So nachhaltig sind österreichische Hotels
Vom Frühstücksbuffet über die Heizungsanlage bis zum Wellnessbereich: Ein Hotel zu betreiben, ist ressourcenintensiv. Eine touristische Übernachtung verursacht im globalen Schnitt rund 14 Kilogramm CO2, heißt es im 2019 erstmals publizierten Report "Tourismus und Klimawandel" führender Forschungseinrichtungen. Der Wert bei dieser Schätzung schwankt je nach Unterkunftsart enorm und berücksichtigt die Gastronomie nicht mit. Auch wie hoch der Anteil des Beherbergungssektors an den touristischen Gesamtemissionen ist, lässt sich schwer sagen. Im Report wird er mit rund sechs Prozent angegeben, wobei Landwirtschaft, Lebensmittel und Gastronomie gesondert mit 17,5 Prozent angeführt werden. Fest steht: Angesichts von Klimawandel und Energienotstand muss sich auch die Gastgeberlandschaft umorientieren. Entscheidend für den Klimaschutz sind unter anderem Bauweise, Energiebeschaffung, Küchenphilosophie, Abfallwirtschaft und Plastikvermeidung sowie ein sparsamer Umgang mit Wasser und chemischen Reinigungsmitteln. Ob, wo und zu welchem Zeitpunkt ein Hotel ansetzt, ist abhängig von der eigenen Geschichte, dem Lebenszyklus des Gebäudes, dem Budget und nicht zuletzt von der persönlichen Überzeugung. Die Bandbreite an Verbesserungsmaßnahmen reicht vom Verzicht auf Marmeladen in Plastikschälchen bis zu komplett energieautarken Hotelbetrieben. Eine nachhaltige Hotelentwicklung ist auch im Sinn der Gäste, wie Befragungen zeigen. "Nachhaltigkeit war bisher wichtig, aber nicht der Buchungsgrund. Das verändert sich gerade, und sie wird zum Teil der Entscheidungsfindung" sagt der Tourismusforscher Harald Pechlaner von der Universität Eichstätt-Ingolstadt.
Ökologischer Fußabdruck der Hotellerie
Die größten Brocken, die touristische Unterkünfte in puncto Nachhaltigkeit verändern können, sind Bauen und Energie. Das heißt: Bestandsgebäude sanieren und energietechnisch nachrüsten, etwa mit Photovoltaikanlagen und Wärmerückgewinnung. Und Neubauten in möglichst ökologischer Bauweise errichten und mit erneuerbaren Energien versorgen. Das zahlt sich auch finanziell aus. Die Energiekosten haben laut Österreichischer Hoteliervereinigung (ÖHV) schon im Sommer mehr als achteinhalb Prozent des Umsatzes ausgemacht, Tendenz steigend. Als ein Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit gilt das Boutiquehotel Stadthalle in Wien mit Passivhaus-Anbau und begrünter Fassade. Im weltweit ersten städtischen Hotel mit Null-Energie-Bilanz wird innerhalb eines Jahres mit Grundwasserwärmepumpe, Photovoltaik-und Solaranlage genauso viel Energie erzeugt, wie verbraucht wird. Seit Kurzem sind 16 Zimmer und der Frühstücksraum im Sinne der 17 Sustainable Development Goals (SDGs) der Vereinten Nationen gestaltet und mit Upcyclingmöbeln eingerichtet.
Ein Blick aufs Land: Die ersten zertifizierten Passivhaus-Hotels in Europa sind die Explorer-Hotels mit sechs Standorten in Österreich. Dank Isolierung und Wärmedämmung muss wenig geheizt werden. Das geschieht vor allem passiv, etwa durch Sonneneinstrahlung oder Geräte-Abwärme. Die Photovoltaikanlagen am Dach produzieren Strom. Das Einsparpotenzial im Vergleich zu anderen, gleich großen Hotels liegt eigenen Angaben zufolge bei bis zu 70 Prozent weniger Gesamtenergie.
Klimaneutrale Betriebe
Ein weiterer Trend sind klimaneutrale Hotels, sie kompensieren ihre Jahresemissionen mit Investments in Klimaschutzprojekte. Das ist allerdings nur dann sinnvoll, wenn zuerst der eigene Energieverbrauch gesenkt wird: "Die Minderungsstrategie im eigenen Haus sollte unbedingt vor einer möglichen Kompensation stehen", erklärt Andrea Dietl. Sie berät mit ihrer Agentur knallgrün touristische Organisationen im Bereich Nachhaltiger Entwicklung und Gesellschaftlicher Verantwortung-also Corporate Social Responsibility (CSR). Das familiengeführte Landhotel Stern am Mieminger Plateau in Tirol hat früh damit begonnen, die eigenen Emissionen kontinuierlich zu reduzieren und war das erste klimaneutrale Hotel in Österreich. Klimaneutral übernachten Gäste auch im Bio-Natur-Resort Retter im oststeirischen Pöllauberg. Das Hotel ist energieeffizient gebaut, gut wärmegedämmt und wird unter anderem mit Biomasseheizwerk, Regenwasseranlage und Photovoltaik versorgt. Es wurde Anfang November mit dem "Hermes Wirtschaftspreis 2022" im Bereich Klimaschutz ausgezeichnet. Sogar in klimapositiven Hotels können Gäste mittlerweile einchecken. Sie kompensieren mehr Emissionen, als sie pro Jahr ausstoßen. Bereits 26 solcher Häuser gehören der seit 20 Jahren etablierten Hotelkooperation der BIO HOTELS an. Bis zum Jahr 2023 wollen die BIO HOTELS die erste klimapositive Hotelvereinigung der Welt werden.
Der Energiebedarf wird mitunter auch in den hoteleigenen Wellnessbereichen heruntergefahren: optimierte Betriebszeiten, Saunieren nur auf Anfrage, Natur-Badeteiche ohne Chemie. Im Tiroler Ort Obsteig hat das Landhotel Stern im Herbst 2021 ein Ökohallenbad eröffnet, das zum Erhalt der Bodenfläche unterirdisch gebaut wurde und mit regionaler, erneuerbarer Energie versorgt wird. Für den neuen Außenpool im Hotel Der Löwe im Salzburger Leogang hat man in die Tiefe gebohrt, um das Wasser mittels Erdwärme zu beheizen. Das Engagement österreichischer Beherbergungsbetriebe wurde unlängst vom Umweltbundesamt gewürdigt. Eine im September 2022 veröffentlichte Analyse ergab, dass der Energieverbrauch pro Nächtigung zwischen 2008 und 2019 um mehr als die Hälfte zurückgegangen ist. Beherbergungsbetriebe verzeichneten 2019 einen Anteil erneuerbarer Energieträger von 42 Prozent. In einer aktuellen ÖHV-Umfrage gaben 28 Prozent der befragten Betriebe an, unabhängig von fossilen Brennstoffen zu sein. Weitere 47 Prozent wollen dies in den kommenden Jahren erreichen. "Für Hotelbetriebe ist es heute wichtiger denn je, unabhängig zu werden-auch um die eigene Existenz zu sichern", betont Nachhaltigkeitsberaterin Andrea Dietl. In Zukunft gehe das am besten kollektiv in lokalen Energiegemeinschaften. Das heißt: Energie wird gemeinsam vor Ort produziert und verbraucht.
Die Minderungsstrategie im eigenen Haus sollte unbedingt vor einer möglichen Kompensation stehen.
Landwirtschaft als Gastgeber
Ein weiterer großer Brocken auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit in der Hotellerie ist das Zusammenspiel aus durchdachten Lieferketten, Küchenphilosophie und Abfallvermeidung. Laut dem 2020 herausgegebenen Leitfaden "All inclusive. Die wahren Kosten einer Reise" der gemeinnützigen Stiftung Global Nature Fund (GNF) fallen pro Hotelgast und Nacht rund 1,38 Kilogramm Abfall an, indirekt produzierte Abfälle wie Speisereste miteingerechnet. Umweltfreundlich ausgerichtete Hotels arbeiten laufend an der Müllreduktion. Im Hotel Regitnig am Kärntner Weissensee werden die Gäste dazu animiert, den Müll gleich im Zimmer zu trennen. "Sie machen das gern und zeigen sich auch gegenüber unseren anderen Ressourceneinsparungsmaßnahmen wohlwollend", erzählt Juniorchefin Jasmin Eder. Vor allem in den Hotelküchen ist das Vermeidungspotenzial groß: In den österreichischen Gastro-und Hotelbetrieben landen jährlich rund 45.000 Tonnen vermeidbare Lebensmittelabfälle im Müll. Sie zu reduzieren, kann Betrieben Zigtausend Euro pro Jahr sparen. Das gelingt zum Beispiel mit durchdachten Einkaufspraktiken, kleineren Portionen oder indem Gemüseanschnitte zu Fonds eingekocht werden. Unterkünfte mit eigener Landwirtschaft haben dabei die Nase vorn. Zu ihnen gehört das Bio-Natur-Resort Retter, das seit dem Jahr 2019 auch Partner von Zero Waste Austria ist. In der Küche werden vorwiegend regionale Produkte sowie die Früchte der eigenen, bio-zertifizierten Landwirtschaft verarbeitet. Auf Bio-Kaffeesud werden Pilze gezüchtet. Küchenabfälle und Grasschnitt werden mittels Bokashi-Kompostiermethode in fruchtbare Schwarzerde verwandelt, der als Dünger dient. "Dank unserer Küchenphilosophie und unserer bewussten Gäste kommen wir nach Prüfung durch Zero Waste auf maximal 3,14 Prozent Lebensmittelabfälle", sagt Hotelchefin Ulrike Retter. Viel häufiger als Hotels mit eigener Landwirtschaft gibt es Bauernhöfe, die im Nebenerwerb Zimmer vermieten. Bei "Urlaub am Bauernhof" sind mittlerweile rund 560 biologisch wirtschaftende Höfe gelistet.
Als vertrauenswürdige Anhaltspunkte auf der Suche nach umweltfreundlich agierenden Hotels haben sich Gütesiegel wie das Österreichische Umweltzeichen etabliert (siehe Nebentext, Seite 59).Mit dem Label können sich Unterkunftsbetriebe in allen Größen zertifizieren lassen. Die Mehrheit der Lizenznehmer ist familiengeführt. "Die Kriterien sind so angelegt, dass sie von jedem Betrieb mit einem gewissen Aufwand erreichbar sein sollten",erklärt Otto Fichtl vom Verein für Konsumenteninformation (VKI),der das Umweltzeichen im Auftrag des Klimaministeriums betreut. Claudia Fartek führt mit dem 12-Zimmer-Hotel Landhofmühle im Burgenland eine der kleineren, mit dem Umweltzeichen ausgezeichneten Unterkünfte. Sie sagt: "Für einen kleinen Betrieb wie unseren ist die Überprüfung mit Zeit und Aufwand verbunden. Uns zertifizieren zu lassen, ist trotzdem sinnvoll und zweckvoll. Es kommen jedes Mal spannende Ergebnisse dabei heraus, mit denen wir uns weiterentwickeln." Dem Umweltzeichen-Beauftragten Fichtl zufolge verlangen externe Partner wie Buchungsplattformen oder Reiseveranstalter zunehmend Nachweise für geprüfte Nachhaltigkeit. Allgemein betrachtet bestünden in der Zertifizierungsqualität von Labels aber große Unterschiede. Gütesiegel seien dann glaubwürdig und stünden für eine gewisse Qualität, wenn die Betriebe dafür von unabhängigen, externen Stellen geprüft würden. "Dieser Blick von außen auf das eigene Handeln ist extrem wertvoll",sagt auch CSR-Beraterin Dietl.
Tourismusforscher Pechlaner schätzt, dass fünf bis acht Prozent der österreichischen Hotels auf irgendeine Art zertifiziert sind. Mit Nachhaltigkeit auseinandersetzen würden sich aber bestimmt mehr als die Hälfte aller Unterkunftsbetriebe. Laut der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV) wird nachhaltiges Handeln von der Kür zur Pflicht. "Fast niemand kann es sich heute mehr leisten, komplett darauf zu verzichten",sagt ÖHV-Generalsekretär Markus Gratzer. Häuser ohne Gütesiegel handeln dabei nicht automatisch weniger verträglich. Gerade bei Kleinstbetrieben spielen Kosten und Zeit eine Rolle, ihnen reichen oft die positiven Rückmeldungen der Gäste. Auch größere Betriebe kommen ohne Zertifizierung aus. Der Lürzerhof mit 60 Zimmern in Salzburg ist vollständig energieautark, was Wärme, Heizung, Strom und Wasser betrifft. Das hoteleigene Wasserkraftwerk produziert zehn Mal mehr Ökostrom als benötigt wird, der Überschuss speist das lokale Stromnetz. Umweltzeichen hat das Hotel heute keines mehr. "Wir verzichten mittlerweile auf Zertifizierungen, weil doch ein gewisser bürokratischer Aufwand damit verbunden ist und wir sowieso aus Überzeugung nachhaltig handeln",erläutert Hotelchef Harald Habersatter. Ob mit einer Auszeichnung besiegelt oder nicht: Ein authentisch handelnder Betrieb lässt sich zumeist daran erkennen, dass er den eigenen ökologischen Fußabdruck kennt, einen nachhaltigen Prozess verfolgt und diesen auch transparent darstellt. "Vielmehr noch geht es darum, Gäste, Mitarbeitende und Lieferanten zu mobilisieren, sie für die eigene Sache zu gewinnen",erklärt CSR-Beraterin Dietl. Nach passenden Hotels suchen können Gäste zum Beispiel über Hotelkooperations-Websites wie sleepgreenhotels.com oder Buchungsplattformen wie bookitgreen.com.
Alternative zu Gütesiegeln
Vollständig auf das Präsentieren von Gütesiegeln, Auszeichnungen und Sternen verzichtet mittlerweile das vor einiger Zeit neu konzeptionierte und gestaltete Hotel Bergrose Hideaway in Strobl am Wolfgangsee, ein Familienbetrieb in dritter Generation. "Wir haben zwar Hauben, Auszeichnungen, aber bei uns gibt es keine Tür, die mit Leistungen vollgeklebt ist",erklärt Dominik Edlinger, der an der Neuausrichtung des elterlichen Betriebs maßgeblich beteiligt war. Nachhaltigkeit habe für ihn nichts damit zu tun, möglichst schnell Millionenbeträge zu investieren und sich mit Labels zu identifizieren. Vielmehr gehe es um gesundes Wachstum über Jahrzehnte-das brauche Geduld. "Unser Betrieb war in den 1960er-Jahren das Einfamilienhaus von meiner Oma. Er hat heute nur deshalb eine gewisse Größe, weil meine Familie über einen Zeitraum von 50 Jahren intelligent und nachhaltig gewirtschaftet hat",sagt er. War Geld übrig, wurden zwei, drei Badezimmer renoviert oder eine kleine Sauna gebaut. "Was wir von der älteren Generation lernen können, ist Geduld: Es muss nicht immer alles sofort geschehen",meint Edlinger. 2023 soll die gesamte Heizung auf eine Grundwasser-Wärmepumpe umgestellt, eine PV-Anlage installiert werden. Zertifizierungen wird es auch dann keine geben. Edlinger will gleichgesinnte Hoteliers untereinander besser vernetzen und den Gästen mit der richtigen Kommunikation vermitteln, was sie tun und wofür sie stehen. Unter anderem deshalb hat der 27-Jährige die Plattform Slow Travel Hotels gegründet: "Viele Betriebe handeln schon immer nachhaltig, kommunizieren das aber nicht, weil es für sie selbstverständlich ist", erklärt er. Auf der Buchungs-und Inspirationsplattform sucht man nicht nach den üblichen Kriterien wie Buchungsdatum und Ort nach geeigneten Unterkünften, es wird hingegen emotional auf der Bedürfnisebene angesprochen.
Tourismusforscher Pechlaner und CSR-Beraterin Dietl nehmen gerade bei jungen Nachfolgerinnen und Nachfolgern aus der Hotelbranche einen systemischen, ganzheitlichen Zugang wahr, was nachhaltige Bestrebungen betrifft. Pechlaner betont, es müsse nicht alles auf einmal passieren, wichtig sei die Ernsthaftigkeit. Egal ob auf die grüne Wiese neu gebautes Öko-Designhotel oder historisch gewachsener Familienbetrieb, gemeinsam bleibt allen: Nicht allein der Aufenthalt ist entscheidend, wie umweltverträglich ein Urlaub ist, sondern auch die Art der An-und Abreise. Der Transport hat zahlreichen Studien zufolge den größten Anteil an den vom Tourismus verursachten Treibhausgasemissionen. "Ohne Mobilität gibt es keinen Tourismus",sagt Pechlaner. Hotels könnten viel tun, etwa Alternativen anbieten und diese den Gästen schmackhaft machen. Über umweltschonende Mobilitätsoptionen zu informieren, sollte das Mindeste sein. Best-Practice-Beispiele gibt auch es schon: Zimmerrabatte bei Zuganreise, ein kostenloser Bahnhofshuttle, Gratisfahrscheine für den öffentlichen Verkehr oder ein eigener E-Fahrzeugverleih. "Die Hotels sind aber nicht allein in der Verantwortung", betont der Tourismusforscher. Um umweltfreundliche Angebote umzusetzen, brauche es die Kooperation mit den Destinationen. In puncto Mobilität ist jedenfalls noch Luft nach oben: Die allermeisten Übernachtungsgäste aus Deutschland und Österreich reisen nach wie vor mit dem Auto an.