Ex-Bundespräsident Heinz Fischer

Wo waren Sie, als die Mauer fiel?

Wie Fischer, Vranitzky & Co. den Mauerfall erlebten.

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Anmerkung: Der folgender Artikel erschien ursprünglich in der profil-Ausgabe Nr. 42/09 vom 12.10.2009.

Heinz Fischer - 1989 Klubobmann im Parlament

"Am 9. November 1989 nahm ich an einer Plenarsitzung des Nationalrats teil. Am Abend, nachdem das SED-Politbüro-Mitglied Günter Schabowski gegen 19 Uhr bei einer Pressekonferenz in Ostberlin vor laufenden Kameras gemeint hatte, dass ab sofort Privatreisen ins „Ausland“ ohne Vorliegen von Voraussetzungen beantragt werden könnten, spürte man auch im Parlament den „Pulsschlag der Geschichte“. Gegen 20.15 Uhr brachte der vorsitzführende Präsident „unter allgemeinem Beifall“ seine Freude darüber zum Ausdruck, dass „die Berliner Mauer de facto nicht mehr besteht und der Verkehr zwischen Ost und West nunmehr frei ist“. Ich war an diesem denkwürdigen Abend noch zu einem späten Abendessen, gegeben vom damaligen US-Botschafter Henry Grunwald, eingeladen, wo die neueste Entwicklung natürlich Gesprächsthema Nummer eins war."

Stefan Karner - Universitätsprofessor in Graz

"Wir sind an diesem Abend in Graz bei einer kleinen Vor-Faschingsfeier zusammengesessen – ungefähr zwölf Leute aus Österreich und Deutschland. Als die Meldung gekommen ist, wollten wir sie zuerst nicht glauben, dann haben wir die ganze Nacht darüber diskutiert, wie es jetzt wohl weitergeht, ob sich die Russen das gefallen lassen. Es war unglaublich – ein Abend, der sogar die Mondlandung in den Schatten gestellt hat."

Erhard Busek - 1989 Wissenschaftsminister

"Ich war in Österreich unterwegs und wurde von meinem Büro angerufen und über die Ereignisse in Berlin informiert. Einige Tage später habe ich mit meiner Mutter darüber gesprochen. Sie war entsetzt, weil es nun womöglich zur deutschen Wiedervereinigung kommen könnte. Sie meinte, die Deutschen würden dann wieder so werden, wie sie vor dem Krieg waren – eine damals weit verbreitete Meinung."

Andreas Khol - Damals Nationalratsabgeordneter der ÖVP

Ich erlebte den Mauerfall in Wien, inmitten hektischer Aktivitäten als Generalsekretär der EDU, der Internationale der christlich-demokratischen und konservativen Parteien. Ein kurzer Eintrag in meinem Tagebuch: „Die Mauer in Berlin fällt, 9 Grenzübergänge, Europa im Taumel. Das ist das Ende des Kommunismus, auf das wir so lange hingearbeitet haben.“ Es kam schneller, als wir alle es erwartet haben, der Kommunismus brach in sich zusammen. Die Ereignisse überstürzten sich, eine intensive Reisetätigkeit nach Ost-Mittel-Europa und interessante Monate begannen.

Elmar Oberhauser - Damals „ZiB 2“-Moderator

Zwischen der „Zeit im Bild 1“ und der „Zeit im Bild 2“ verdichteten sich die Gerüchte, dass an der innerdeutschen Grenze Dramatisches passieren könnte. Leider waren die Fakten zunächst nicht so wasserdicht, dass wir „Größeres“ auf die Beine stellen konnten. Erst während des anschließenden „Club 2“ wurde die Tragweite der Ereignisse klar, was uns veranlasste, nach dem „Club 2“ eine Sondersendung ins Programm zu nehmen. Es war alles unglaublich und dramatisch. Wir wussten, dass wir ein Ereignis miterlebten, das Europa grundlegend verändern würde.

Alois Mock - 1989 Außenminister

Am 9. November 1989 war ich in Brüssel, um Vorträge vor der Europäischen Mittelstandsunion und der Konrad-Adenauer-Stiftung zu halten. Ich übernachtete in der Residenz des österreichischen Botschafters. In den Abendstunden teilte das SED-Politbüromitglied Günter Schabowski mit, dass die DDR ab sofort ihre Grenzen zur Bundesrepublik Deutschland öffnen werde. Davon erfuhr ich durch einen Anruf meines Pressesprechers Dr. Gerhard Ziegler gegen 23 Uhr. Ich diktierte ihm eine Presseerklärung. Dann setzte ich mich mit meinem persönlichen Sekretär, Dr. Martin Eichtinger, heute österreichischer Botschafter in Rumänien, in den Nachtstunden des 9. November 1989 im Pyjama vor den Fernsehapparat im Salon des Botschafters, und wir erlebten den unglaublichen Jubel an der Berliner Mauer mit starken Gefühlen der Freude und Dankbarkeit aus der Ferne mit.

Franz Vranitzky - Damals Bundeskanzler

Ich bin gegen 22 Uhr zu Hause von meiner außenpolitischen Beraterin Eva Nowotny angerufen worden, die mich von diesen wunderbaren Entwicklungen informiert hat. Ab Mitternacht hat dann ständig das Telefon geläutet, weil die Nachrichtenagenturen und die anderen Medien eine Stellungnahme wollten. Ich habe dann schon am frühen Morgen mein Kabinett versammelt, um die Lage zu besprechen. Der Überraschungseffekt war ja auch für uns groß.