Wendeorte Teil 8

Wie FPÖ-Stadler den roten „Swing State“ Simmering zurückerobern will

profil-Serie „Wendeorte“: Simmering war der erste blaue Bezirk Wiens. Dort streiten SPÖ und FPÖ über Parkplätze, Würstelstände und die Frage, wie sehr ein Stadtteil Wiens noch Dorf bleiben soll – Wildtiere inklusive.

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In Simmering läuft ein launiger „Beef“ zwischen SPÖ und FPÖ. Es geht um die Frage, wer in seiner Amtszeit für neue Würstelstände gesorgt hat. Hintergrund: 2015 wurde der heute 67-jährige Paul Stadler in Simmering der erste freiheitliche Bezirkschef in der Geschichte Wiens. Der leutselige Mann mit korpulenter Erscheinung kritisierte den zu raschen Wandel auf der Simmeringer Hauptstraße und traf damit einen Nerv. Die 8,4 Kilometer lange Straße durchzieht den Bezirk und ist im Zentrum von Döner-Läden und Barber-Shops geprägt. Stadler sprach von „Little Istanbul“ und weckte bei seiner Klientel die Hoffnung auf eine Rückkehr von Käsekrainer & Co. in einem Bezirk mit 110.000 Einwohnern, 35 Prozent davon Ausländer.

Knapp zehn Jahre später gibt es nicht nur türkisches, sondern auch syrisches Kebab („Schawarma“), aber keine neuen Käsekrainer. Dafür kann Thomas Steinhart, der den Bezirk bei der Landtagswahl 2020 für die SPÖ zurückholte, auf einen neuen Würstelstand verweisen. Der liegt zwar nicht auf der Simmeringer Hauptstraße, sondern beim 3. Tor des Zentralfriedhofs. Und neu ist nur der Pächter, nicht der Stand, wie Stadler anmerkt. Aber dennoch: Punkt für die SPÖ.

Zwischen Dorf, Stadt und grüner Wiese

In Simmering, dem 11. Wiener Gemeindebezirk, geht es zwischen FPÖ und SPÖ seit Jahren um die Wurst. Der Bezirk ist der rot-blaue „Swing State“ schlechthin und politisch de facto geteilt. Die zentrumsnahen, urbaneren „Nordstaaten“ des Bezirks wählen mehrheitlich rot, die dörflicher geprägten „Südstaaten“ Richtung Niederösterreich blau. Für die restlichen Parteien ist im historischen Arbeiterbezirk wenig zu holen. Ansonsten spielt sich das rot-blaue Match mittlerweile auf den vielen grünen Wiesen des Bezirks ab.

Bei der nächsten Wien-Wahl im Herbst 2025 will Stadler den Bezirk für die Freiheitlichen zurückholen. „Ich trete an und will wieder Bezirksvorsteher werden“, sagt er exklusiv zu profil. Bei der Nationalratswahl Ende September kann er auf Rückenwind hoffen. Denn bei der Wahl 2019 war die FPÖ durch Ibiza-Video und Spesenaffäre auch in Simmering auf 21 Prozent abgestürzt (nach 33 Prozent bei der Wahl 2017) und wurde von der türkisen ÖVP überholt, die SPÖ blieb mit 35 Prozent weit voran. Von den Umfragen her dürfte das Pendel wieder in die Gegenrichtung ausschlagen. 

Stadlers Kampagne läuft bereits. Und sie richtet sich nicht gegen Kebab-Läden, sondern gegen Bodenversiegelung.

Clemens   Neuhold

Clemens Neuhold

Seit 2015 Allrounder in der profil-Innenpolitik. Davor Wiener Zeitung, Migrantenmagazin biber, Kurier-Wirtschaft. Leidenschaftliches Interesse am Einwanderungsland Österreich.