Umweltministerin Gewessler: "Brauchen jährlich 16 Milliarden Euro für grüne Investments"
Die Hälfte der grünen Fonds in Europa sind in fossile Energien investiert – zu diesem Ergebnis kam kürzlich ein europäisches Rechercheprojekt der Plattform "Follow the Money". Auch in Österreich enthalten viele als nachhaltig präsentierte Finanzprodukte klimaschädliche Investments. Umweltministerin Leonore Gewessler will dieses Greenwashing bekämpfen. Denn für die Klimawende brauche es auch das Geld von Privatanlegern.
Wir haben gute und rechtlich fundierte Argumente und Fakten vorgelegt – und die werden auch von mehreren Gutachten gestützt. Natürlich gehe ich davon aus, dass wir Chancen haben, sonst hätten wir diesen Schritt nicht gesetzt. Eigentlich sagt uns ja schon der Hausverstand, dass die Kernenergie mit der gänzlich ungelösten Frage des Atommülls nicht umweltfreundlich ist. Das gilt auch für Erdgas, das beim Verbrennen klimaschädliches erzeugt. Das gilt es nun auch juristisch durchzuargumentieren.
Bis wann ist hier mit ersten Ergebnissen zu rechnen, und was sind nun die nächsten Schritte in diesem Verfahren?
Ich rechne aktuell mit einer Verfahrensdauer von mehr als eineinhalb Jahren. In einem ersten Schritt können sich nun noch weitere Staaten der Klage anschließen – Luxemburg hat das ja bereits getan.
Wenn die Taxonomie-Verordnung ausgehebelt wird, gibt es gar keine Regelungen mehr. Wäre das nicht die schlechteste aller Lösungen?
Nein, denn wir haben nicht gegen die Taxonomie-Verordnung, sondern nur gegen einen ergänzenden Rechtsakt geklagt, mit dem im Nachhinein Atomkraft und Erdgas als grün klassifiziert wurden. Wenn unsere Klage erfolgreich ist, wird nur dieser ergänzende Rechtsakt aufgehoben, und die Taxonomie-Verordnung bleibt in Kraft. Das ist auch gut so, denn die Taxonomie-Verordnung ist eine gute und wichtige Sache. Sie gibt den Investoren Klarheit, ob ihr Geld klimafreundlich angelegt ist. Mein Problem ist das Greenwashing – und dagegen gehen wir vor.
Welche Bedeutung hat die Finanzindustrie für eine nachhaltige Ausrichtung der Wirtschaft?
In Österreich brauchen wir jährlich etwa über 16 Milliarden Euro für grüne Investments, damit wir unsere Ziele erreichen. Das geht nicht nur über öffentliche Gelder und Förderungen. Das braucht Investoren und Unternehmer, die ebenso die richtigen Entscheidungen dafür treffen. Das Gute ist: Schon jetzt ist die Nachfrage nach grünen Investments sehr groß, und dieser Bereich wird in den nächsten Jahren noch deutlich wachsen.
Wie können heimische Konsumenten sicher sein, dass dort, wo grün draufsteht, auch grün drin ist?
In Österreich gibt es das Österreichische Umweltzeichen, das auch für Finanzprodukte gilt. Hier gibt es strenge Regelungen und auch anspruchsvolle Voraussetzungen, die durch das Ministerium kontrolliert werden. Daran kann man sich schon heute gut orientieren und sich auch sicher sein, dass man keine Atomkraftwerke finanziert. Außerdem haben wir mit der Green Finance Alliance in Österreich ein Netzwerk von Banken und Versicherungen geschaffen, das sich gemeinsam des Themas Klimaschutz im Kerngeschäft annimmt. Hier ist im Moment einiges in Bewegung in Österreich – und das ist gut so.
Greenwashing wird zu einem immer größeren Problem. Wie soll dem Einhalt geboten werden?
Das ist ein wichtiger Punkt. Hier finden sich im European Green Deal und im Aktionsplan für ein nachhaltiges Finanzwesen auf europäischer Ebene viele Ansatzpunkte. Ganz wichtig bei der Bekämpfung von Greenwashing sind immer Offenlegungspflichten – denn nur dann gibt es Transparenz, und wir Konsumenten können selbst vergleichen.
Wie kann man eine bessere Datenbasis für Kontrollen im Bereich Nachhaltigkeit aufbauen?
Viele Institute sind gerade erst dabei, Daten in diesem Bereich zu sammeln und damit auch Know-how aufzubauen. Mit den schon angesprochenen Offenlegungspflichten, die übrigens auch in der Taxonomie-Verordnung verankert sind, werden viele Daten erstmals überhaupt generiert. Das ist jedenfalls ein Schwerpunkt in unserer Arbeit.