgemein „schlechte“ Dinge tut - zum Beispiel, Schimpfwörter zu verwenden.