Dominik Wlazny alias Marco Pogo 2022 in Wien
Bierpartei

Wie Dominik Wlazny als Bezirksrat performt: „Er ist ein Showmaster“

Von Simmering ins Parlament: Wie ernst nimmt der Bierpartei-Gründer Dominik Wlazny alias Marco Pogo die Arbeit als Bezirksrat in Simmering?

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Was wurde eigentlich aus dem Bierbrunnen - oder dem Verbot von Biermischgetränken wie Radlern? Spaß und satirische Forderungen waren für Marco Pogo (der eigentlich Dominik Wlazny heißt) lange das probate Mittel, um Aufmerksamkeit zu generieren. Für seine Punkrockband, seine Biermarke - und die Bierpartei. Das hat sich seit dem Präsidentschaftswahlkampf 2022 verändert. Wlazny streifte seine Kunstfigur Pogo ab und verpasste sich ein ernsthafteres Profil, auch weil ihm die politische Konkurrenz zunehmend vorwarf, dass er Alkoholismus das Wort rede. Heute geht es der Partei um „Chancengleichheit“ und „Bewältigung des Lebensalltags“, wie sie ihre Anliegen in einer Aussendung definieren. Denn das Jahresziel für 2024 ist klar: Das ehemalige Satireprojekt will bei der Nationalratswahl kandidieren und den Einzug ins Parlament schaffen. Die Voraussetzung dafür hat Marketing-Talent Wlazny selbst definiert: Er kandidiert nur, wenn er bis Ende April 20.000 Mitglieder einsammeln kann. Politikexpert:innen rechnen der Partei gute Chancen aus, den Einzug in den Nationalrat zu schaffen. Erste Umfragen sehen die Bierpartei knapp oberhalb der Vierprozenthürde.

Einen Probelauf in Sachen Realpolitik versucht die Bierpartei seit drei Jahren auf Wiener Bezirksebene. Seit der Wien-Wahl 2020 sitzen elf Mandatar:innen in den Bezirksvertretungen - von Rudolfsheim-Fünfhaus über Landstraße, Ottakring bis nach Simmering. Im elften Wiener Gemeindebezirk, im Südosten der Stadt, ist Parteigründer und -chef Dominik Wlazny, 37, seit Dezember 2020 selbst Bezirksrat. Hier, unweit der Gasometer-Türme sind auch die Parteizentrale sowie Wlaznys Firmenimperium angesiedelt. Was hat der Parteigründer in der Kommunalpolitik bisher gemacht? Welche Vorhaben hat er als Bezirksrat angestoßen - und was lässt sich aus den Mühen der Bezirkspolitik für die große Bühne lernen?

„Ich nehme Dominik Wlazny relativ wenig im Bezirk, im Grätzl oder bei Veranstaltungen wahr“, sagt der Simmeringer Bezirksvorsteher Thomas Steinhart (SPÖ) zu profil. Und das gehöre, so der SPÖ-Politiker durchaus zu den Aufgaben eines Bezirksrats. Aber wahrscheinlich sei Wlazny mit Kabarett oder Konzerten in ganz Österreich beschäftigt, mutmaßt Steinhart. 

Bei den Sitzungen der Bezirksvertretung, die vier Mal im Jahr stattfinden, bringt sich Wlazny durchaus mit Anträgen und Anfragen ein, auch wenn es sich oft um Themen handelt, die bereits durch die Stadt Wien umgesetzt wurden. „Aber so ist das halt in der Politik“, sagt Steinhart lakonisch. Bei Ausschüssen und Kommissionen, die regelmäßig tagen, zeigt sich Wlazny kaum als Gast, denn ordentliches Mitglied ist er nicht. Gemeinsame Projekte habe man im Bezirk auch realisiert. So habe man, auf Initiative der Bierpartei, eine Kinderrechte-Fahne auf dem Amtshaus angebracht. Andere Projekte, wie die Proberäume in den Schulen, liegen eben nicht in der Kompetenz des Bezirkes, sondern beim zuständigen Magistrat der Stadt Wien - von einem Bierbrunnen mal ganz abgesehen. Angesprochen auf Wlaznys Nationalratswahl-Ambitionen, meint Steinhart, dass man sich als Politiker lieber auf eine Sache konzentrieren und nicht überall mitspielen sollte. Heißt: Will man sich im Bezirk, in der Stadt - oder doch lieber im Bund engagieren? 

Dominik Wlazny bei einer Pressekonferenz im Jänner 2024

Liest man sich durch die Sitzungsprotokolle, sieht man, dass die Bierpartei in Simmering in den letzten Jahren durchaus versucht hat, ihre Politik im Kleinen auszuprobieren. So findet sich ein Antrag auf Öffnung von Musikräumen von Schulen für Schüler:innen auch außerhalb der Unterrichts- bzw. Ferienzeit (einstimmige Zuweisung an die Kommission für Bildung, Jugend und Soziales); ein gemeinsamer Antrag mit Grünen und dem Thema „Mehrsprachige Plakate für Arztpraxen als Hilfestellung für Gewalt und/oder Missbrauchsopfer“ vom Juni 2021 (mehrheitlich angenommen); „Gegen die Praxis der Abschiebung von Kindern, die in Österreich geboren sind“ (abgeändert einstimmig angenommen); „Pop Up-Proberäume in Gewerberäumlichkeiten von Wiener Wohnen“ (einstimmig angenommen); die „Zurverfügungstellung eines Informations- und Handlungspaketes für die bestmögliche Inklusion von trans- und non-binären Kindern und Jugendlichen an Simmeringer Bildungseinrichtungen“ (mehrstimmig angenommen) - und auch überraschend viel Verkehrspolitik („Überprüfung des Fußgänger-Innenüberganges in der Geiselbergstraße“, Dezember 2023). 

Die Bezirksvertretungen der 23 Wiener Gemeindebezirke sind Parlamente im Kleinen, obwohl hier große Politik gemacht wird. Denn im Gegensatz zur Bundes- oder Länderpolitik, die durchaus abstrakt wirken kann, geht es hier um die Themen, die die Menschen im täglichen Leben beschäftigen – daher wird hier schon auch mal über das Colour der anderen Bezirksräte hinweggesehen: In Simmering geht es um bauliche Maßnahmen zur Abgrenzung des Gehweges, Bodenschwellen, Beleuchtungen bei Kreuzungen – überhaupt um sehr viel Verkehrspolitik. 

Das bestätigt auch die grüne Simmeringer Klubobfrau und Bezirksrätin Sofia Palzer-Khomenko. „Die einzigen Kompetenzen, die der Bezirk wirklich hat, sind im Bereich Stadtplanung und Verkehr“, sagt die Sprecherin für Bildung im Gespräch mit profil. Sie habe als grüne Fraktion, obwohl sie Sprecherin für Bildung sei, auch kaum noch Anträge zur Bildung gestellt, erzählt sie, da der Bezirk für Bildung ohnehin nicht zuständig sei und auch nur bei der Ausstattung der Schulen mitverantwortlich ist. Für Bezirkspolitik brauche man einen langen Atem - und nur weil man eine gute Idee hat, heiße das nicht, dass das auch sofort umgesetzt werde. 

Ähnliches hört man auch von Seiten der ÖVP. Die Simmeringer ÖVP-Klubchefin Anita Müllner schätzt Wlazny sehr, wie sie erzählt, aber würde sich wünschen, wenn er sich im Bezirk mehr einbringen würde und auch mit den anderen Parteien mehr kooperieren würde. Denn im Bezirk bringe man nur etwas weiter, wenn man auch über Parteigrenzen hinweg zusammenarbeite. „Der Dominik ist ein Showmaker“, sagt sie, und er wisse genau, wie man die Menschen anspreche. 

Dominik Wlazny alias Marco Pogo

Fragt man bei der Bierpartei nach, welche Projekte Wlazny in Simmering umsetzen konnte, verweist er auf die Menschenrechtsfahne, die durch einen Kreativwettbewerb unter Simmeringer Schüler:innen gestaltet wurde und am Amtshaus gehisst wurde. Und in ganz Wien? „Besonders freut mich auch ein großer Erfolg in der Donaustadt. Dort wurde das Budget für die Musikschule massiv erhöht“, schreibt Wlazny auf Anfrage. Außerdem wurde in einigen Bezirken der Antrag auf ‘Warme Platzerl’ umgesetzt, also öffentliche Räumlichkeiten eingerichtet, in denen sich Menschen aufwärmen können, die sich die Heizkosten nicht leisten können und sonst in einer kalten Wohnung sitzen müssten. „Lauter gute Sachen also“, schreibt Wlazny. 

Gegründet hat Wlazny die Bierpartei 2015, vier Jahre später dann der erste Antritt bei der Nationalratswahl (0,6 Prozent in Wien, 0,1 Prozent österreichweit). Außerhalb von Wien wurde die Bierpartei spätestens mit Wlaznys Kandidatur bei der Bundespräsidentenwahl 2022 (er wurde mit 8,3 Prozent hinter Amtsinhaber Alexander Van der Bellen und FPÖ-Mann Walter Rosenkranz Dritter) bekannt. Die Nationalratswahl ist in jeder Hinsicht anders, denn erstmals darf sich der Doch-nicht-mehr-Spaßpolitiker ernsthafte Chancen auf einen Einzug machen. Mit allen Folgen: Als Klubobmann im Nationalrat würde für Wlazny ein Berufsverbot gelten. Aber soweit ist es noch nicht. Vorerst steht Basisarbeit am Programm: Anfang Februar trommelt der Parteichef seine Neumitglieder im Schutzhaus auf der Schmelz (15. Bezirk in Wien) zusammen, um sie für seinen Wahlkampf einzuteilen. Dass das Mitreden bei der Bierpartei nicht so einfach ist, hat jüngst eine profil-Recherche gezeigt: Die Satzung der Bierpartei ist nämlich so gebaut, dass Wlazny und sein Vater Michael Wlazny beinahe alleine über Anträge und Wahllisten bestimmen können. 

„Die Satire ist bei der Bierpartei fast verschwunden“, sagt Palzer-Khomenko zu Wlaznys Nationalratswahl-Ambitionen – und das sehe man auch bei dessen Auftritten unter seinem bürgerlichen Namen. Den Grünen, meint sie, könnte ein Antreten der Bierpartei auf Bundeseben durchaus Stimmen kosten, da sich die Programme auch nicht wesentlich unterscheiden würden. Nachsatz: Potenzielle Protestwähler oder Menschen, die generell mit der Politik unzufrieden seien, würde der ehemalige Spaß-Politiker so wohl nicht mehr erreichen. Das finde sie schade.

Und was sagt Dominik Wlazny selbst zur Kritik, dass er sich in den Ausschüssen und Kommissionen im Bezirk selten blicken lasse? „Diesen Vorwurf habe ich schon aus verschiedenen Ecken gehört und jetzt kann ich vielleicht endlich damit aufräumen“, schreibt er an profil. „Die Bierpartei hat in den Ausschüssen kein Stimmrecht. Als stiller Beobachter dort zu sitzen, sehe ich als wenig sinnvoll an. Das ist, wie wenn man, ohne ein Kind zu haben, auf einen Elternsprechtag geht.“

Anruf bei Paul Stadler. Der FPÖ-Politiker war von 2015 bis 2020 Simmeringer Bezirksvorsteher - als erster Blauer überhaupt in Wien. Bei der Bezirksvertretungswahl in Wien wurde er 2020 wieder von der SPÖ abgelöst. Für den FPÖ-Granden ist Wlazny eben „ein guter Stratege, der seine Produkte, wie auch das Bier, sehr gut verkauft“ – und der es verstehe, sich als Person sehr gut zu vermarkten. Als Bezirkspolitiker sei er eher „unauffällig“.

Und wie bewertet Wlazny selbst seine Arbeit als Bezirksrat in Simmering? „Ich finde die Arbeit auf kommunaler Ebene wahnsinnig spannend und ich mach das auch sehr gerne.“ Nachsatz: Grundsätzlich findet auch Wlazny die Zusammenarbeit mit den anderen Parteien im Bezirk gut. „Natürlich ist man sich nicht bei jedem Thema einig, aber das macht es ja auch spannend.“

Und was ist jetzt mit dem Bierbrunnen passiert? Der Antrag S 1471946/21 „Errichtung eines Bierbrunnens am Enkplatz“ wurde nicht zugelassen.

Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Von 2009 bis 2024 Redakteur bei profil.