Wolfgang Katzian: "Da fliegen die Herzerln"
Was ist die Erwartungshaltung von Journalistinnen und Journalisten, wenn sie den Präsidenten des Österreichischen Gewerkschaftsbundes über 60 Minuten vor Fernsehkameras befragen sollen? Ehrliche Antwort: Es ist die Befürchtung, dies könnte eine sehr lange Stunde mit drögen Stehsätzen und Tiefenforschung in arbeitsrechtlichem Detailwissen werden.
Für die jüngste Folge war Wolfgang Katzian zu Gast im Club 3, der gemeinsamen Talk-Sendung von profil, "Kurier" und "Kronen Zeitung". Seit vier Jahren hat er die angesprochene Funktion inne-aber die Befürchtungen bewahrheiten sich nicht. Das mag einerseits daran liegen, dass es guttut, nach all den innenpolitischen Kabalen der jüngeren Vergangenheit mit einem in der Wolle gefärbten Sozialpartner zu sprechen, der nicht nur den tagesaktuellen Vorteil im Auge hat. Andererseits liegt es an der Person Katzian selbst. Seine Formulierungen sind direkt, volksnah, manchmal über die Maßen derb. Er spricht von "fliegenden Herzerln", wenn er die oberflächliche Betrachtung des Verhältnisses ÖGB zur Regierung beschreibt, macht aber dann zugleich deutlich, dass sich die Arbeitnehmervertretung bei den Maßnahmen zur Inflationsbekämpfung übergangen fühlt. Er verwendet den Wiener Dialektausdruck "Lavendel", als er von leeren Versprechungen der Verhandlungspartner erzählt. Er befürchtet, man würde "dem Dreck a Watschn geben", wenn "Handelsketten" Steuersenkungen nicht weitergeben. Und auch der mittlere hintere Teil des menschlichen Körpers wird unverblümt benannt.
Diverse Themen: Katzian will eine "Sonderabgabe für Energieversorger", die "von den hohen Strompreisen am meisten profitieren". Eine "Preisspirale" durch Inflation und Lohnerhöhung hält er für Unsinn und sieht "ganz viele Wirtschaftsforscher" auf seiner Seite. Zumal Einflussfaktoren wie ein "Stau von Container-Schiffen vor Shanghai ärger als jeder Stau auf der Südosttangente" Preiserhöhungen bewirkten. Er fordert ein "Aussetzen oder eine Reduktion der Mehrwertsteuer auf Güter des täglichen Bedarfs". Warum hat sich Österreich derart abhängig von russischer Energie gemacht? "Die Dollarzeichen", also gieriges Profitstreben, seien der Grund gewesen. In diesem Zusammenhang ein kleiner Ausrutscher am historischen Parkett: Man dürfe "die amerikanische Rüstungsindustrie" nicht vergessen und "Angriffskriege, die die USA geführt" hätten. Auf Nachfrage des Autors dieser Zeilen, "welche Angriffskriege" das gewesen seien, zieht Katzian zurück: "Okay, ich nehme das Wort Angriff weg." Und schließlich eine Unterstützungserklärung für Pamela Rendi-Wagner, deutlich wie selten zu hören: "Die SPÖ-Vorsitzende macht das richtig, richtig gut. Ich unterstütze sie und gehe davon aus, dass sie Spitzenkandidatin bei den nächsten Wahlen sein wird."
Club 3 am Samstag auf profil.at, schauTV und krone.tv.