Wohin die Spenden der Politiker fließen: Christbäume und „Privatsache“
Eine Spende anzukündigen ist leichter als eine Spende zu belegen. Zumindest, wenn man Udo Landbauer heißt. Der FPÖ-Chef aus Niederösterreich versprach, noch vor seiner Zeit als Landeshauptfrau-Stellvertreter, mitten im Landtagswahlkampf, das Gehaltsplus für 2023 spenden zu wollen. Das wären im Falle Landbauers über 9000 Euro für das ganze Jahr gewesen.
profil versucht seit nunmehr zwei Wochen von Landbauers Pressesprecher herauszufinden, ob und wohin dieses Geld floss. Doch die Blauen in Niederösterreich haben die Anfragen beharrlich ignoriert.
Mit seiner Spendenankündigung ist Landbauer nicht allein: Politikerinnen und Politiker nahezu aller Fraktionen gerieren sich öffentlich als Wohltäter. Während Spenden für KPÖ-Abgeordnete sogar verpflichtend sind, setzen sie andere Politiker eher taktisch ein. Die Mittel fließen, das zeigt ein profil-Rundruf, für höchst unterschiedliche, teils auch skurrile Zwecke.
Bleibt die Frage: Ist die Wohltätigkeit des politischen Spitzenpersonals bloß plumper Populismus oder ernstzunehmendes Engagement?
Das „Kaltenegger-Prinzip“
Bei der KPÖ ist spendable Wohltätigkeit Teil des politischen Programms. KPÖ-Abgeordnete behalten von ihrem Gehalt nämlich nur so viel, wie „ein durchschnittlicher Facharbeiter“ in Österreich verdient, das sind um die 2.500 Euro netto – der Rest fließt in einen Sozialfonds. KPÖ-intern wird diese Vorgangsweise manchmal „Kaltenegger-Prinzip“ genannt. Der steirische KPÖ-Politiker Ernest Kaltenegger hatte sich nämlich 1998, als er in den Grazer Stadtrat einzog, zum ersten Mal diese Gehaltsobergrenze auferlegt, die bis heute Partei-Usus ist.
Die Salzburger KPÖ ist vergangenes Jahr in den Landtag eingezogen – und hat seither weitaus mehr finanzielle Mittel zur Verfügung. Diese werden im Rahmen sogenannter „Sprechstunden“ vergeben. Heißt: Bürgerinnen und Bürger rufen im Büro der KPÖ an und können sich dann persönliche Termine ausmachen. Landessprecher Kay-Michael Dankl schätzt, dass diese Sprechstunden ein gutes Drittel seiner politischen Arbeit ausmachten, als er nur im Gemeinderat und nicht zusätzlich im Landtag saß, mittlerweile teile man sich die Arbeit im Team auf. Durch die Sprechstunden werde er auf Probleme aufmerksam, die politische Lösungen brauchen, erzählt Dankl. „Ich habe seit 2019 mehr als 500 Sprechstunden geführt – da kriegt man schon sehr viel mit. Wenn Leute nicht mehr mobil waren, habe ich auch Hausbesuche gemacht. Bei uns haben sich bisher überwiegend Frauen gemeldet, gut zwei Drittel. Von jungen Alleinerziehenden bis hin zu Pensionistinnen mit wenig Pension oder Mindestpension.“ Die größten Herausforderungen, mit denen die Salzburger Bevölkerung hadert, seien Wohnen, Strom, Heizkostennachzahlungen und in letzter Zeit verstärkt Lebensmittel.
Dankl berichtet, dass sich bei ihm nicht nur Leute melden, die der KPÖ politisch etwas abgewinnen können: „Da sind ÖVP-Wähler dabei, ganz viele, die mit Politik überhaupt nichts mehr zu tun haben und sich von ihr im Stich gelassen fühlen, und es ist auch von den biografischen Hintergründen sehr durchmischt.“
80 Christbäume, 100 Schultaschen
Die FPÖ Tirol hat offenbar beim Kaltenegger-Prinzip abgeschaut: Dort haben sich die sieben blauen Landtagsabgeordneten nach der letzten Landtagswahl verpflichtet, mit einem Teil ihres Gehalts einen Sozialfonds zu speisen. Im letzten Jahr sind so mehr als 42.000 Euro zusammengekommen, wie die FPÖ Tirol auf Anfrage bestätigt. Der Fonds wird „im Vier-Augen-Prinzip durch die Landesgeschäftsführung sowie den Landesfinanzreferenten verwaltet.“
Und wohin fließt das Geld? Neben der „Schultaschenaktion“, bei der 100 Familien mit einem Schultaschenset unterstützt wurden, und der „Weihnachtsaktion“, bei der die FPÖ 80 Familien einen Christbaum inklusive Christbaumschmuck spendete, wurden auch in circa 300 individuellen Fällen Unterstützung geleistet; allerdings nicht in Form von Bargeld oder Überweisungen, sondern ausschließlich mittels Sachspenden oder Warengutscheinen. Jeder Fall wird zudem im persönlichen Gespräch beurteilt. Und – wiederum ähnlich wie die KPÖ – versucht auch die FPÖ, über weitere Hilfsangebote wie den AK-Unterstützungsfonds oder die Delogierungsprävention zu informieren.
Ob das Gehalt gespendet wird, ändert ja nichts an den zugrundeliegenden Problemen. Das dient im Grunde nur der Imagebildung.
Auch die Nationalratsabgeordneten der FPÖ spenden regelmäßig, wie der Freiheitliche Parlamentsklub profil auf Anfrage bestätigt. Ebenso Bundesparteiobmann Herbert Kickl. Wohin will er aber nicht sagen, denn: „Er nimmt Abstand davon, dies groß für eigene PR-Zwecke zu nutzen und sieht dies als Privatsache an“, so der FPÖ-Klub.
„Reine Symbolpolitik“?
Populismusforscher Walter Ötsch sieht die Freigiebigkeit skeptisch: „Das ist reine Symbolpolitik. Ob das Gehalt gespendet wird, ändert ja nichts an den zugrundeliegenden Problemen. Das dient im Grunde nur der Imagebildung.“
Ötsch warnt davor, dass sich die Politik ihren eigenen Ruf damit ruiniert: „Durch die Spenden kann es zu einer Abwertung von Politik kommen, weil dabei mitschwingen kann, dass Politik nichts wert sei.” Immerhin: Für politikferne, ökonomisch benachteiligte Schichten können populistische Spendenverteilaktionen durchaus das Interesse am politischen Prozess erhöhen, glaubt Ötsch.
Beim Fundraising-Verband, der die anerkannten Spendenorganisationen vertritt, sieht man das naturgemäß weniger kritisch: „Im Spendenwesen gibt es den Leitspruch ‚Tue Gutes und sprich darüber‘, denn neben der eigentlichen Spende ist es genauso wichtig, beispielgebend für andere voranzugehen.“ Das gelte auch für die Politik. Die Fundraising-Experten empfehlen allerdings, besser an Hilfsorganisationen statt an Einzelpersonen zu überweisen: „Sie wissen, wo der Hilfsbedarf besonders groß ist und können vorhandene Mittel entsprechend zielgenau zum Einsatz bringen.“ Das garantiere eine „systemische Hilfeleistung“.
Politik ist ja kein 9 to 5-Job, und Work Life Balance ist da sowieso ein Fremdwort. Politiker sollten viel deutlicher zeigen, was sie alles leisten.
Tatsächlich wirkt es so, als hätten manche Politiker Angst davor, unglaubwürdig zu wirken, wenn sie gut oder sogar doppelt verdienen: Noch bevor Andreas Babler zum SPÖ-Chef gewählt wurde, kündigte er an, sein Bundesrats-Gehalt komplett zu spenden, ihm reiche sein Salär als Bürgermeister der Stadt Traiskirchen. 24.000 Euro wanderten an die Volkshilfe für ein Projekt gegen Kinderarmut. Im Nationalratswahlkampf will sich Babler bekanntlich als Bürgermeister zurückziehen. Verzichtet er weiterhin auf sein Gehalt als Bundesrat, wird er dann für einige Monate ehrenamtlich arbeiten. Als Chef der derzeit zweitgrößten Partei im Land.
„Politik ist ja kein 9 to 5-Job, und Work Life Balance ist da sowieso ein Fremdwort. Politiker sollten viel eher dazu stehen und deutlicher zeigen, was sie alles leisten. Letztlich sind sie die gewählten Volksvertreter, die darauf schauen, dass der Wohlstand im Land erhalten bleibt“, kritisiert die Politikberaterin Heidi Glück die freiwilligen Gehaltskürzungen. Sie richtet auch gleich eine Handlungsempfehlung an die handelnden Akteure: „Wenn Udo Landbauer glaubt, er verdient zu viel, dann soll die FPÖ einen Antrag stellen, dass die Gehaltspyramide der Politiker neu aufgesetzt wird.“
Image-Allzweckwaffe
Wenn Politikerinnen und Politiker spenden, dann geht es nicht nur ums Geben. Zumeist wird mehr oder weniger subtil eine Message mitverkauft. Zum Beispiel: Die politische Konkurrenz steckt sich die Gehaltserhöhung in die eigene Tasche. Oder: Die Regierung tut nichts gegen die Teuerung, deshalb wird selbst geholfen.
Spenden ist eine Image-Allzweckwaffe, die positive Schlagzeilen in reichweitenstarken Boulevardmedien garantiert. „250.000 €! SP-Landesrat verzichtet auf Gehaltsanpassung“, schrieb „heute“ über Niederösterreichs SPÖ-Chef Sven Hergovich (er spendete etwa für einen Sozialmarkt und einen Hilfsverein für Familien). Das Blatt Oe24 wiederum titelte Ende 2022: „Erster Politiker spendet seine Gehaltserhöhung“. Gemeint war Wiens FPÖ-Obmann Dominik Nepp.
Werter Hr. Stadtrat Nepp, Schäme mich so sehr das ich Ihnen schreiben muss, das das erste mal in meinem Leben, aber weiß sonst nicht was ich tun soll.
Nepp ist nicht verlegen, darüber mit profil zu sprechen. Am Telefon erzählt er, dass er monatlich knapp über 400 Euro locker mache. Eine zweistellige Zahl an Menschen würde sich bei ihm per Mail melden, er müsse auch vielen von ihnen absagen. Meistens geht es ums Heizen und die Miete.
Das anonymisierte Bittschreiben eines Wieners leitet der FPÖ-Stadtrat an profil weiter: „Werter Hr. Stadtrat Nepp, Schäme mich so sehr das ich Ihnen schreiben muss, das das erste mal in meinem Leben und noch dazu steht Weihnachten vor der Tür, aber weiß sonst nicht was ich tun soll, deshalb nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und bitte aber um absolute Diskretion”. Der Mann habe es „leider seit sehr langer Zeit absolut nicht mehr leicht, muss mit 828 € Notstandshilfe auskommen, mein Kühlschrank ist leer, lebe von Toastbrot mit Ketchup, Gewand oder Schuhe kann ich mir ewig schon nicht mehr kaufen, meine Elektronischen Geräte sind aus der Steinzeit, fallen auseinander und wie ich mal die Gebühr des Familiengrabes zahlen soll, keine Ahnung“.
Wie wählt Nepp seine Spendenempfänger aus? „Nach Dringlichkeit“. Selbstverständlich würden die Fälle überprüft und fallweise auch Dokumente wie Rechnungen vorgelegt. Dass er Opfer von Betrügern werden, könne er zwar nicht ausschließen, jedenfalls: „Ich spende nicht an Organisationen oder Vereine, da weiß ich nicht, wo das landet. Das mache ich lieber selber und direkt.“
Und was sagt er zum Vorwurf, dass die Spendenshow den Politikerberuf entwerte? „So wie sich die Politik aufführt, ist die Reputation eh sowas von hin, da gibt’s ganz andere Gründe als die Spenden dafür.”
Zurück zu Udo Landbauer: Dass der niederösterreichische FPÖ-Chef die profil-Anfrage so vehement ignoriert, ist doch eher ungewöhnlich - vor allem, weil andere Politiker sehr gerne übers Spenden reden.