Frauenfüße können aufatmen: High Heels haben Konkurrenz bekommen
In Hollywood zählen ein perfekter Körper, ein faltenloses Gesicht und eine exquisite Robe zur Grundausstattung jedes weiblichen Stars. Wer wollte es da mit den Füßen so genau nehmen? Hauptsache, die Schuhe sind Designer-Modelle. Im Internet finden sich zuhauf Fotos von verkrüppelten Frauenfüßen, von schmerzhaften Überbeinen, von Zehen, die sich widerspenstig aus viel zu kleinen Schühchen zwängen. 18 Jahre lang fast täglich High Heels zu tragen, habe ihre Füße zerschunden, gestand Sex and the City-Star Sarah Jessica Parker im Vorjahr in einem Interview. Sie ist nicht die Einzige.
Der Hype, in extrem hohen Heels über rote Teppiche zu stöckeln, scheint gerade wieder mal einen Knacks bekommen zu haben. Für die Frühjahrsmode zeichnet sich massiv ein Trend hin zum Turnschuh ab. Man kann modisch angezogen sein, und muss trotzdem nicht leiden, erklärte der deutsche Modezar Karl Lagerfeld nach der Präsentation seiner aktuellen Chanel-Couture-Kollektion in Paris. Seine Models trugen zu edlen Spitzenkleidern nicht minder teure glitzernde Sneakers. Die gesamte Kollektion wurde durch sportliche Elemente ergänzt: Knie- und Ellbogenschoner standen im Kontrast zu romantisch angehauchten Kleidern. Zum Catwalk-Finale schlenderte das britische Supermodel Cara Delevingne in einem bodenlangen weißen Hochzeitskleid samt Schleppe über den Laufsteg. Ihr Schuhwerk: bequeme Trainer. Auch die aktuelle Dior-Show setzte, allerdings nicht ganz so flächendeckend wie Chanel, auf Turnschuhe.
Ein Blick in die Modegeschichte zeigt: Von 1800 bis 1845 trugen Frauen vor allem flache Schuhe, erzählt Lagerfeld von seiner Inspiration zur Schau. Selbst, wenn sie auf einen Ball gingen, hatten sie keine High Heels an. Überraschend kommt dieser Trend zu bequemem Schuhwerk freilich nicht: Streetwear, Hip-Hop-Einflüsse und Sportkleidung traten in den vergangenen Jahren einen konsequenten Siegeszug in die eher versnobte Welt der High-Fashion an. Ungewöhnlich ist freilich, dass Sneakers nun sogar im exklusiven Zirkel der Couture eingedrungen sind, wo Einzelstücke in monatelanger Handarbeit gefertigt werden. So kosten die teuersten Chanel-Modelle rund 3000 Euro, sind aber wohl ohnehin nur in Kombination mit anderen Teilen der Kollektion zu kaufen. Hunderte an Euros sind für Turnschuhe mittlerweile keine überraschenden Preise mehr.
Mode-Avantgarde-Altmeister Rick Owens ist schon länger in diesem Preissegment angesiedelt, und seine angesagten Sneakers verkaufen sich wie die warmen Semmeln. Sneakers wurden zuletzt nicht nur für High-Fashion-Labels zu wahren Goldquellen. Enorme Wertsteigerungen ließen sich erzielen, wenn man mit angesagten Musikern zusammenarbeitete. Der modeaffine US-Rapper Kanye West etwa legte in Kooperation mit Nike vor ein paar Wochen eine neue Version seines Yeezy-Klassikers vor. Der Schuh war binnen Minuten ausverkauft, auf der Online-Plattform eBay findet man ihn mittlerweile zu Preisen zwischen 4000 und 15.000 Dollar.
Sneakers waren schon immer begehrte Sammlerobjekte. Allerdings meist von Männern. Das Klischee besagt: Während sich Frauen rollenspezifisch auf High Heels und Handtaschen stürzen, dürfen Männer stolz auf ihre Sneakers-Sammlung sein. Das zumindest verschiebt sich gerade, schließlich hatte das Sammeln von Sneakers als Männerdomäne oft ganz banale Gründe viele Modelle begannen erst ab Größe 39. Laut Stefan Häckel, CEO von Vice Österreich und Mitinitiator der Messe Sneakerness, hat der Verkauf von Sneakers bei Frauen stark angezogen. Die Hersteller haben sich auf ihre neue Klientel mit angepassten Größen eingestellt.
Hinzu kommt: Viele Stars aus dem Musikbusiness zeigen sich vermehrt in lässigen Turnschuhen, allen voran die trendige Hip-Hop-Sängerin Rihanna, die gerne das US-Label New Balance trägt, das in den vergangenen Jahren ein erstaunliches Comeback hingelegt hat. Die hippste Marke aber ist im Moment, wenn es halbwegs preiswert sein soll, ohnehin Nike mit seinen zahlreichen Leichtmodellen und seinen Air-Max-Klassikern in neuem Design.
Nur einen lässt der Turnschuh-Hype völlig kalt. Mode-Snob Karl Lagerfeld integriert zwar neuerdings Sneakers in seine Kollektion, aber privat bleibt der Trainingshosen-Gegner dennoch Purist: Natürlich trage ich keine Turnschuhe, meinte er empört.
profil stellt herausragende High-Fashion-Sneakers-Modelle für den Frühling vor.
Raf Simons
Die schlechte Nachricht zuerst: Die aktuelle Kooperation zwischen Modemacher Raf Simons und dem Sportschuhproduzenten Adidas ist eigentlich für Männer gedacht, die Modelle werden nicht in kleinen Größen erhältlich sein. Trotzdem gehören diese Schuhe mit Sicherheit zu den coolsten High-Fashion-Trainern, die dieses Frühjahr auf den Markt kommen: Sie wirken wie aus einem Retro-Science-Fiction-Film oder aus einer Lego-Spielkiste, überzeugen durch wilde Farbkombinationen und ausgefallene Details aus Silikon. Preis: rund 400 Euro
Chanel
Die Chanel-Sportschuhe wurden von dem traditionsreichen französischen Couture-Meister Massaro in mühevoller Handarbeit hergestellt. Sie glitzern silberfärbig und sollen wie Wasser das Licht reflektieren. Manche Modelle sind aus Python, andere wurden mit Perlen bestickt. Rund 30 Stunden Handarbeit stecken in jedem Paar.
Rick Owens
Nicht nur bei der Fashion Week in Paris war der US-Modemacher Rick Owens im Vorjahr das Stadtgespräch: Er schickte afroamerikanische Studentinnen auf den Laufsteg, die ganz und gar nicht den üblichen Modelmaßen entsprachen. Mit wütenden Gesichtern legten sie eine furiose Choreografie hin und trugen dabei massive Schuhe, die so klobig wie Tierhufe wirkten. Diese Turnschuh-Modelle für kommendes Frühjahr (in Kooperation mit dem Traditionshaus Adidas entstanden) sind seit Kurzem auf dem Markt und schon jetzt ein Verkaufsschlager: Leider funktioniert die raffinierte Schnürung nur halb so gut wie im Video, die meisten Käufer greifen deshalb auf eine traditionelle Schnürung zurück, die aber nur halb so cool wirkt. Es gibt sämtliche Variationen sowohl für Frauen als auch für Männer.
Preis: rund 490 Euro