Grande Dame der Greißler

Brigitte Jank will ins Parlament. Warum nur?

Wien. Wirtschaftskammerpräsidentin Brigitte Jank will ins Parlament. Warum nur?

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Neun Jahre sind eine lange Zeit. Vieles kann sich ändern. Was ein Mensch damals wichtig fand, muss ihm heute kein Anliegen mehr sein. Deshalb ist es immer ein bisschen unfair, Politiker und Funktionäre an ihre alten Zitate zu erinnern. Jeder kann klüger werden - oder dümmer, auch das kommt vor. Brigitte Jank, Präsidentin der Wiener Wirtschaftskammer, gehört zu den wenigen, die vor Zeitbomben im Archiv keine Angst haben müssen. Ihre An- und Einsichten änderten sich in den vergangenen neun Jahren kaum: "Ich habe manchmal das Gefühl, dass wir alle zu vorsichtig sind, zu abwartend“, hatte sie im April 2004 dem "Standard“ erklärt. "Manchmal habe ich schon den Eindruck, wir könnten durchaus etwas mutiger sein“, sagte sie am Donnerstag vergangener Woche zu profil.

"Fleischgewordene Wirtschaftskompetenz"
Hier scheint es sich um ein Lebensthema zu handeln. Und tatsächlich setzte Jank nun einen Schritt, den man nur als mutig bezeichnen kann: Sie entschloss sich, bei der Nationalratswahl als Spitzenkandidatin der Wiener ÖVP anzutreten. Staatssekretär Sebastian Kurz hatte diese Position kurz zuvor dankend abgelehnt und wird als Nummer zwei ins Rennen gehen. Die Volkspartei feierte in der Bundeshauptstadt schon länger keinen Triumph mehr. Da kann es ganz vorne spätestens am Wahlabend ungemütlich werden. Jank hegt diesbezüglich offenbar keine Bedenken. In der ÖVP heißt es, sie habe ihre Bestellung durchaus aktiv gefördert. Als Belohnung winkt immerhin ein Nationalratsmandat und damit die Chance, "mich in manchen Bereichen, die mir wichtig sind, verstärkt einzubringen“, wie sie ankündigt.

Der Wiener ÖVP-Chef Manfred Juraczka ist über das Wahlkampfduo jedenfalls entzückt. Es handle sich um sein Wunschteam, erklärte er. Der Spitzenkandidatin machte er ein etwas holpriges Kompliment: "Sie ist fast so etwas wie die fleischgewordene Wirtschaftskompetenz.“

Unter politischen Beobachtern ist die Überraschung größer als die Begeisterung. Möglicherweise sei Brigitte Jank nicht ganz klar, wie ruppig ein ernsthafter Wahlkampf werden kann, meint ein Parteifreund. "Sie glaubt wahrscheinlich, dass es überall so gesittet zugeht wie bei der Wirtschaftskammerwahl.“

Anders als ihre Wortspenden zum Thema Mut und Risiko vermuten ließen, ist die 61-Jährige nämlich alles andere als eine Draufgängerin. In neun Jahren an der Spitze des Wiener Wirtschaftsbunds und acht Jahren als Wirtschaftskammerpräsidentin hinterließ sie keine einzige Aussage, über die breit diskutiert - geschweige denn gestritten - werden konnte.

Grande Dame der Greißler
Jank agiert überaus professionell in ihrer Rolle als Grande Dame der Greißler und Gewerbetreibenden. Doch so etwas wie politische Herzensanliegen sind nicht aktenkundig. "Sie verbreitet die allgemeinen Worthülsen der Kammer“, sagt Volker Plass, Bundessprecher der Grünen Wirtschaft. "Eigene Ideen hat sie offenbar nicht.“ Auch Fritz Strobl, Präsident des sozialdemokratischen Wirtschaftsverbands, war ziemlich baff, als er von den jüngsten Ambitionen der Kollegin erfuhr. "Bisher hat sie immer gesagt, dass sie mit Politik nichts zu tun haben will. Bei strittigen Themen zog sie sich immer in ihre Position als Interessensvertreterin der Wirtschaft zurück.“

Tatsächlich ist es schwierig bis unmöglich, Brigitte Jank so etwas wie eine Meinung zu entlocken. Auf die profil-Frage, ob sie für oder gegen eine baldige Steuerreform sei, antwortete sie: "Das ist langfristig jedenfalls ein Thema. Wobei das Steuersystem hochkomplex ist. Man kann nicht sagen, so, und jetzt wird alles anders.“ Immerhin fällt ihr dann noch ein, dass man anlässlich des Hochwassers die alte Wirtschaftsbund-Idee eines Handwerker- oder Sanierungsbonus wiederbeleben könnte. Den Kollegen von der "Presse“ ging es jüngst nicht besser. Zur Diskussion, ob es gleichgeschlechtlichen Paaren erlaubt werden soll, Kinder zu adoptieren, erklärte Jank: "Im Grunde geht es um das Wohl des Kindes, und die Auswirkungen sollten wissenschaftlich untersucht werden.“

Brigitte Jank kommt aus der Immobilienwirtschaft. Gleich nach der Matura war sie einst in das Unternehmen der Familie ihres Mannes eingetreten und arbeitet bis heute als Immobilientreuhänderin und Sachverständige. Auf ihren ersten Gehversuch im politiknahen Funktionärswesen wird sie nicht mehr gerne angesprochen: Er fand nämlich für die falsche Partei statt. Lange bevor sie beim Wirtschaftsbund andockte, hatte sie einmal - als Parteifreie - für den Ring freiheitlicher Wirtschaftstreibender kandidiert. Die Geschichte sei so alt, dass sie sich an Details gar nicht mehr erinnere, behauptet Jank. "Es hatte jedenfalls keine Auswirkungen.“ Nur die Freundschaft zum ehemaligen FPÖ-Mandatar Detlev Neudeck ist geblieben. Er war der Firmpate ihrer Tochter, Janks Ehemann Peter ist Vorstand in Neudecks Privatstiftung.

Macho-Imperium
Brigitte Jank war der breiten Öffentlichkeit unbekannt, als sie 2004 zur Nachfolgerin von Walter Nettig an der Spitze des Wiener Wirtschaftsbundes gekürt wurde. Erst ein Jahr zuvor war sie ins Kammerpräsidium aufgerückt. Sogar unter den Wirtschaftsbundmitgliedern gab es damals viele, die von Jank noch nie gehört hatten. Das änderte sich schnell, denn die Frau ist fleißig. Sie nimmt extrem viele Termine wahr und achtet sehr darauf, bei der Verteilung von Festreden nicht zu kurz zu kommen. Den Alltag der Interessensvertreterin erledigt Jank fehlerfrei: Sie kritisiert die U-Bahnsteuer, sie fordert niedrigere Gebühren für Unternehmen, sie agitiert gegen die geplante Fußgängerzone in der Mariahilfer Straße. Und sie schaffte es, bei zwei Wahlen die absolute Mehrheit des Wirtschaftsbunds zu erhalten, allerdings nur sehr knapp. Nächstes Mal könnte es eng werden. Als Präsidentin trägt Jank letztlich auch die Verantwortung für ein gescheitertes Investment der Kammer bei der mittlerweile insolventen Immobilienfirma R-Quadrat. Mehrere Millionen Euro wurden dabei versenkt, der Staatsanwalt ermittelt. So peinlich die Causa war: Sie zeigte auch, dass die Chefin ihr Handwerk beherrscht. Es gelang ihr, die Affäre von sich fern zu halten.

Das Verhältnis zur Wiener SPÖ, unter Janks Vorgänger Walter Nettig noch besonders eng, kühlte in den letzten Jahren etwas ab. Jank bemühe sich zwar um Bürgermeister Michael Häupl, könne mit dessen Stellvertreterin Renate Brauner aber gar nicht, erzählen Beobachter. Die rot-grüne Koalition im Rathaus stört das früher so gedeihliche Gemauschel zwischen der Wiener SPÖ und der schwarzen Wirtschaftskammer natürlich ebenfalls. Jank hat es in dieser Hinsicht deutlich schwerer als ihr Vorgänger.

Selbst explizite Jank-Gegner räumen ein, dass es im Macho-Imperium Wirtschaftskammer für eine Frau nicht leicht war. In den ersten Jahren nach ihrem Amtsantritt habe er bei Veranstaltungen immer wieder das gleiche Bild gesehen, sagt ein ehemaliger Wegbegleiter: In einem Eck die Präsidentin, nur umgeben von ein paar Mitarbeitern. In einem anderen Eck eine verschworene Männerrunde, die seit Jahrzehnten über dieselben Witze lachte.

Vielleicht haben solche Erfahrungen dazu beigetragen, dass Brigitte Jank mitunter wirkt wie die Prinzessin auf der Erbse. Unnahbar, kühl, reserviert und bis zu den Haarspitzen kontrolliert. Sie ist eine recht gute, zumeist fehlerfreie Rednerin, doch beim improvisierten Small Talk fühlt sich Jank ganz offensichtlich nicht wohl. Die Präsidentin setze in hohem Maß auf Inszenierung, meint der Grüne Volker Plass. "Ich habe sie nie in einer lockeren Stimmung erlebt. Sie ist nicht authentisch.“ Ein ehemaliger Mitarbeiter erzählt, dass er wegen ein paar übersehener Fusseln auf dem Sakko der Chefin heftig gemaßregelt wurde. Es sei ja wohl seine Aufgabe, so Jank, ihr das zu sagen.

Egal wie die Nationalratswahl für die ÖVP ausgehen wird: Ein Sitz im Parlament ist Jank sicher. Sie will trotzdem Präsidentin der Wiener Wirtschaftskammer bleiben und sich auch 2015 noch einmal bewerben. Dabei hatte Christoph Leitl, Chef der Bundeswirtschaftskammer, anlässlich seines Amtsantritts vor dreizehn Jahren noch angekündigt, solche Doppelfunktionen abzustellen. Gilt das plötzlich nicht mehr? Er freue sich über Janks Kandidatur, lässt Leitl ausrichten - um dann, ganz diplomatisch, doch sein Missfallen auszudrücken: "Ich selbst habe mich entschieden, die Interessen der heimischen Wirtschaft ohne Nationalratsmandat zu vertreten. Für diesen Weg haben sich auch die anderen Sozialpartnerpräsidenten entschieden.“

Dennoch werde er Jank "nach Kräften unterstützen“, verspricht Leitl. Und das kann sicher nicht schaden.

Zur Person
Brigitte Jank, 61, wurde am 19. September 1951 in Wien geboren und arbeitet seit vielen Jahren als Immobilientreuhänderin und Sachverständige. Im Frühling 2004 folgte sie Walter Nettig als Chefin des Wiener Wirtschaftsbunds, etwas später auch als Präsidentin der Wiener Wirtschaftskammer. Daneben ist sie, unter anderem, stellvertretende Vorsitzende des Universitätsrats der Universität für angewandte Kunst, Vizepräsidentin des Fußballklubs Austria Wien, Vizepräsidentin des internationalen Immobilienverbandes und Präsidentin des Österreichischen Behindertensportverbandes.

Rosemarie Schwaiger