Willkommen im Kickl-Klub: Identitäre, Islamfeinde und viel Familie
Die Freiheitlichen hatten nach ihrem deutlichen Plus bei der Nationalratswahl Ende September mehrere Luxusprobleme zu lösen.
Durch die zusätzlichen 7,8 Fördermillionen (für Klub, Partei und Akademie) konnten sie ihren Personalstand aufstocken – und auch die Zahl der parlamentarischen Mitarbeiter, die den Abgeordneten zugeteilt sind, erhöhte sich stark. Es geht um eine zweistellige Zahl an Posten. Insgesamt sind profil-Recherchen zufolge nun mehr als 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Parlament damit befasst, den freiheitlichen Laden am Laufen zu halten – vom Büro des neuen Nationalratspräsidenten Walter Rosenkranz über den FPÖ-Klub bis hin zu den Zuarbeitern der einzelnen Abgeordneten.
Woher sollte die FPÖ all diese Leute nehmen, wo sie doch – anders als ÖVP und SPÖ – nicht auf ähnlich große Personalreserven in Kammern und Vorfeldorganisationen zurückgreifen kann? profil sichtete die Listen der neuen Mitarbeiter der freiheitlichen Abgeordneten und des FPÖ-Parlamentsklubs. Die Freiheitlichen griffen in ihrer Personalnot offenbar auf jene zurück, die verfügbar waren: Auf Hintermänner von rechten Propagandamedien, auf ehemalige Kader der Identitären Bewegung, auf eine verurteilte Islam-Gegnerin und auf Verwandte aktiver und ehemaliger Parteipromis.
All diese Neuankömmlinge brauchen freilich ein Büro. Aktuell tüfteln die Parteien mit der Parlamentsdirektion daran, wie die Flächen neu verteilt werden. Dafür gibt es einen Schlüssel: Jeder Klub kriegt eine Sockelfläche von 900 Quadratmetern, pro Abgeordneten kommen 35 Quadratmeter obendrauf. Für die Freiheitlichen bedeutet das in Summe fast 2900 Quadratmeter, 910 mehr als zuvor.
Dort werden auch ein paar einschlägige Charaktere Platz nehmen. Über einige der folgenden Namen hatten heute auch schon „Falter“ und „Standard“ berichtet.
Die Herren aus dem Verfassungsschutzbericht
Fabian Rusnjak kann man gefahrlos als Rechtsextremisten bezeichnen. Der strohblonde Wiener war dabei, als sich die Identitäre Bewegung vor mehr als zehn Jahren in Österreich zu formieren begann. Die strammrechte Aktivistentruppe, deren Symbole später verboten wurden, schreckte bei ihren Aktionen auch vor Hausfriedensbruch nicht zurück.
Der Heimatkurier ist ein rechtsextremes Medienprojekt, das auch immer wieder Berührungspunkte mit dem Neofaschismus aufweist.
Rusnjak war in den 2010er-Jahren der Kassier des Identitären-Vereins. Heute ist er wieder Kassier – bei einem Verein, der das Online-Medium „Heimatkurier“ herausgibt. Die Einschätzung von Bernhard Weidinger, der beim Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands als ausgewiesener Kenner der rechten Szene gilt: „Der Heimatkurier ist ein rechtsextremes Medienprojekt, das auch immer wieder Berührungspunkte mit dem Neofaschismus aufweist.“
Was er meint: In den Texten des „Heimatkurier“ wird auf Erfolge der Franco-Faschisten im spanischen Bürgerkrieg angespielt und Projekte der neofaschistischen Organisation „Casa Pound“ in Italien werden zum „Vorbild“ erklärt.
Die einschlägige Ausrichtung brachte dem Blatt eine unrühmliche Erwähnung im Verfassungsschutzbericht 2023 der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) im Kapitel „Rechtsextremismus“ ein. Der „Heimatkurier“ feierte das auf seiner Webseite wie einen Triumph: „Wir als Redaktion möchten uns an dieser Stelle bei Omar Haijawi-Pirchner (Verfassungsschutz-Chef, Anm.) und seinen eifrigen Schreiberlingen für die Erwähnung und die damit einhergehende Auszeichnung bedanken. Wir können darüber hinaus garantieren, dass es auch für den Verfassungsschutzbericht 2024 wieder ausreichend Material von uns geben wird.“
Material gibt es tatsächlich. Es folgen ein paar Auszüge aus dem Weltbild des „Heimatkuriers“. Die Befreiung vom Nazi-Faschismus durch die Alliierten am 8. Mai und die jährlichen Feierlichkeiten („Fest der Freude“) kommentiert das Portal so: „Wir wurden besiegt. Unser Volk hat einen Krieg verloren.“ Der namentlich nicht gekennzeichnete Autor denkt offen über „ein Gedenken speziell für die Angehörigen der Wehrmacht und der anderen kämpfenden Verbände“ (gemeint sind wohl die SS und andere, Anm.) nach, wobei das, wie im Text bekrittelt wird, „im politisch-medialen Klima unserer Tage völlig undenkbar [wäre] und sofort zu ‚Verherrlichung des Nationalsozialismus‘ verdreht werden [würde]“. Ins einschlägige Gesamtbild fügt sich, dass das Portal einen gefallenen Wehrmachtpiloten zum „Teufelskerl“ ausruft.
Seit einigen Wochen hat „Heimatkurier“-Hintermann Rusnjak eine Zutrittskarte zum österreichischen Parlament. Er hat es vom außerparlamentarischen Rechtsabweichler zum parlamentarischen Mitarbeiter des neuen FPÖ-Abgeordneten Sebastian Schwaighofer aus Tirol gebracht.
Neben Rusnjak stieß profil in den blauen Reihen noch auf einen zweiten Mann, der eine identitäre Vergangenheit vorweisen kann und der neuerdings für einen FPÖ-Abgeordneten arbeitet: Andreas Hinteregger. Ein Foto auf der Webseite „Heimatkurier“ zeigt einen Mann, der Hinteregger sehr ähnlich sieht, bei einer Veranstaltung im Vorjahr in Wien. Neben ihm: Identitären-Kopf Martin Sellner und der rechte deutsche Verleger Götz Kubitschek.
Hinteregger ist dem jungen FPÖ-Abgeordneten und RFJ-Obmann Maximilian Weinzierl zugeteilt.
Eine Zäsur. Rusnjak und Hinteregger sind Sinnbilder dafür, dass unter Kickl die letzten Barrieren zwischen Rechtsextremen und der FPÖ eingerissen wurden.
Die Propaganda-Macher
Welche Art von Berichterstattung sich die FPÖ wünscht, ist hinlänglich dokumentiert. Im vergangenen Jahrzehnt sind im Umfeld der Blauen zahlreiche propagandistische Medienprojekte entstanden, die nicht einmal den Anschein der Überparteilichkeit erwecken wollen, sondern FPÖ-Spins übernehmen, als wären sie Partei-Pressesprecher. Und manchmal sind sie das auch: Das FPÖ-nahe Portal „unzensuriert” wird vom langjährigen FPÖ-Klubmitarbeiter Walter Asperl betrieben, zwischenzeitlich war auch FPÖ-Kommunikator und Kickl-Sprecher Alexander Höferl an Bord. Auf der Website wird diese Parteinähe freilich nicht transparent ausgewiesen.
Andere rechte Medienprojekte sind zwar parteinahe, es gab aber bisher keine so eindeutigen personellen Verstrickungen. Das ändert sich jetzt offenbar.