Panorama

Luxusmarken erfinden sich für die Gen Z neu

Luxus läuft immer, erst recht in Krisenzeiten. Die Konsumenten haben sich aber verändert. Für die nächsten Generationen hat Luxus eine andere Bedeutung.

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Kaum eine andere Branche konnte sich vom Einbruch in der Covid-Krise so schnell erholen. Das zeigt auch die Deloitte-Studie Global Powers of Luxury Goods 2022. Demnach haben die Top-100-Luxusmarken im Geschäftsjahr 2021 satte 305 Milliarden US-Dollar umgesetzt. Das sind 21,5 Prozent mehr als im Covid-Jahr 2020, aber auch mehr als vor der Pandemie.

Warum eigentlich fällt es der Menschheit selbst in wirtschaftlichen Krisen und Kriegszeiten so schwer, auf Luxus zu verzichten? Ganz einfach: "Weil die Luxusklientel gar nicht verzichten muss. Sie war vom Krieg und der Energiekrise nicht so stark betroffen",so Michael Bernecker, Geschäftsführer des Deutschen Instituts für Marketing DIM. "Auch hat man früher von sogenannten Luxuskunden gesprochen, die ausschließlich Luxusgüter konsumiert haben. Mittlerweile sprechen wir von sehr vielen hybriden Konsumenten, die nicht zu dem Einkommenssegment gehören, aber sich mit Luxusgütern das Leben schöner machen möchten und auch bereit sind, dafür zu bezahlen. Da gönnt man sich das T-Shirt für 500 Euro, um am Luxus teilnehmen zu können, obwohl man vielleicht gar nicht so viel verdient." Hier sei die Zahlungsbereitschaft eine ganz andere, betont auch Gillean Diesen, Managerin des Pictet Premiumbrand-Fonds, "zudem haben insbesondere die Amerikaner ein Nachholbedürfnis nach der Covid-Krise und auch Geld angespart". Entsprechend müsste die Luxusbranche jetzt auch von der Covid-Öffnung in China profitieren.

Seelenschmeichler und Selbstdarstellung

Luxus dient nicht nur als Seelenschmeichler, sondern gerade für die Millennials als Mittel zur Selbstdarstellung. "Hat hierfür früher eine illegale Fake-Handtasche von Louis Vuitton und Co diesen Zweck erfüllt, muss es heute schon die echte Edelmarke sein. Somit hat die Luxusgüter-Industrie, die seit Jahren auch erfolgreich gegen Fälschungen vorgeht-in jüngster Zeit mit NFTs als Echtheitszertifikate-in Wirklichkeit gar nicht mehr so stark mit Plagiaten zu kämpfen", meint Michael Bernecker, DIM, "es geht nicht mehr so sehr darum, das gefälschte Produkt zu besitzen, sondern um das Einkaufserlebnis."

"Die Käuferprofile von Luxusmarken sind in den vergangenen Jahren jünger geworden",bestätigt Orsolya Hegedüs, Partnerin bei Deloitte Österreich. "Das hat unterschiedliche Gründe: Zum einen ist die junge Generation heute kaufkräftiger als noch vor einigen Jahrzehnten. Gleichzeitig liegen heute auch gebrauchte Luxusartikel im Trend, die für viele leichter erschwinglich sind." Auch habe sich die Industrie an die kaufkräftige, luxusmarkeneuphorische junge Kundschaft bereits mit immer sportlicher, bequemer und lockerer Luxusmode angepasst. Es sei dennoch eine Herausforderung, die Generation Z, die heute 11-bis 26-Jährigen, zu erreichen: "Gerade für sie hat sich die Definition und Bedeutung von Luxus gewandelt. Kostspieliges Vergnügen steht bei ihnen nicht mehr so sehr im Vordergrund. Dafür gewinnen nachhaltige und philanthropische Unternehmensphilosophien für sie an Bedeutung." Oder wie es Klaus-Dieter Koch, Managing-Partner und Gründer von Brand-Trust ausdrückt: "Die Gen Z ist unfassbar genervt von den Millennials, wie sie sich mit Instagram überinszenieren. Daher ist ihre liebste Social-Media-App BeReal, mit der man ungeschminkte Fotos ohne Filter teilt." Koch bewundert vor allem Ex-Gucci-Chefdesigner Alessandro Michele dafür, wie er die Generation der ab Mitte der 1990er-Jahre Geborenen anspricht, ohne sich anzubiedern: "Die Gucci-Werbekampagne ist völlig anders als die von Dolce Gabbana die, hyperinszeniert mit coolen Models, mehr die Millennials anspricht. Bei Gucci sind es stark codierte Alltagsaufnahmen, wo sich Ältere fragen, was das mit Luxus zu tun hat. Der Designer spielt mit Codes der Gen Z und kombiniert sie mit dem Doppel-G, der ikonischen Marke von Gucci." Und da sich in der Mode die Jugend altersmäßig nach oben und die älteren nach unten orientieren, trifft man damit die gesamte jüngere Altersklasse "und führt dann natürlich auch noch die Gucci-Klassiker im Sortiment, mit dem die 65-jährige arrivierte Wienerin klarkommt. Das muss gut ausgewogen sein, wobei der Balancepunkt hier bei jeder Luxusmarke woanders ist."

Exklusives Mode-Metaverse

Gillean Diesen, Managerin des Pictet Premiumbrand-Fonds, kennt noch einen banaleren Grund, warum man die junge Generation Z seit der Pandemie besser erreicht: "Neu eingeschlagene digitale Vertriebswege von Luxusmarken machen den Kauf per Handy möglich. Es muss niemand erst zu weit entfernten Flagship-Stores fahren. In den USA hat man aus diesem Grund auch in den kleinen Städten Mittelamerikas ohne eigene Luxusshops digital eine neue Kundenschicht erschlossen." Warum nicht auch schon vor der Pandemie? "Man fürchtete, die Exklusivität und auch die Kontrolle über seine Marke zu verlieren",begründet dies Michael Bernecker von DIM. Doch war der Einstieg in E-Commerce keine Katastrophe. Im Gegenteil: "Alle verzeichnen mit eigenem Online-Shop und digitaler Logistik starke Zuwächse",so Bernecker. Tatsächlich passen digitale Kanäle und Exklusivität gut zusammen, meint auch BrandTrust-Experte Klaus-Dieter Koch: "Luxus lebt von der Distanz. Wenn man eine Marke aufwerten möchte, dünnt man zuerst die Distribution aus, schließt Geschäfte. Auch digital vertreibt man die Ware nur exklusiv über seine Online-Shops und die seiner Konzessionäre."In Asien habe man auch schon vor der Pandemie gesehen, dass es ohne digitale Distribution nicht mehr geht. In den klassischen Luxusmärkten Europa und den USA dauerte diese Entwicklung länger. "Mit der Pandemie sind alle Dämme gebrochen", sagt Koch, "selbst Nobeluhren-Hersteller wie Patek Philippe erlaubte es seinen Konzessionären, ihre Lager auf ihre Website zu stellen, nur Rolex nicht. Inzwischen kann man fast bei jeder Luxusmarke online bestellen. Weil ein Metaverse-Event günstiger ist als St. Moritz, werden Offline-Events immer rarer werden und damit selbst wieder zum Luxus." Marken-Experte Koch nennt als Beispiel Burberry: "Wer in ihre Boutique geht, zum Outfit aber vielleicht nicht den Gürtel gekauft hat, wird später online darauf sehr persönlich angesprochen. Luxus will ja Teil unseres Lebens sein."

Innovationen kommen jedenfalls zuerst aus dem Luxussegment, bevor sie kopiert werden, beobachtet Markenforscher Michael Bernecker, "daher tauchen im Metaverse auch die Luxuslabel als Erstes auf. Im Zweifelsfall laufe ich lieber mit meinem Avatar im Gucci-Kleid als in der Mode des Discounters herum." Im Metaverse seien unter anderen L'Oréal und LVMH sehr aktiv, berichtet er: "Sie richten ihre Marken schon heute auf das dreidimensionale Internet der Zukunft aus. Allerdings geht es hier aktuell eher darum, aus Imagegründen dabei zu sein-das Hauptgeschäft wird weiterhin in der realen Welt gemacht."Und das nicht nur bei Frauen, ergänzt Michael Bernecker. "Im Autooder Uhrensegment sind es vor allem die Männer, und beim stark wachsenden Kosmetikmarkt holt Mann auch stark auf."

Social-Media-Marken gewinnen an Bedeutung

Als technologische Trendsetter mit starken Bilanzen profitiert die Luxusgüterbranche von der beschleunigten grünen Transformation. "Auch wenn die Reise mit dem Privatjet nur bedingt nachhaltig erscheint, ist ESG in der Mode unabdingbar, um die jüngere Generation zu erreichen",meint Michael Bernecker. "Luxushäuser wie Dolce & Gabbana, Prada, Moncler und andere haben sich beispielsweise in einem Konsortium zusammengeschlossen, um die Forschung und Entwicklung hinsichtlich Recyclinglösungen voranzutreiben. Kering wiederum hat ein eigenes Programm ins Leben gerufen, das die Kreislaufwirtschaft innerhalb der Organisation optimieren soll",erzählt Orsolya Hegedüs, Deloitte Österreich. Hermès setzt laut BrandTrust-Gründer Koch auf recyceltes Krokodilleder, "und Louis Vuitton webt Parker aus recyceltem Meeresplastik. Das kann sich eine Marke, die ihre Jacke um 950 Euro verkauft, auch leisten. Und wenn dann die erste Mid-Preis-Marke und später die Billigmarke das macht, haben wir das Problem Meeresplastik erledigt. Sie müssen ihr Image sauber halten und wissen, dass Greenwashing nicht funktioniert. Luxus ist für mich daher der Seismograf für technologische, gesellschaftliche und ESG-Entwicklungen".

Am Luxuskuchen möchten heute auch die Social-Media-Stars mitnaschen. Das trifft vor allem für den stark wachsenden Kosmetikmarkt zu. Zwar haben hier Platzhirsche wie Estée Lauder und L'Oréal oder japanische Beauty-Größen wie Kanebo und Shiseido noch das Sagen, so Orsolya Hegedüs, Deloitte Österreich, "doch die großen Konzerne erkennen zunehmend, dass sie sich nicht auf ihrem bisherigen Erfolg ausruhen können. Die Kosmetiklinien erfolgreicher Influencer haben durchaus das Potenzial, eine ernst zu nehmende Konkurrenz für sie zu werden."Handelsketten räumen ihnen Regalplatz frei-oder man kauft die lästige Konkurrenz einfach auf. So hat sich Coty, einer der großen Kosmetikkonzerne der Welt, erst 2019 um 600 Millionen Euro die Kosmetik-Firma von Kylie Jenner einverleibt und sich 2021 um 200 Millionen US-Dollar mit 20 Prozent an der Beauty-Linie ihrer Schwester, Kim Kardashian West, beteiligt.

Das Influencer-Thema sei nicht unbedingt neu, bekräftigt DIM-Manager Michael Bernecker: "Wenn Lady Di eine Handtasche in Ascot trug, war die in der nächsten Woche europaweit ausverkauft." Neu ist, dass man sich bei den Social-Media-Influencern nicht in erster Linie ihre Kreativität, sondern ihre Reichweite kauft, meint Markenberater Koch. Die Traditionsmarken dürfen trotzdem gelassen bleiben: "Die neuen Influencer können sie nicht so schnell vom Sockel stoßen. Wenn wir über Luxus reden, sprechen wir über Dekaden langer, kontinuierlicher Markenführung."

Auch wenn die Luxusgüterwelt global ist: Luxus findet noch vorwiegend in Europa statt: mit 23 der Top 100-Marken in Italien. Acht französische Marken machen ein Drittel des Umsatzes der 100 größten Anbieter aus, und sie wachsen auch schneller als der Rest. Außerdem wird der Markt konzentrierter: 2021 machten laut Deloitte-Studie die zehn erfolgreichsten Marken 56,2 Prozent des Gesamtumsatzes der 100 größten Player aus, 2020 waren es noch 51,4 Prozent.

China holt Europas Luxuskonzerne ein

"Chinesische Luxusmarken sind definitiv auf dem Vormarsch",betont Unternehmensberaterin Orsolya Hegedüs. "Die europäische Luxusgüterindustrie muss definitiv aufpassen, hier in den nächsten Jahren nicht die Oberhand zu verlieren." Mit der Chow Tai Fook Jewellery Group Ltd und der China National Gold Group Gold Jewellery Co.,Ltd. seien erstmals zwei chinesische Luxusgüterkonzerne im Deloitte-Ranking der Top-100-Luxusmarken vertreten. "Erfolgreich sind die Asiaten und auch die Amerikaner im Premium-Brand-Segment von Sportartikeln und Kosmetik mit sogenannten Capsule-Kollektionen, wo Knappheit mit Designern und limitierten Auflagen konstruiert wird",ergänzt Pictet-Managerin Gillian Diesen.

Warum sich unter den Luxusmarken österreichische Namen rar machen, erklärt der Deutsche Klaus-Dieter Koch augenzwinkernd so: "Den Österreichern fehlt im Gegensatz zu den Franzosen der notwendige Schuss Arroganz für Luxus. Bei Genussprodukten wie Wein und Marmelade und im Tourismus punkten sie allerdings im gehobenen Premium-Segment, und das ist gut so. Ein Skiurlaub ist heute schon Luxus, was sich die Hotels bewusst machen sollten. Ich behaupte mal, in zehn, 15 Jahren wird es keinen Drei-Sterne-Urlaub mehr in den Alpen geben."