Sie möchten die Wahlen gewinnen – koste es, was es wolle? Dann ignorieren Sie die Wahlkampfkostenobergrenze, also den Maximalbetrag für das Kampagnenbudget, und berechnen Sie Strafzahlungen mit ein. Sehen Sie es als Investition in Ihre Zukunft: Wer ungleich mehr Geld in die Kampagne steckt, hat einen Wettbewerbsvorteil und kann so theoretisch mehr Stimmen für die eigene Partei gewinnen. Je besser das Wahlergebnis, desto höher später die Parteienfinanzierung.
Am besten machte es Frank Stronach im Jahr 2013 vor. Die Obergrenze von sieben Millionen Euro wurde zwar nach mühsamen Verhandlungen 2012 beschlossen, aber davon ließ sich der austrokanadische Millionär seine Pläne nicht durchkreuzen. In Interviews kündigte er selbstbewusst sein Wahlkampfbudget an: „20 bis 25 Millionen Euro.“ Trockener Nachsatz: „Wenn wir mehr Geld ausgeben als erlaubt, werden wir die Strafe bezahlen.“ Am Ende gab die Partei in den drei Monaten vor der Wahl, die für die Obergrenze relevant sind, 13,6 Millionen Euro aus. Das war zwar doppelt so viel wie erlaubt, aber selbst mit der Strafe von 567.000 Euro für Stronach leistbar. Erst als er das Interesse an seinem Projekt verlor, ging die Partei (erfolglos) gegen die Strafe vor.
Wenn wir mehr Geld ausgeben als erlaubt, werden wir die Strafe bezahlen.
Frank Stronach
hatte als Politiker keine Angst vor Strafzahlungen
Vier Jahre später hätte Sebastian Kurz Frank Stronach fast vom Thron des Kosten-Königs gestoßen. 12,96 Millionen statt sieben Millionen Euro gab die ÖVP bei der Wahl 2017 aus. Bloß dass ein großer Teil nicht mit Spenden, sondern durch Schulden finanziert wurde. Die Partei nahm 15 Millionen Euro an Kredit auf, da fiel die Strafzahlung von 800.000 Euro nicht groß ins Gewicht. Die Parteienförderung stieg von 7,3 Millionen im Jahr 2017 auf 9,7 im nächsten Jahr an.
Die strengeren Regeln
Die Wahlkampfobergrenze wird inflationsangepasst dieses Jahr 8,6 Millionen Euro erlauben.
Mit der Reform des Parteiengesetzes 2022 wurden die Strafen so weit erhöht, dass sie eine echte präventive Wirkung erzielen sollen. Bis zu 200 Prozent des Betrags, der unerlaubt geflossen ist, sind möglich.
Auch mehr Transparenz könnte die Parteien sensibilisieren. In Zukunft müssen sie schon sechs Monate nach der Wahl dem Rechnungshof aufschlüsseln, wie viel sie wofür in den Wahlkampfmonaten ausgegeben haben. Bisher konnten sie sich dafür Zeit lassen und die Kosten erst im sogenannten Rechenschaftsbericht ein Jahr nach der Wahl abgeben. Aber selbst diese Papiere enthalten jetzt mehr Informationen: Erstmals müssen die Parteien angeben, wie viel Schulden sie insgesamt haben.
2. Lassen Sie andere bezahlen
Sie sind eine junge und/oder finanzschwache Partei? Dann versuchen Sie, andere Menschen von Ihrem Ansinnen zu überzeugen. Spenden haben in der Vergangenheit Hunderttausende Euro eingebracht. Und es muss auch nicht immer Geld fließen …
Milliardäre wie Frank Stronach können praktisch sein, wenn man als neue Partei Startkapital braucht. Den NEOS griff immerhin der Großindustrielle Hans Peter Haselsteiner finanziell unter die Arme, und zwar buchstäblich bis zur letzten Sekunde. Im Frühsommer 2019 überwies er der Partei noch 300.000 Euro. Das war kurz vor der Nationalratswahl und, noch viel wichtiger, kurz bevor ein strenges Gesetz in Kraft trat. Eine der Neuregelungen: Einzelpersonen durften nicht mehr als rund 7500 Euro überweisen.
Seitdem hat der Rechnungshof mehrfach illegale Parteispenden geortet. Zum Beispiel bei den steirischen Freiheitlichen: Der FPÖ-Gemeinderatsklub in Graz soll mutmaßlich mehr als 103.000 Euro in den Wahlkampf der Landespartei gesteckt haben. Also mehr als erlaubt und ohne rechtmäßige Einmeldung beim Rechnungshof. Die Freiheitlichen dementieren diese Darstellung, eine Entscheidung steht noch aus.
Von Eva Linsinger,
Stefan Melichar,
Max Miller und
Anna Thalhammer
Die Begrenzung gilt übrigens auch für immaterielle Spenden, wie Dienstleistungen oder Materialien. Wobei der Gesetzgeber hier behutsam vorgeht, um ehrenamtliche Arbeit nicht zu behindern. Wenn ein SPÖ-Fan zum Beispiel für seine Partei freiwillig ein paar Hausbesuche macht, ist das völlig im Rahmen. Wird eine Person dafür angeheuert und bezahlt, zählt ihr Entgelt als Wahlkampfausgabe.
Nicht immer ist es so eindeutig, ob es wirklich eine immaterielle Spende ist. Bestes Beispiel: PR-Berater Wolfgang Rosam. Er trat kürzlich gemeinsam mit Karl Nehammer auf, um der Öffentlichkeit mitzuteilen, als Kommunikationsexperte im Wahlkampf zur Verfügung zu stehen. Allerdings „pro bono“, ohne persönliche Vorteile, als Privatperson Rosam für seinen Freund Nehammer.
Es ist wohl Rosams Art, auf das Parteiengesetz hinzuweisen. In Paragraf 2, Absatz 5b, steht nämlich, dass „die unentgeltliche Zurverfügungstellung der eigenen Arbeitskraft sowie eigener Sachen“ nicht als Spende zu werten ist. Aber nur „sofern diese nicht von einem Unternehmer für dieselben Zwecke zur Verfügung gestellt werden, für die er sie überwiegend in seinem Unternehmen verwendet hat“. Stark vereinfacht spricht viel dafür, dass es keine Spende ist. Aber es komme darauf an, ob Rosam seine Beratung aus dem Bauch heraus macht oder Unterstützung von seinem Unternehmen dafür holt, und inwieweit er selbst noch beruflich eingespannt ist, sagt Parteifinanzen-Experte Hubert Sickinger.
Die strengeren Regeln
Heute dürfen Einzelpersonen maximal nur noch 9285 Euro pro Jahr spenden, Parteien insgesamt nicht mehr als 928.130 Euro annehmen, auch dieser Wert wurde an die Inflation angepasst. Die strikten Regeln gelten nicht nur in Wahljahren, sind aber für die Parteien gerade in dieser Zeit besonders relevant. Dadurch können sie ihre Kampagnen nicht mehr im gleichen Ausmaß wie früher durch Spenden mitfinanzieren.
Genauer im Blick sind außerdem auch Arbeiter- oder Wirtschaftskammer. Die sogenannten gesetzlichen beruflichen Vertretungen müssen nun das erste Mal nach einer Nationalratswahl dem Rechnungshof melden, ob und wie viel sie vor der Wahl zusätzlich ausgegeben haben. So soll es zumindest einen Überblick geben, wenn zum Beispiel die rot-geführte Arbeitervertretung oder die schwarz-regierten Wirtschaftskämmerer Parteien im Wahlkampf mittelbar unterstützen.
3. Lassen Sie andere für sich werben
In einem Wahlkampf können Sie jede Hilfe gebrauchen. Umso erfreulicher, wenn sich Unterstützung außerhalb der Partei finden lässt. Vereine oder Personenkomitees sind eine gute Plattform, um andere für Sie werben zu lassen. Wer Ihre Werte teilt, kann Ihnen so kräftig unter die Arme greifen. Außerdem gibt es bestimmt auch hohe Parteimitglieder, die mehrere Funktionen haben. Lässt sich in dem einen Amt womöglich für die Wahl werben?
Auf Ibiza hatte Heinz-Christian Strache einige Tipps, wie die vermeintliche Oligarchennichte der FPÖ Geld spenden könnte, ohne dass es jemals aufscheinen würde, „am Rechnungshof vorbei“. Denn erhält ein scheinbar parteifreier Verein eine Spende, muss er sie nicht an den Rechnungshof melden. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, ob das wirklich stattgefunden hat, wurden allerdings eingestellt.
Die SPÖ nutzte in der Vergangenheit andere Tricks: Sie kappte die offiziellen Verbindungen zur Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter. Die FSG ist nicht mehr eine nahestehende Organisation, die dem Rechnungshof Spenden vorlegen muss – sondern der Verein „GewerkschafterInnen in der SPÖ“, der sich aus Mitgliedsbeiträgen finanziert. Und Mitgliedsbeiträge gelten nicht als Spenden.
Wer in einer Regierungsfunktion ist, muss genau auf die – zugegeben nicht immer einfache – Trennung zwischen Partei und Ministerium achten. Der Rechnungshof kritisierte unter anderem den Social-Media-Account von Grünen-Chef und Vizekanzler Werner Kogler. Die Ressourcen des Staates würden zumindest mitgenutzt, um politische Parteiarbeit zu leisten. Die zwei Ebenen müsste man klarer trennen.
Die strengeren Regeln
Die Rüge des Rechnungshofs sorgte zumindest für eine Sensibilisierung in der Regierung bei der Trennung von Partei- und Regierungsaccounts.
Auch in anderen Punkten hofft er auf mehr Transparenz: Personenkomitees müssen sich beim Rechnungshof registrieren lassen, wenn sie im Wahlkampf werben wollen.
Die Regelungen für Vereine wurden etwas verschärft. Sie gelten als „nahestehende Organisation“, wenn sie eine Partei (oder eine andere nahestehende Organisation einer Partei) unterstützen oder an der Willensbildung in der Partei beitragen. Sammelt einer dieser Vereine Spenden, muss sie die Partei dem Rechnungshof melden.
4. Wahlkampf, welcher Wahlkampf?
8,6 Millionen Euro sind nicht genug, Sie möchten aber auch keine Strafen zahlen? Dann überlegen Sie sich gut, was Sie wirklich als Wahlkampfkosten angeben wollen. Manche Termine könnten als übliche Parteiarbeit durchgehen, dann wären sie auch für die Obergrenze irrelevant. Das ist nichts Unrechtes, Sie sollten es nur gut argumentieren können.
Ab wann ist eine Wahlkampfausgabe eine Wahlkampfausgabe? Diese Frage wurde nach der Nationalratswahl 2019 ausführlich diskutiert. Anlass war die ÖVP, die darauf beharrte, sich dieses Mal an die Maximalgrenze gehalten zu haben. Die Partei gab zuerst Kosten in der Höhe von 5,6 Millionen Euro an, korrigierte sie später um eine Million Euro nach oben – blieb damit aber unter den damals erlaubten sieben Millionen Euro.
Der Rechnungshof meldete allerdings Zweifel an. 900.000 Euro wollte das Kontrollorgan noch dazuzählen, aber die ÖVP beharrte darauf, dass es sich dabei um übliche Parteiausgaben handelte. Unter anderem ging es um die „Bergauf“-Tour, also mehrere Wanderungen mit Sebastian Kurz, die später auch als Fotokulisse für Wahlplakate dienten.
Am Ende entschied der Unabhängige Parteientransparenzsenat (UPTS) im Kanzleramt. Er erkannte zwar an, dass die Wanderung Wahlkampfcharakter hatte. Bei anderen Ausgaben wie Leistungszulagen für Partei-Mitarbeiter gab er der ÖVP aber recht.
Dieses Jahr, einem Superwahljahr, lassen sich auch Synergien nutzen. Für die EU-Wahl gilt theoretisch dieselbe Obergrenze wie bei der Nationalratswahl, nur wird sie für gewöhnlich von den Parteien nicht ausgeschöpft. Wer möchte, könnte also einzelne Ausgaben in den EU-Wahlkampf buchen, die später auch nützlich sein könnten. Fiktives Beispiel: Werden für ein EU-Event mehrere T-Shirts gekauft, können die auch vor der Nationalratswahl verwendet werden.
Die strengeren Regeln
Früher konnten ausschließlich Wirtschaftsprüfer, die von der Partei ausgesucht wurden, in die Parteibücher schauen. Seit dem Jahr 2023 darf der Rechnungshof allerdings – bei einem begründeten Verdacht, dass etwas nicht stimmen könnte – selbst aktiv werden.
Für die kommende Nationalratswahl hat der Rechnungshof auch einen Gutachter aus der Kampagnen- und Transparenzforschung und eine Gutachterin aus dem Medienwesen beauftragt. Die beiden sollen analysieren, ob die Einhaltung der Obergrenze plausibel erscheint, sechs Monate nach der Wahl wird ihr Bericht veröffentlicht.
Allerdings prüfen sie rein von außen und können sich nicht auf den Bericht der Parteien stützen, der auch erst sechs Monate nach der Wahl fällig ist. Bei der EU-Wahl untersuchte die „Observer“ Gesellschaft m.b.H. die Transparenz und Kampagnen der Parteien, die Gerichtssachverständige Barbara Sommerer die Medienarbeit. Ihr Ergebnis liegt aber erst Ende des Jahres vor.
5. Erhöhen Sie Ihren Spielraum
Sie möchten mehr Geld ausgeben oder finanzkräftigeren Parteien ihr Budget kappen? Dann suchen Sie eine Mehrheit und beschließen Sie eine neue Obergrenze.
Natürlich ist das Leben in Österreich nicht überall gleich teuer – das gilt auch für die Politik. Aber wer eine Logik sucht, nach der die unterschiedlichen Bundesländer ihre Obergrenzen festlegen, wird vermutlich scheitern. Denn nicht nur auf Bundesebene, auch bei Landtagswahlen gibt es einen maximalen Betrag für Werbeausgaben – und der fällt höchst unterschiedlich aus. Das Burgenland erlaubt zum Beispiel den Parteien 300.000 Euro, in Niederösterreich sind sechs Millionen Euro erlaubt. Vorarlberg begrenzt nicht nur die Ausgaben ab der kommenden Wahl auf etwas mehr als zwei Euro pro wahlberechtigter Person, sondern auch die Anzahl der Plakate auf 300.
Die strengeren Regeln
Der Trend in den Bundesländern geht eher dahin, die Kosten zu senken, wenn auch auf hohem Niveau: Wien senkte die Obergrenze von sechs auf fünf Millionen Euro.
Im Bund wird die Grenze an die Inflation angepasst, daher stieg sie zuletzt deutlich an.
Dem liegt, alle Tipps und Tricks beiseite, ein Grundprinzip zugrunde: Demokratische Prozesse haben ihren Wert, und damit auch die Wahlwerbung von Parteien.
Manche Regelungen wie die Obergrenze werden wohl ihre Wirkung entfalten. Ob andere Maßnahmen genauso greifen, wird wohl der Rechnungshof genau im Blick haben.
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Iris Bonavida
ist seit September 2022 als Innenpolitik-Redakteurin bei profil. Davor war sie bei der Tageszeitung "Die Presse" tätig.
ist seit Mai 2023 Innenpolitik-Redakteur bei profil. Schaut aufs große Ganze, kritzelt gerne und chattet für den Newsletter Ballhausplatz. War zuvor bei der „Kleinen Zeitung“.