Kickl vor dem U-Ausschuss
FPÖ

Verdacht auf Falschaussage: Nationalrat liefert Kickl aus

Nach einer Anzeige der ÖVP wegen Falschaussage vor dem U-Ausschuss will die Staatsanwaltschaft gegen Herbert Kickl ermitteln. ÖVP, SPÖ und Grüne werden ihn ausliefern.

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Am 6. November langte im Postfach von Nationalratspräsident Walter Rosenkranz, FPÖ, ein bemerkenswertes Schriftstück ein. Konkret handelt es sich um ein Ersuchen der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA). Unter der Geschäftszahl 020 017 ST 2/24w bittet die Behörde um die Auslieferung eines der prominentesten Abgeordneten: Herbert Kickl, Klubvorsitzender und Parteiobmann der FPÖ.

Bekanntlich genießen Abgeordnete parlamentarische Immunität, die sie vor Strafverfolgung schützt. Will eine Staatsanwaltschaft einen Abgeordneten dennoch belangen, muss sie dazu die Zustimmung des Nationalrats einholen.

Falsche Beweisaussage?

Hintergrund des Auslieferungsansuchens ist eine 19-seitige Sachverhaltsdarstellung, die der frühere ÖVP-Abgeordnete Andreas Hanger am 26. Juli bei der Staatsanwaltschaft Wien einbrachte. Darin wirft er Kickl vor, am 11. April beim Auftritt als Auskunftsperson vor dem Untersuchungsausschuss zum „rot-blauen Machtmissbrauch“ mehrfach die Unwahrheit gesagt zu haben, unter anderem zur Affäre um die Klagenfurter Werbeagentur Ideenschmiede, zu Inseratengeschäften des Innenministeriums und zu Kickls Beziehung als Innenminister zum früheren FPÖ-Abgeordneten Hans-Jörg Jenewein.

Die Staatsanwaltschaft Wien trat die Causa am 26. August an die WKStA ab. Wie diese in ihrem Ersuchen an Nationalratspräsident Rosenkranz festhält,  begründe Hangers Sachverhaltsdarstellung „den Anfangsverdacht einer gerichtlich strafbaren Handlung“ gegen Kickl. 

Vor allem im Zusammenhang mit Kickls Darlegungen zu Inseratenvergaben vermutet die WKStA eine „wahrheitswidrige Angabe“. Der FPÖ-Chef sagte vor dem U-Ausschuss aus, sich in seiner Zeit als Innenminister (Dezember 2017 bis Mai 2019) um Inserate „nicht gekümmert“ zu haben. Allerdings belegen FPÖ-interne Chats aus dem in den Ibiza-Ermittlungen beschlagnahmten Handy des früheren FPÖ-Chefs Heinz-Christian Strache, dass sich blaue Minister sehr wohl über die Verteilung von Inseraten und die gezielte Begünstigung einzelner Medien austauschten. Die WKStA führt dazu sogar ein eigenes Verfahren wegen vermuteter Inseratenkorruption.

Nun will die WKStA gegen den FPÖ-Obmann auch wegen Verdachts auf falsche Beweisaussage ermitteln. Bevor sie damit beginnen kann, muss sie auf die Auslieferung durch den Nationalrat warten.

Komplexe juristische Frage

Nationalratspräsident Rosenkranz wird die Causa nun dem Immunitätsausschuss des Nationalrats zuweisen, der dann einen Bericht an den Nationalrat erstellt, der endgültig über die Auslieferung zu entscheiden hat. 

Der Fall ist aus juristischer Sicht hochkomplex. Abgeordnete dürfen keinesfalls ausgeliefert werden, wenn ihr vermeintlich strafbares Handeln in Zusammenhang mit ihrer Abgeordneten-Tätigkeit steht. 

Allerdings sagte Kickl vor dem U-Ausschuss des Nationalrats formal nicht als Abgeordneter, sondern als normale Auskunftsperson aus. Und seine Angaben bezogen sich nicht auf sein Mandat, sondern auf sein Ministeramt. Dennoch ist der Fall aus Sicht der WKStA rechtlich nicht eindeutig, da Kickls Auftritt kurz vor Beginn des Wahlkampfes stattfand und damit aus zeitlicher Sicht vielleicht doch ein politischer Zusammenhang gegeben ist.

Zusammengefasst: Die WKStA verdächtigt Kickl der Falschaussage in Zusammenhang mit der eventuell zweckwidrigen Verwendung von Inseratengeldern des Innenministeriums zu dessen Amtszeit. Allerdings ist die WKStA sich selbst nicht sicher, ob die parlamentarische Immunität den FPÖ-Chef in diesem Fall schützt oder nicht, und überlässt die Antwort dem Parlament.

Mehrheit für Kickls Auslieferung

Die FPÖ hält in einer Stellungnahme gegenüber profil fest, Kickl habe im U-Ausschuss wahrheitsgemäß ausgesagt. Der FPÖ-Klub werde im Nationalrat gegen die Auslieferung stimmen, da ein politischer Zusammenhang vorliege. Es handle sich „um ein politisches Manöver mit dem Ziel, Herbert Kickl persönlich und der FPÖ insgesamt zu schaden“. 

ÖVP und SPÖ beurteilen die rechtliche Lage anders. Beide Fraktionen kündigen an, dem Auslieferungsersuchen der WKStA zustimmen zu wollen. ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker: „Die Kickl-FPÖ spricht gern von zweierlei Maß, bei erster Gelegenheit misst sie selbst damit. Die Auslieferung Herbert Kickls ist hingegen völlig alternativlos.“ Und auch die Grünen werden die Aufhebung von Kickls Immunität unterstützen, womit eine Mehrheit sicher ist. 

Die Auslieferung des FPÖ-Klubobmanns könnte schon im Nationalratsplenum Mittwoch nächster Woche erfolgen, spätestens aber bei einer Sitzung im Dezember. 

 

Gernot   Bauer

Gernot Bauer

ist seit 1998 Innenpolitik-Redakteur im profil und Co-Autor der ersten unautorisierten Biografie von FPÖ-Obmann Herbert Kickl. Sein journalistisches Motto: Mitwissen statt Herrschaftswissen.