Panorama

Warum es österreichische Unternehmen nach Afrika zieht

Fachkräftemangel, globale Verwerfungen in Asien und das riesige Potenzial an jungen IT-Fachkräften machen einige Staaten Afrikas zu einem spannenden Markt.

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Kriege, Hungersnöte und Armut prägen unser Bild von Afrika. Doch wer Afrika nur mit Krisen verbindet, unterschätzt das Potenzial dieses Kontinents. Auf einer Gesamtfläche von 30.221.500 Quadratkilometern-also in etwa dreimal so groß wie Europa-finden sich die weltweit größten Reserven an Kobalt, Diamanten, Platin und Uran. Afrika verfügt zudem über 40 Prozent des weltweiten Goldes und bis zu 90 Prozent der Bestände von Chrom und Platin. Auch zwölf Prozent der globalen Ölvorräte sowie sieben Prozent des Erdgases lagern im Boden des Schwarzen Kontinents. Doch der Rohstoffreichtum Afrikas ist Fluch und Segen zugleich. Viele der 55 Staaten wurden zum Spielball rohstoffhungriger Industrienationen, und zahlreiche Konflikte aus der Zeit des Kolonialismus prägen noch heute Afrikas Regionen. Aber die bereits bestehende große Abhängigkeit Europas von China und der Fachkräftemangel am alten Kontinent führen zu einem grundlegenden Umdenken in Bezug auf Afrika. Dietmar Kotras, der mit seinem Beratungsunternehmen Maliroso Corporate Advisory deutsche und österreichische Firmen bei der Umsetzung ihrer digitalen Strategien begleitet: "Afrika hat viele unerschlossene Rohstoffe, Ressourcen und Märkte, die für Unternehmen und Staaten weltweit attraktiv sind. Die wirtschaftlichen Reformen in vielen Ländern und die zunehmende politische Stabilität tragen dazu bei, dass Afrika für Investoren und Unternehmen zusehends attraktiver wird. Auch China hat dies schon längst realisiert und ist bereits äußerst präsent am Kontinent."
 

Startup-Ökosystem

Afrika bietet mit seinen fast 1,4 Milliarden Menschen, mit über 500 Millionen Internetnutzern und mit mehr als 330 Millionen E-Commerce-Kunden für jene Unternehmen große Chancen, die das kometenhafte Wachstum Indiens und Chinas verpasst haben. Laut einem Bericht von Accenture aus dem Jahr 2022 haben in den letzten zehn Jahren mehrere afrikanische Länder ein nachhaltiges Wachstum des internetbasierten BIP (iGDP) erzielt-in vielen Fällen verdoppelte es sich seit 2012 von 1,5 Prozent auf mehr als drei Prozent. In Kenia, Marokko, Senegal und Südafrika beispielsweise wird der Anteil der vom Internet angetriebenen Wirtschaft dem Bericht zufolge bis 2050 etwa sechs Prozent betragen, ähnlich wie in den USA heute. Andere Länder wie Ghana werden zwischen vier und fünf Prozent des BIP erreichen, was dem heutigen Niveau Brasiliens entspricht. Laut einem aktuellen Bericht von Google in Kooperation mit der International Finance Corporation (IFC),einer Tochtergesellschaft der Weltbank, könnten diese Trends dazu beitragen, dass die Internetwirtschaft in Afrika 2025 ein Volumen von bis zu 180 Milliarden US-Dollar erreichen kann. Bis 2050 könnte dieses Volumen sogar auf 712 Milliarden US-Dollar wachsen. Afrika ist auch die Heimat eines florierenden Start-up-Ökosystems. Seit 2020 haben sich die Risikokapitalinvestitionen deutlich erholt und erreichten laut der Studie 2021 mehr als 4,3 Milliarden US-Dollar. Zwischen 2015 und 2021 sind die Investitionen um mehr als das Zehnfache gestiegen. Diese Investitionen treiben neue Technologien und innovative Unternehmen auf dem Kontinent voran.

E-Commerce und Künstliche Intelligenz

Einige afrikanische Länder wie Ägypten, Kenia, Nigeria und Südafrika stechen in Bezug auf neue Technologien und attraktive Rahmenbedingungen besonders hervor, informiert IT-Berater Kotras: "Zum Beispiel hat Ägypten in den vergangenen Jahren viel in seine Infrastruktur und in die Schaffung eines für Investoren positiven Geschäftsumfelds investiert. Kenia hat eine sehr dynamische und innovative Tech-Szene entwickelt und sich zu einem regionalen Hub für FinTech entwickelt. Nigeria ist das bevölkerungsreichste Land Afrikas mit einer der größten Internetnutzerbasen am Kontinent. Zudem entstehen viele Start-ups und Unternehmen in Bereichen wie eCommerce, FinTech und künstlicher Intelligenz. "Zwar hat der Kontinent noch viele Probleme bei der Infrastruktur, aber dafür ein enormes Humankapital. Das Durchschnittsalter betrug im Jahr 2022 18,7 Jahre. Bis zum Jahr 2050 wird sich der Altersdurchschnitt der afrikanischen Bevölkerung laut Prognose auf rund 23,9 Jahre erhöhen. "Bereits heute haben große Teile der Bevölkerung Zugang zum Internet, und die Verbreitung von Smartphones und anderen mobilen Geräten nimmt zu. Mehrere Länder in Afrika wie etwa Ghana, Kenia, Nigeria und Südafrika verwenden digitale Währungen", so Kotras.

In Nigeria entsteht mit österreichischer Initiative ein riesiger Gewerbepark, der den Menschen im 200-Millionen-Einwohner-Land Jobs und österreichischen Betrieben Gewinne bringen soll. Das Modell soll Schule machen. Andreas Gebauer, Projektmanager des European Business Park Enugu: "Nigeria ist politisch sehr stabil und eines der wenigen afrikanischen Länder, dessen politisches Risiko für Investoren versicherbar ist. Das Image von Nigeria ist in unseren Breiten von den Nachrichten über die Boko Haram geprägt, dieses Image stimmt aber mit der Realität nicht überein. Die Menschen vor Ort sind freundlich, arbeiten hart und wollen vor allem eines: Stabilität, um sich ein besseres Leben aufbauen zu können." Daher haben auch schon einige Unternehmen aus Österreich Dependancen in dem Businesspark eröffnet. Die Idee: Sie schaffen vor Ort Arbeits- und Ausbildungsplätze und tragen so dazu bei, dass die Bevölkerung zu Bildung und Wohlstand kommt. Bereits mehr als 200 Menschen arbeiten laut Projektmanager Gebauer im Businesspark. Internationale Unternehmen wie Elektro Merl, Hans Roth-Saubermacher, The One Group (Deutschland),Eryk (Dänemark) und KeKelit haben sich dort schon angesiedelt. Gebauer: "Im Center of Practical Skills werden Nigerianer in verschiedenen Berufen auf europäischem Niveau ausgebildet. Unser Partner vor Ort ist die katholische Godfrey Okoye University, eine der besten Universitäten Nigerias, an der jedes Jahr Hunderte Absolventen in verschiedenen Bereichen ihren Universitätsabschluss machen."Auch im IT-Bereich sind die Kompetenzen hoch. "Nigeria ist in Afrika für IT-Kompetenz bekannt, auch wenn diese Fähigkeiten leider nicht immer für den richtigen Zweck eingesetzt werden. Viele Europäer haben sicher schon Phishing-Mails aus Nigeria erhalten",so Gebauer. Aber durch die neuen Jobs können die Kompetenzen der jungen Hacker in die richtige Richtung gelenkt und das Potenzial vor Ort genutzt werden. "Unser Schwerpunkt für 2023 und 2024 liegt vor allem in den Dienstleistungsbereichen, die aus Europa ausgelagert werden können. Dazu gehört auch der IT-Bereich, da es hier viele gut ausgebildete und günstige Mitarbeiter gibt und die Investitionen für ausländische Unternehmen überschaubar sind", berichtet Gebauer.

IT-Fachkräfte in Ägypten

Auch im Land am Nil wird massiv in den Bereich IT investiert. Die ägyptische Regierung und ITIDA, die verantwortliche Regierungsstelle für die Entwicklung der nationalen IT-Industrie, unterstützen Investitionsvorhaben, um bis 2025 rund eine Milliarde US-Dollar an digitalen Umsätzen im Export zu generieren. Erst vor Kurzem nahmen der ägyptische Präsident, Vertreter der Regierung sowie namhafte internationale IT-Unternehmen an einer Zeremonie zur Unterzeichnung von Neugründungen in Ägypten teil. Mit dabei war auch die österreichische Trimetis AG. Peter F. Laggner, CEO Trimetis AG: "Ägypten ist das neue Indien. Wir wollen unser Center in Kairo nicht nur für unsere Kundenprojekte einsetzen, sondern auch anderen österreichischen IT-Dienstleistern als neutrale Plattform zur Verfügung stellen." Das Zauberwort ist Nearshoring. Das bedeutet, in gleichen oder annähernd gleichen Zeitzonen zu arbeiten, während China und Indien Offshore-Standorte sind. "Indien kämpft derzeit mit einer hohen Fluktuation der Mitarbeiter und einer rasanten Gehaltsspirale, ausgelöst durch Pandemie, Inflation und Ukraine-Konflikt",so Trimetis-Chef Laggner. Nun weiche man in andere Länder aus, viele Argumente sprechen für Ägypten: Allein im Großraum Kairo leben rund 30 Millionen Einwohner mit einem Durchschnittsalter von 29,7 Jahren, von den zwei Millionen Studierenden schließen jährlich 50.000 mit IT-Skills ab, und eine Verdoppelung der technischen Unis ist in Umsetzung. Die politisch prekären Rahmenbedingungen sind für den österreichischen Unternehmer kein Problem: "Wenn man in den lokalen Markt möchte, ist das natürlich ein Thema. Aber wenn man wie Dienstleister Trimetis den Standort als Technologiecenter mit einer reinen Exportrolle nach Europa betrachtet, sind politische Instabilitäten vor Ort kein allzu großes Problem-obwohl man sie natürlich lieber nicht hätte: "There is no free lunch at all",so Laggner. Die Trimetis AG ist so aufgestellt, dass Projekte in gemischten Teams ausgearbeitet werden, etwa die Entwicklung, Testung und der Betrieb von Softwarelösungen für den Zahlungsverkehr von Banken, Tankkartensysteme, Kommunikationssysteme und Bankomatbetriebssysteme. Mittlerweile ist der Betrieb bereits angelaufen. Laggner: "Seit Jänner 2023 sind wir live.

Im ersten Jahr werden wir auf 30 bis 40 Mitarbeiter hochfahren, und bis Ende des dritten Jahres werden wir mehr als 100 Mitarbeiter aufgebaut haben. Das sind Commitments, die wir mit der Regierungsagentur vereinbart haben." Beim Thema Datenschutz sieht Laggner kein Problem: "Wir machen integrierte Projektteams, wo das Know-how im Land des Kunden bleibt. Es werden keine gesamthaften Entwicklungsauslagerungen vorgenommen, sondern die ausländischen Ressourcen in das gemeinsame Entwicklungsteam integriert." Zudem ist der Datenschutz in Ägypten ähnlich geregelt wie in Europa: "Die IT-Standards in unserem Büro in Kairo unterscheiden sich heute nicht von jenen in Deutschland, Schweiz, Österreich oder Polen", erklärt der Trimetis-CEO.