Zurück nach Syrien: Syrischer Supermarktbetreiber schließt Geschäft in Wien
Er war schneller als Innenminister Gerhard Karner und auch schneller als Bundeskanzler Karl Nehammer. Am vergangenen Wochenende, als sich der Sturz Baschar Al-Assads bereits abzeichnete, stellte ein syrischer Mann aus Wien-Favoriten ein Video auf TikTok hoch: Er geht zurück nach Syrien und will sein Lokal mit Mini-Supermarkt an einen neuen Pächter übergeben.
Das war kein Schnellschluss, den er am Tag danach bereute. Solange er das Lokal noch nicht an einen neuen Pächter übergeben hat, möchte er nicht mit Foto und Namen in den Medien vorkommen. Auf Tiktok stellt er aber seitdem Video um Video hoch. Die Mikrowelle um 50 Euro, 100 Euro für das Süßigkeitenregal, die Waage um 50 Euro und den Teigmischer um 200 Euro.
Am Montagabend ist im Ecklokal im 10. Bezirk viel los. Es wird aufgeräumt und auch schon ausgeräumt. Früher war es einmal ein österreichisches Lokal – die Bilder an der Wand zeugen davon – dann ein Balkangrill und jetzt hätte dort syrisch gekocht werden sollen. Der Supermarkt sperrte vor einigen Monaten auf, das Lokal war bereits geplant. Bis vor wenigen Tagen drehte der Betreiber unpolitische TikTok Videos, in denen er syrische Süßigkeiten oder Lamm mit Reis anpries. Daraus wird nichts. Der Vater zweier Kinder will seine Sachen packen und sich auf nach Syrien machen.
Sein Cousin hat ihm schon ein Video aus seinem Dorf geschickt. Es war bis vor wenigen Tagen unter Baschar Al-Assads Kontrolle, aber keine fünfzig Kilometer vom HTS-Gebiet entfernt. Seine Familie betrieb in ihrem nordwestsyrischen Dorf ein Geschäft, das Haus ist teilweise zerstört. Außerhalb der Kleinstadt hatten sie eine Landwirtschaft, die Olivenbäume wurden vom Regime zerstört. Er sagt, er sei selbst längere Zeit in einem der berüchtigten Gefängnisse des Assad-Regimes gesessen, mehrere Familienmitglieder starben im Krieg. Diese Vergangenheit hält ihn nicht davon ab. Er werde das wieder aufbauen, seine Frau und seine Kinder – sie leben derzeit ebenfalls in Wien – sollen ihm sobald es geht, folgen.
Syrer verkauft Lokal
Auch in Deutschland tauchen ähnliche Videos auf. Hier ein Restaurantbesitzer aus Bergheim in der Nähe von Köln.
Der Supermarktbetreiber ist einer jener syrischen Asylberechtigten, die erst in der zweiten Flüchtlingsbewegung nach Österreich kamen und erst unter fünf Jahre im Land sind. Mittels Familiennachzug holte er Frau und Kinder nach.
An Fällen wie ihm ist eine populistische Debatte entbrannt. ÖVP-Innenminister Gerhard Karner will laufende Asylverfahren von Syrern vorerst stoppen und den Schutzstatus all derer, die kürzer als fünf Jahre im Land sind, neuerlich prüfen. Die Situation habe sich geändert, wer vor dem Assad-Regime geflohen sei, könnte seinen Schutzgrund verloren haben.
Von den 90.000 Syrern in Österreich sind etwa 40.000 kürzer als fünf Jahre im Land. Karner weiß, dass es lange dauern wird, bis die Behörden ihren Status neuerlich überprüft haben – und allenfalls Abschiebungen durchführen können. Deshalb will der Innenminister zunächst auf eine freiwillige Rückkehr setzen und dafür sogar Flüge organisieren.
Ein Sprecher des Innenministeriums sagt zu profil, dass es bereits erste Anfragen von Syrern gebe. Momentan sei man dabei, eine mögliche Reiseroute zu planen. Details will das Ressort am Freitag bekanntgeben. Das Modell der freiwilligen Rückkehr ist für Asylwerber an sich nicht neu. Sie können schon bisher in jedem Stadium des Verfahrens diese Option ziehen. Wer selbst kaum Mittel hat, bekommt die Reisekosten und einen Startbonus von bis zu 900 Euro vom Ministerium. Ob das Innenressort für die Syrer ein höheres Starthilfe-Modell aufsetzt? Dazu hielt sich der Sprecher noch bedeckt.
Für den Supermarktbetreiber spielen ein paar hundert Euro auf oder ab aber ohnehin keine Rolle. Seine Entscheidung ist gefallen.