Investigativ

Wiener Spionagesoftwarefirma "Dsirf" schließt

Die Wiener Softwareboutique Dsirf arbeitete an einem Staatstrojaner, vor dem Microsoft warnte. Seitdem wird ermittelt. Die Eigentümer fühlen sich ungerecht behandelt und schmeißen hin. Alle Investitionen im deutschsprachigen Raum werden eingestellt, die Firmen geschlossen.

Drucken

Schriftgröße

Die Wiener Software-Firma Dsirf gelangte im Sommer vergangenen Jahres zu ungewollter Bekanntheit: Das Unternehmen landete auf einer Warnliste von Microsoft, weil der US-Riese aufdeckte, dass der dort entwickelte Staatstrojaner "Subzero" illegal mehrere Anwaltskanzleien infiltriert hatte. Einige davon befanden sich in Österreich. Die Direktion für Staatssicherheit und Nachrichtendienst (DSN) begann zu ermitteln - das zieht sich, profil berichtete. Dazu gibt es weitere Vorwürfe: Es sollen problematische Kontakte nach Russland bestehen. Auch in Zusammenhang mit Wirecard wurde Dsirf immer wieder genannt. "Alles Bullshit", beteuert der Eigentümer seit Monaten und zieht nun seine Konsequenzen: Er schließt alle Geschäfte in Österreich und Deutschland.

"Die Entwicklung der in den Medien wiederholt zu Unrecht dikreditierten Software Subzero wird beendet, die zugehörigen rechtlichen Einheiten werden liquidiert", heißt es in einer Stellungnahme des Unternehmens. Weiters: "Neben anderen Produkten hat die Dsirf GmbH eine Software entwickelt, deren Verwendung ausschleißlich Behörden in den DACH-Staaten ermöglicht werden sollte. Damit sollte ein Betrag geleistet werden, technische Kapazitäten zur Beweissicherung in Zusammenhang mit schweren Straftaten im Rahmen der rechtlichen bzw. gesetzlichen Vorgaben innerhalb der EU und ihren Mitgliedsstaaten zu schaffen. Verkauf oder Weitergabe an nichtbehördliche Institutionen war zu keinem Zeitpunkt geplant." Weiters bedauere Dsirf den Vorfall rund um das von Microsoft gemeldete Datenleck. Man habe zu jeder Zeit mit den Behörden kooperiert. "In diesem Kontext durch Medien erhobene Vorwürfe, Dsirf bewerbe und vertreibe Spionage-Software oder entwickle Software zu Gesichtserkennung waren zu jedem Zeitpunkt falsch." Gleiches gelte für die Unterstellung, Dsirf unterhalte geschäftliche Kontakte nach Russland, oder dass für die Signa-Gruppe Kick-back-Zahlungen abgewickelt worden sein sollen.

Trojaner ja, aber nicht aus Österreich

"Die Kriminalität wandert zunehmend ins Internet. Regierungen auf der ganzen Welt suchen Verteidiungsstrategien gegen diese Verbrechen - und investieren in Software, die dementsprechend wertvoll und teuer ist. "Dsirf" und die Tochterfirma "Machine Learning Systems" entwickelten als wohl einzige europäische Firma einen Staatstrojaner, der nur für die "Verteidigung der Regierung gedacht ist", wie profil bei einem Hintergrundgespräch erläutert wurde. Wohl darum beteiligte sich die B&C-Stiftung an dem Unternehmen. Die B&C-Stiftung wurde im Jahr 2000 von der Bank Austria gegründet und hat sich „die Förderung des Industriestandorts“ auf die Fahnen geschrieben. Sie hält Anteile an bedeutenden österreichischen Industriebetriebe wie Lenzing, Amag, Semperit und Vamed. Auch Innen- wie Verteidigungsministerium verhandelten mit Dsirf und MLS um entsprechende Cyber-Sicherheitsprodukte - ebenso wie der Deutsche Bundesnachrichtendienst (BND).

Das alles ist vorbei. Nachdem sich Dsirf im Sommer einen schlechten Ruf eingehandelt hatte, gibt es eine inoffizielle Order, nicht mehr mit Dsirf zu reden. Gleichzeitig forderte etwa der DSN-Chef Omar Haijawi-Pirchner endlich einen Staatstrojaner im Kampf gegen  Cybercrime und Terrorismus einsetzen zu dürfen.

"Das ist alles nur mehr kafkaesk", sagt Eigentümer D. zu profil, dem es jetzt reicht. Die Beteiligung der B&C Stiftung wurden jetzt aufgelöst, alle Investitionen in Österreich werden eingestellt. "Nicht verkauft, sondern eingestellt. Das ist zwar zu meinem Schaden, aber noch mehr zum Schaden des Landes. Jammern braucht bei mir nachher keiner", sagt D. Und: "Die Diskussion über Eigenständigkeit ist auch mit von der Presse und der Politik abgetötet worden. Man kauft lieber eine nicht kontrollierbare Software von Drittländern wie den USA oder Israel - das scheint gewünscht zu sein. Darum verabschieden wir uns mit einem enormen finanziellen Verlust aus dem deutschsprachigen Raum."

Die Bewertung der Software liegt mittlerweile wohl bei mehreren hundert Millionen Euro. Eine ähnliche, israelische Software für Handys wurde zuletzt mit einer Milliarde Euro bewertet.

 

 

 

Anna  Thalhammer

Anna Thalhammer

ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.