Panorama

Was wir von Staatsfonds lernen können

Internationale Staatsfonds investieren in Konzerne füllen mit den Erträgen die staatlichen Kassen. Kann dieses Modell auch in Österreich funktionieren?

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Fast schadenfreudig wurde weltweit berichtet, dass der norwegische Staatsfonds 2022 an der Börse Rekordverluste von 152 Milliarden Euro einfuhr. Damit musste er das Zepter als jahrzehntelang größter Staatsfonds der Welt an den chinesischen Staatsfonds CIC übergeben. Was dabei unterging: Norwegens Staatsfonds erwirtschaftete ein Jahr zuvor eine Rendite von 160 Milliarden Euro. Seit das Land mit seinem "Zukunftsfonds" vor 25 Jahren mit einer Veranlagungssumme von umgerechnet 200 Millionen Euro startete, ist dessen Wert um das 6000-Fache gestiegen. Und auch wenn dem Fonds regelmäßig norwegische Öleinnahmen zufließen, wurde mehr als die Hälfte des 1,22 Billionen Euro schweren Staatsfonds nicht einbezahlt, sondern tatsächlich mit Kapitalerträgen erwirtschaftet.

Fußballklubs und Tech-Konzerne

Da diese Öleinnahmen seit Russlands Angriff auf die Ukraine kräftig sprudeln, sind die Staatsfonds aus Norwegen, Qatar, Vereinigte Emirate, Saudi-Arabien oder Kuwait auf Shoppingtour. So interessieren sich sowohl Qatar als auch Saudi-Arabien für Fußballklub Manchester United. Qatar hat sich zuletzt bei RWE mit zehn Prozent und auch bei Credit Suisse eingekauft, wo der saudische Staatsfonds längst beteiligt ist. Die Schweizer Bank ist zu einem Fünftel in arabischer Hand. Qatar will auch bei Siemens Energy einsteigen. Saudi-Arabien investiert Milliarden in Tech-Firmen, baut gemeinsam mit dem iPhone-Fertiger Foxconn Elektroautos. Die Abu Dhabi Investment Authority will sich währenddessen mit 51 Prozent an den Melía Hotels International in Mallorca beteiligen.

Staatsfonds funktionieren aber auch ohne Öl. Deutschland setzt auf ein teilweise aus Aktiengewinnen finanziertes Rentensystem: Die Regierung will den Generationenfonds mit einem zehn Milliarden schweren Darlehen speisen, mit dem sie Aktien und Anleihen an den Börsen kaufen möchte. Mitte der 2030er-Jahre sollen dann die Erträge daraus die gesetzliche Rente stärken. Wäre das nicht auch eine gute Idee für Österreich als Ergänzung zum umlagefinanzierten Pensionssystem? "Die Möglichkeit besteht immer", meint Thomas Url vom Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO, "Schweden hat es ja in den 1990er-Jahren vorgemacht. Dort wurden 2,4 Prozent der Lohnsumme in ein kapitalgedecktes System gelenkt. Es gibt dort als Standardlösung zur Veranlagung einen Regierungsfonds. Wenn man damit unzufrieden ist, kann man sich auch einen privaten Fonds aussuchen."

Staatsfonds als Unterstützung fürs Pensionssystem


Um auf so ein Pensionssystem umzusteigen, sei jedoch für Österreich der Zug schon abgefahren, bedauert Ökonom Thomas Url: "Wir stehen vor dem Problem, dass der Zuschussbedarf zum staatlichen Pensionssystem in den nächsten zehn Jahren steigen wird, weil sehr stark besetzte Geburtenjahrgänge ins Pensionsalter einrücken. Dann ist es nicht unbedingt sinnvoll , Geld aus dem System zu veranlagen und dafür mehr Steuergeld ins umlagefinanzierte System einzuschießen. Das hätte man in den 1970er-Jahren machen müssen, als die geburtenstarken Jahrgänge ins Erwerbsleben eingetreten sind."Für Österreich hält Url aber weitere Beteiligungen der ÖBAG für sinnvoll. "Die Erträge aus den Staatsbeteiligungen könnte man den dynamischen Klein-und Mittelbetrieben für ihre Expansionsphase zur Verfügung stellen",empfiehlt der WIFO-Ökonom und ergänzt: "Um zu einem internationalen Player heranzuwachsen, gibt es in Österreich ohnehin zu wenig Finanzierungen dieser Art." Der Staat solle jedoch nicht so stark wie früher bei Verstaatlichungen ins Management eingreifen, appelliert Url: "Hier ist die Auswahl der Aufsichtsräte sehr wichtig, da sie für eine notwendige Distanz des Staates sorgen. Aber sie haben noch so viel Einfluss, dass man kritische Entscheidungen verhindern kann." Thomas Url würde auch befürworten, die staatlichen Beteiligungen wie in Finnland auf zehn bis 15 Prozent herunterzufahren, um bei einem Übernahmeversuch rasch auf eine Sperrminorität aufstocken zu können. "So hätte man zusätzliches Kapital für Expansionsfinanzierungen zur Verfügung und könnte Schulden abbauen", betont Thomas Url. Wolfgang Matejka, Gründer von Matejka& Partner Asset Management, sieht hingegen schon Potenzial für eine zusätzliche, kapitalgedeckte staatliche Pensionsvorsorge. "Mir schwebt ein Mittelding zwischen Equity und Private Equity-Investment vor, das nicht ausschließlich in börsennotierte große Unternehmen investiert, die heimische Wirtschaft stärkt und krisenresistenter macht." Zur Finanzierung eines solchen kapitalgedeckten Zukunftsfonds könnte man auch die Übergewinnsteuern verwenden.
 

Inwieweit ein Staatsfonds als Aktionär auch dem Unternehmen guttut, hängt von dessen Zielen ab. Wirtschaftsforscher Thomas Url: "Hier gibt es zwei Arten von Staatsfonds. Die einen sind im wesentlichen Finanzinvestoren. Dazu zählen die Staatsfonds von Singapur oder Norwegen. Sie versuchen, eher kleinere Anteile an Unternehmen zu erwerben oder mit dem eigenen Portfolio Weltmarktfonds nachzubilden. Beide mischen sich im Wesentlichen nicht ins operative Geschäft ein." Der Norwegische Zukunftsfonds hält nur bei 47 von rund 9200 Beteiligungen mehr als fünf Prozent der Stimmrechte, alle Investments müssen die strengen ESG-Kriterien erfüllen. Wer zu sehr auf fossile Energien setzt, fliegt aus dem Fonds raus-ungeachtet davon, dass der Fonds selbst aus Öleinnahmen gespeist wird. Auch bei den arabischen Staatsfonds handelt es sich großteils um Generationenfonds, mit denen man für die Zukunft mit einem schwächeren Ölmarkt vorsorgen möchte.

Die andere Gruppe von Staatsfonds verfolgt laut Wifo-Experte Url industriepolitische-strategische Zwecke. Der Staatsfonds von Abu Dhabi, der bis Ende 2022 24,9 Prozent an der OMV hielt, gehört grundsätzlich auch in die Kategorie der Finanzinvestoren. Bei der OMV-Beteiligung gäbe es aber durchaus auch ein industriepolitisches Interesse, nämlich einen Fuß im Raffineriegeschäft zu haben. Im Dezember übernahm der staatliche Ölkonzern Abu Dhabi National Oil Company die Anteile des Staatsfonds. Ein anderes Ziel sei, die eigene Währung zu stabilisieren. Man versuche, den hohen Zufluss von Devisen auch im Ausland wieder zu veranlagen und so mit einem schwächeren Wechselkurs die inländischen Exportunternehmen wettbewerbsfähig zu halten. Thomas Url nennt als Beispiel den chinesischen Staatsfonds: "Er investiert in US-Staatsanleihen und halbstaatliche US-Anleihen, um den Dollar-Yuan-Kurs zu beeinflussen."Die Beteiligungen von chinesischen Staatsfonds werden oftmals kritisch beäugt, weil man einen Technologietransfer befürchtet.

Wie ein österreichischer Staatsfonds aussehen könnte

Grundsätzlich sieht Assetmanager Wolfgang Matejka Staatsfonds sehr positiv: "Sie stellen ein Bindeglied zwischen Kapitalmarkt-und Staatsdenken dar, sind den Begehrlichkeiten und dem Druck beider Seiten ausgeliefert. Aber sie können sich dem einen oder anderen unpopulären Effekt leichter entziehen, als es die Politik könnte." Ob der Staat so ein guter Vermögensverwalter ist, bleibt dahingestellt. "Alle Staatsfonds, die ein selbstständiges Regulativ in sich haben, sind gut und erfolgreich und liefern auch einen entsprechenden Gewinn. Allen Staatsfonds, die unter einem politischen Regime arbeiten müssen, geht es nicht gut",meint Matejka.

Von den Staatsfonds können auch die Privatanleger einiges lernen: Sie veranlagen zum überwiegenden Teil in globalen Aktien und Immobilien. Der Norwegische Staatsfonds, der transparent wie kein anderer sein Vermögen offenlegt, ist aktuell zu 70 Prozent in Aktien und zu 30 Prozent in Anleihen und Immobilien investiert. Er ist an über 9200 Unternehmen in 69 Ländern beteiligt, wobei auf die Top-10-Werte Apple, Amazon, Microsoft, Roche, Nestlé, Shell, Amazon, Meta, Taiwan Semiconductors und Tesla schon elf Prozent entfallen. Stark gewichtet sind hier ähnlich wie beim MSCI All Country World die Finanz-und Technologie-Titel. Doppelt so stark wie im Weltindex MSCI ACW sind die Norweger in Immobilien gewichtet. In den USA sind sie mit 44 Prozent vergleichsweise weniger als der Weltindex, in Europa mehr investiert. Steigt ein Staatsfonds der Kategorie Finanzinvestor in ein Unternehmen ein, lohnt sich jedenfalls ein Blick auf diese Beteiligung, rät Wolfgang Matejka.