NFT: Krypto-Kunst für das Volk
Was waren das für Zeiten, 2021 am Kryptomarkt: Eine NFT-Bildcollage des Künstlers Beeple wurde bei Christie 's um 69 Millionen, ein NFT-Werk des Künstlers Pack um knapp 92 Millionen US-Dollar versteigert. Der NFT zum digitalen Sammlerstück CryptoPunk #5822 kam bei Sotheby's um 23,7 Millionen US-Dollar unter den Hammer. Und was nicht bei den klassischen Auktionshäusern sündteuer versteigert wurde, wechselte den Besitzer über Online-Marktplätze wie OpenSea, SuperRare, Rarible, Art Block oder Mintable. Museen, Künstler und deren Nachlässe entdeckten die Tokenisierung ihrer Kunst als neue Einnahmequelle für sich. Pioniere waren hier die altehrwürdigen Uffizien in Florenz. Nach enormen Verlusten in der Corona-Pandemie ließen sie einige ihrer teuersten und wichtigsten Kunstwerke in den Originalmaßen als NFTs anfertigen und fanden dafür reißenden Absatz. "2021 wurden noch weltweit am Kunstmarkt Non Fungible Tokens um 50 Milliarden US-Dollar verkauft", berichtet Sophie Neuendorf, Vizepräsidentin von Artnet, einem Kunstdatenanbieter und Online-Dienstleister für den internationalen Kunsthandel. Auch das Wiener Belvedere hoffte mit den 10.000 NFTs zu einer digitalen Kopie von Gustav Klimts berühmtem "Kuss" viele Millionen in die Museumskasse zu spülen. "Die Branche wurde innerhalb von kürzester Zeit sehr schnell nach oben gepusht. Und so schnell das alles kam, war es wieder unten", berichtet der direkt betroffene Wiener Streetart-Künstler Marcin Glod.
NFT-Launch während des Absturzes
Denn die genannten Zahlen waren nur wenige Monate später Geschichte. Mit dem Krypto-Crash ab Frühjahr 2022 und der Pleite der Krypto-Börse FTX brach auch der Markt für NFT-Kunst ein. Mittendrin war Marcin Glod, der noch im Frühjahr 2022 auf der "Asia Investment &Banking Conference" in Dubai als NFT-Projekt des Jahres ausgezeichnet wurde. Prämiert wurde sein "Crypto Panther Club",mit dem der 29-jährige Künstler durchstarten wollte. Er wollte seine Sammlung aus 5555 NFT-Kunstwerken monetarisieren und den Käufern seiner Crypto-Panther Goodies aus der analogen Welt bieten. Mit dem NFT kaufte man automatisch die Eintrittskarte in den Crypto Panther Club mit Einladungen zu exklusiven Villenpartys mit prominenten DJs und einer VIP-Eintrittskarte zu allen Kunstausstellungen des Crypto Panther Clubs. Obendrein wurde mit dem Kauf eines Panther-NFTs in Aussicht gestellt, Kunstwerke im Gesamtwert von 300.000 Euro zu gewinnen.
"Wir wollten natürlich mit dem österreichischen Projekt viel bewegen und vor allem internationales Publikum erreichen. Unser Ziel war es, alle NFTs zu verkaufen. Leider sind wir nicht so weit gekommen", klingt Marcin Glod heute ein wenig desillusioniert. "Ich hatte in den Vorjahren auch schon NFTs aus meinen Kunstwerken gemacht. Dann kam die Idee, eine Serie zu machen. Unser Launch in Dubai war genau zu dem Zeitpunkt, an dem alles einbrach und die Masse nicht mehr wirklich an NFT glaubte. Wir haben super viel Geld verloren", erzählt Glod. Denn die großzügigen Mitgliedervorteile mussten finanziert werden. "Trotzdem haben alle Members bis heute besondere Kunstwerke von mir erhalten, Streetwear-Kleidung sowie Partys in Wien oder London", betont der Künstler. Die Krypto-Welt sei leider auch voller Betrüger, die den Markt zerstört und manipuliert haben: "Hunderte Projekte haben Millionenbeträge kassiert und sich dann allerdings nie wieder gemeldet. Diese Projekte haben so die Glaubwürdigkeit neuer Projekte infrage gestellt."
Unklare Urheberrechte
Nicht gerade vertrauensbildend ist auch, dass bei NFT-Kunst das Urheberrecht schwammig ist-ob etwa beim "Kuss" von Klimt oder bei den Alten Meistern mit verjährten Urheberrechten diese bei den Museen liegen oder jeder die Werke abfotografieren und in NFTs umwandeln darf, bleibt unklar. Umstritten ist auch das Urheberrecht am NFT selbst-nur Werke, die ein Maß an "Schöpfungshöhe" haben, fallen unter das Urheberrecht. Zum Imageschaden von NFT-Sammlerstücken haben auch viele Prominente beigetragen, gegen die es in den USA Sammelklagen gibt. Madonna, Eminem oder auch Serena Williams warben für die NFT-Kollektion Bored Ape Yacht Club und sollen so die Preise in die Höhe getrieben haben. Das Unternehmen hinter der Kollektion soll die prominenten Testimonials dafür bezahlt haben, einzusteigen. NFT-Anleger und-Sammler aus den USA sehen sich durch die irreführende Werbung der Promis getäuscht. Ob die Kläger damit in den USA durchkommen, bleibt abzuwarten. Der Wiener Künstler Marcin Glod hat deshalb vorerst eine Krypto-Pause eingelegt: "Wir warten, bis sich der Markt erholen wird und die NFTs sowie die Krypto-Szene wieder einen neuen Aufschwung bekommen. Mit den Villen-Partys müssen wir auch noch ein bisschen warten." Einstweilen will sich Glod auf seine eigene Galerie und seine internationale Karriere konzentrieren und die Community des Crypto Panther Clubs weiterentwickeln. "NFTs werden noch viel bewegen, ob erst in sechs, zwölf, 24 oder mehr Monaten, weiß keiner", sagt Glod.
Dieser Meinung ist auch Niels Eelman, der gemeinsam mit seiner Frau Angela Kundegraber-Leherb, Enkelin von Lotte Profohs, deren Nachlass kuratiert. Gemeinsam mit dem Wiener Start-up artèQ brachten sie die handkolorierten Ölgemälde von Lotte Profohs auf die Blockchain. "Mit den NFTs bespielen wir quasi ein anderes Publikum, das sich sonst wahrscheinlich nicht mit klassischer, feministischer Kunst befassen würde. In einer neuen Form hat vor allem eine jüngere Generation Zugang zu Kunst, die normalerweise nur in Museen oder Galerien zu sehen ist." Mit dem Kauf eines NFTs erwirbt man nicht das analoge Bild, aber immerhin das Recht, ein Originalgemälde von Profohs direkt aus dem Nachlass zu erstehen. "Ich nehme an, viele junge Sammler von NFT-Kunst wollen NFTs als ihr Profilbild oder vielleicht auch im Metaverse als ihren Avatar nutzen. Diese Sammler haben eher kein gesteigertes Interesse am Originalbild", glaubt Niels Eelman und ergänzt: "Meiner Meinung nach wird der NFT als digitales Zertifikat, das nicht kopiert oder gefälscht werden kann, eine große Bedeutung behalten." Damit könne der Künstler nämlich den Weiterverkauf seiner Werke verfolgen und sich mit dem NFT auch spätere Lizenzgebühren beim Wiederverkauf sichern. Aktuell sind hier laut dem Kurator sieben bis acht Prozent des Wiederverkaufswerts für den Künstler üblich. Eelman lässt inzwischen die Profohs-NFTs nicht mehr von artèQ minten, also entwickeln, sondern mintet sie selbst. Verkauft werden die Profohs-NFTs über die Plattform OpenSea.
Die Agentur artèQ brachte auch den berühmten "Kuss" von Gustav Klimt für das Belvedere von der Leinwand über eine digitale Kopie auf die Blockchain. Bis dato wurden von den 10.0000 NFTs gerade einmal 2600 Stück um 4,5 Millionen Euro verkauft. Ist der Preis mit aktuell 1800 Euro für einen "Kuss"-NFT zu heiß? Das glaubt Sophie Neuendorf von Artnet nicht: "Dass sich der 'Kuss' als NFT nicht so gut wie erhofft verkauft, liegt eher an der hohen Auflage als am Preis. Mehrere Tausend NFTs sind nicht mehr so begehrenswert." So mancher eingefleischte NFT-Sammler interessiere sich auch deshalb nicht für die Klimt-NTFs, weil sie keinen Zusatznutzen bieten. Beim Projekt "The Currency" von Damien Hirst konnte man hingegen wählen, ob man den NFT behalten möchte. Dann ließ Hirst das dazugehörige reale Kunstwerk zerstören, oder der NFT wurde gelöscht und man erhielt dafür das physische Bild. Dem Künstler brachte das Projekt 25 Millionen US-Dollar. Trotz der beschränkten Nachfrage am "Kuss" sieht das Belvedere noch Potenzial für weitere Innovationen: "Dieses Projekt war unser erster Schritt ins Metaverse. Weitere werden folgen",kündigt Belvedere-Sprecherin Irene Jäger an, "das große Potenzial liegt in der physischen Ortsunabhängigkeit und in völlig neuen Zielgruppen, die dort erreicht und für Kunst begeistert werden können."
NFT-Kunst weiterhin volatil
Bei der Österreichischen Post ist man mit der Nachfrage für Crypto-Stamps, also Briefmarken als NFTs, zufrieden: "Unsere Community weiß, dass wir das Produkt auch in schwierigen Marktlagen weiterentwickeln. Es handelt sich hierbei zudem immer noch um ein Wertzeichen, das zum Versenden von Briefen ebenso wie zum Sammeln verwendet werden kann",sieht es Michael Homola, Sprecher der Österreichischen Post AG, pragmatisch.
Marktanalystin Neuendorf von Artnet ortet Potenzial für NFT-Kunst bei spezifischen Themen: "Zurzeit sind Künstler gefragt, die sich mit Themen auseinandersetzen, die für die Gesellschaft wichtig sind. Dazu zählen #MeToo, soziale Ungerechtigkeit, aber auch der Klimawandel. Hier hat die energieintensive NFT-Kunst ein Problem." Der NFT-Markt habe sich mit sechs Millionen ausgegebenen NFTs um 44 Milliarden US-Dollar im Vorjahr stabilisiert, sagt Neuendorf: "Der Median von auktionierten NFTs lag zuletzt bei 46.000 Dollar, 2021 lag er bei 44.000 US-Dollar. Es gibt Sammler, die stark daran glauben. Hilfreich ist, dass die Token langsam auch kunsthistorisch wertgeschätzt werden. So sind sie etwa auf der Biennale in Venedig oder der Art Basel vertreten. Damit sind sie mehr als nur eine Anlage. Sie sind für die Ewigkeit." Es sei absehbar gewesen, dass nach so astronomischen Preisen wie 69 Millionen US-Dollar für die NFT-Kunst von Beeple eine Korrektur stattfinden würde. "Die Preise sind zwar nicht die gleichen wie noch vor einem Jahr, aber sie lassen sich nach wie vor gut verkaufen", meint Expertin Neuendorf: "Laut UBS-Studie sind 80 Prozent aller Sammler optimistisch, was den Kunstmarkt 2023 insgesamt betrifft. Wenn jemand mit dem Ziel einer hohen Rendite in den Kunstmarkt einsteigen möchte, dann bitte nicht in NTFs, denn hier bleiben die Preise vorerst sehr volatil."