Panorama

Das richtige Mindset für den Klimawandel

Eine Verhaltensökonomin und ein Umweltpsychologe erklären, wie die Politik und Superreiche ein Umdenken für den Klimawandel fördern können.

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Am Papier wissen wir, was zu tun ist. Der Weltklimarat listet in seinen Berichten Maßnahmen auf, um die Erderwärmung einzuschränken. Im Klimaabkommen haben sich Staaten auf globaler Ebene auf Ziele geeinigt. Und doch scheinen diese Ziele, den Klimawandel zu kontrollieren, sowohl auf persönlicher als auch auf struktureller Ebene unerreichbar.

Provokation Klimakrise

Warum das so ist, versucht die Verhaltensökonomie zu erklären. Die psychologischen Aspekte bei der Umsetzung von Klimamaßnahmen wurden lange ignoriert, findet etwa Katharina Gangl, Verhaltensökonomin beim Institut für Höhere Studien (IHS).Zu oft werde bei Maßnahmen über Verzicht gesprochen: "Das ist für viele Provokation. Umweltschutz ist für viele ideologisch besetzt, und das ist auch ein Hindernis", sagt die Forscherin über Abwehrhaltung gegenüber Klimamaßnahmen. Dieser Meinung ist auch der Thomas Brudermann, Professor für Nachhaltigkeitsforschung an der Universität Graz: "Es ist in der Tat problematisch, wie wir über Klimaschutz sprechen. Es geht immer nur um Verzicht, Einschränkungen und Verlust." Verzichtsnarrative lösen laut dem Umweltpsychologen keine sonderliche Begeisterung, sondern Ablehnung aus.

Wir haben unser jetziges, nicht nachhaltiges Verhalten von unseren Eltern erlernt. Das allermeiste Verhalten ist unbewusst", führt Gangl vom IHS aus und erklärt, dass es ein strukturelles Setting brauche, um ein neues-in diesem Fall klimaschonenderes-Verhalten aufzubauen. Dies gelingt laut der Verhaltensökonomin besonders mit Vorbildern und positiven Beispielen: "Wir müssen visuell dafür sorgen, dass sich sogenannte neue Handlungsprogramme bei Menschen aufbauen und umweltschonendes Verhalten durchgeführt wird."Als Beispiel für einen visuellen Anreiz nennt die Wirtschaftspsychologin, dass man sich beim Radfahren im Regen zeigt und wie einfach dies mit der richtigen Ausrüstung ist. Diese Vorbilder braucht es laut der IHS-Expertin aber nicht nur im persönlichen Bereich, sondern vor allem im öffentlichen. Hier sieht Gangl Potenzial auf Gemeindeebene, wo, um beim Beispiel Mobilität zu bleiben, viele Wege einfach mit dem Fahrrad bewältigt werden können. "Und natürlich brauchen wir die Politik, die die Ressourcen zur Verfügung stellt, damit die Gemeinden solche Pläne ausarbeiten können",ergänzt sie die Rolle des Staats.

Rollenbilder statt Verzicht

Die Verhaltensökonomin empfiehlt, systematisch zu analysieren, für welche Verhaltensweisen gesetzliche Maßnahmen, Regulierungen oder auch Rationierungen notwendig sind. Denn diese werde es trotz positiver Beispiele brauchen, etwa bei der Wasserknappheit oder für die Beschränkung von größeren Pkw in Städten. Dass ein verhaltensökonomischer Ansatz zu einem Umdenken führen kann, zeige laut Gangl etwa die Akzeptanz von Wärmepumpen in den nordischen Ländern. Die schwedische Regierung schaffte nicht nur finanzielle Anreize für diese Heiztechnologie: Das schwedische Königshaus hat sie ebenfalls in Betrieb und sorgte damit für ein besseres Image der Wärmepumpe. Im Hinblick auf die Energiewende findet Gangl One-Stop-Shops für den Wechsel einer Heizung eine effiziente Möglichkeit, Bürgern den Umstieg zu erleichtern. Man dürfe die Menschen auch nicht mit zu vielen Maßnahmen überfordern: "Jedes einzelne Verhalten braucht eine Trainingsphase", erklärt die Verhaltensforscherin. Zu viele Informationen gleichzeitig führen hingegen dazu, dass gar nichts umgesetzt wird.

Gewohnheitstier Mensch

Hoffnungsträger ist für Katharina Gangl nicht die nächste Generation, sondern die Superreichen. Die vermögendsten zehn Prozent verursachen laut einer Berechnung der Hilfsorganisation Oxfam die Hälfte des globalen CO2-Ausstoßes. "Wir müssten es schaffen, dass wir unter diesen Superreichen eine Gruppe bilden, die anders lebt. Die zum Beispiel die Milliarden am Konto nutzt, um Wälder zu kaufen." Das Verhalten der umweltbewussten Promis und Elite könne auch die Mittelschicht beeinflussen, da diese Vorbildwirkung haben. Auch Umweltpsychologe Brudermann sieht die Verantwortung vor allem bei den besserverdienenden Schichten (siehe Interview).

Katharina Gangl hofft allerdings auch darauf, dass wir mit den Auswirkungen der Klimakrise umgehen lernen: "Sobald sich die Klimaänderung eingestellt hat, werden wir uns einfach ändern müssen. Es wird uns schlichtweg nichts anderes mehr übrig bleiben. Und ich glaube nicht, dass wir dann kollektiv im Elend leben oder dass wir kollektiv unglücklich sein werden. Menschen sind sehr adaptiv, und wir werden uns hoffentlich daran gewöhnen."

 

"Klimaschutz ist kein Zug, der abfährt"

Der promovierte Psychologe Thomas Brudermann geht in seinem 2022 erschienenen Buch "Die Kunst der Ausrede" der Frage nach, warum wir uns lieber selbst täuschen als zu handeln. Im Interview bespricht er, wie ein Wandel des Mindsets klappen kann.

 

Sind die Österreicher besonders ausredenaffin oder ist das ein größeres Phänomen?
Thomas Brudermann
In erster Linie sind Ausreden etwa Menschliches und nicht speziell österreichisch. Geht es um Klimaschutz, klaffen Anspruch und Realität gerade in Österreich auf allen Ebenen massiv auseinander. Vielleicht kommt daher der Eindruck, wir wären so etwas wie Ausreden-Weltmeister.
 Wir wissen mittlerweile seit Jahrzehnten durch die Wissenschaft, was auf uns zukommen wird, wenn wir unser Verhalten nicht klimafreundlicher ausrichten. Warum fällt es uns aber so schwer, so zu handeln?
Brudermann
Klimawandel ist schwer greifbar, weil nicht direkt sichtbar; wir nehmen zwar Wetterextreme und Schneemangel wahr, aber nicht den Klimawandel selbst. Dann ist auch niemand direkt und allein verantwortlich, und die schlimmsten Folgen werden wir erst in Zukunft erleben. Und es fehlt uns ein direktes Feedback. Wenn ich aus Klimaschutzgründen nicht mehr Auto fahre, merke ich keine Auswirkung aufs Klima. Auf komplexe Zusammenhänge ohne direkt wahrnehmbares Ursache-Wirkungs-Gefüge hat uns die Evolution nicht gut vorbereitet.
Können wir unser Mindset zum Klimawandel auf individueller Ebene ändern, oder ist dazu der Einfluss der öffentlichen Hand nötig?
Brudermann
Der Ball wird gerne hin und her gespielt zwischen Politik, Wirtschaft und Bürgerinnen und Bürgern, und am Ende will niemand verantwortlich sein. Das ist zwar bequem, aber auch nicht zielführend. Natürlich brauchen wir eine Politik, die den Klimanotstand endlich ernst nimmt, anstatt Scheinlösungen zu forcieren. Es braucht aber gleichzeitig auf der individuellen Ebene Akzeptanz für ambitionierte Maßnahmen. Und wir brauchen Wirtschaftsvertreter, die diesen Weg mitgehen, anstatt wie manche darüber zu schwurbeln, wie klein der Beitrag Österreichs doch sei. Diese plumpe Ausrede kann nahezu jedes Land und jedes Unternehmen bemühen und fährt uns letztendlich den Karren an die Wand. Mein Appell ist, dass wir uns nicht dauernd fragen, was die anderen tun sollen, bevor wir selbst was tun. Sondern: Was kann ich im Rahmen meiner Möglichkeiten bewirken und dabei möglichst viele Menschen mitnehmen? Strukturen sind ja nicht fix vorgegeben. Wir tragen täglich zu ihnen bei.
In vielen Menschen lösen die aktuelle Situation und die Prognosen Hoffnungslosigkeit aus. Haben Sie noch Hoffnung, dass wir eine große Klimakatastrophe vermeiden können? 
Brudermann
Ich verstehe, wenn angesichts der Entwicklungen der letzten Jahre solche Gefühle aufkommen, gerade bei Menschen, die sich mit der Thematik intensiv beschäftigen. Die meisten erstarren aber nicht in Hoffnungslosigkeit, denn das ist ja keine brauchbare Option. Ja, vielleicht ist es zu spät, die Erderhitzung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Wahrscheinlich ist es zu spät, die Gletscher in den Alpen für die Nachwelt zu erhalten. Aber Klimaschutz ist kein Zug, der abfährt. Zwei Grad Erhitzung ist um Welten besser als 2,5 Grad, und 2,5 Grad sind um Welten besser als katastrophale drei Grad. Jedes Zehntel zählt, und je schneller wir ernsthaft anfangen, desto besser.
Wie können wir diese Hoffnung behalten und handeln, statt Ausreden zu suchen?
Brudermann
Ich glaube, die Hoffnung behält man leichter, wenn man sich mit anderen Menschen austauscht und die Dinge gemeinsam angeht. Die Kraft sozialer Dynamiken sollte man nie unterschätzen. Ich halte es auch für wichtig, nicht auf die zu vergessen, die mit dem Thema Klima nicht besonders viel anfangen können-weil sie zum Beispiel in ihrem täglichen Leben schon genug andere Sorgen haben und mit ihren Lebensstilen ohnehin nur wenig beitragen. Die Besserverdienenden stehen hier meines Erachtens stärker in der Pflicht. Wenn wir Klimaschutz nicht sozial gerecht gestalten, dann wird der Klimaschutz schnell abgewählt.