PEPPER Der Roboter, der hören, sprechen, sehen und sich bewegen kann. Wird er morgen unser Bankberater?

Plaudern mit Robotern

Chatbots, Robo-Advisory, Augmented Reality: Die Finanzindustrie erweist sich immer stärker als Kreativ-Fließband für digitale Erneuerung. Doch was die Sicherheit betrifft, ist in der neuen Datenwelt nach wie vor Skeptizismus angebracht.

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Michelle, ich hätte eine Idee, wie wir deine Schulden reduzieren und du auch noch 800 Dollar im Jahr sparen kannst." Gute Ratschläge zur nachhaltigen Gesundung des Haushaltsbudgets sind bekanntlich niemals falsch. Selbst wenn sie weder von einem besorgten Lebenspartner noch vom leicht beunruhigten Kontobetreuer stammen. Sondern von "erica", einer überaus menschlich agierenden Finanzsoftware. So heißt jene Fachkraft der Bank of America, die noch in diesem Jahr ihren Job antreten soll.

Was wie leicht überdrehte Science-Fiction anmutet, wird für Klienten dieses Kreditinstitutes Realität. Integriert in die mobile App, soll das Computerprogramm wie jeder andere Mitarbeiter Kunden umsorgen, Anliegen begreifen und Infos übermitteln. "erica" erfüllt also jene Aufgaben, die Strategen von ihren Chatbots erwarten. Diese Rechnerspezies, deren Gattungsbegriff sich aus Chat und Robot zusammensetzt, ist generell talentiert. Die smarten Helfer können Tickets buchen, Flüge suchen, über das Wetter Auskunft geben oder Fragen beantworten. Die intelligenten, meist mit kuscheligen Namen behübschten Programme werden außerdem mit zunehmender Nutzungsdauer schlauer. Durch lernfähige Algorithmen können sie immer besser auf den Anwender eingehen.

Das fasziniert die Finanzbranche, weshalb sich dort immer mehr Unternehmen mit plaudernden Robotern beschäftigen, die in Banking-Apps Platz finden oder über Messenger-Dienste erreichbar sein sollen, welche der Verbraucher ohnehin stetig nutzt (etwa den Facebook-Messenger). Clevere Dialogsystem sind imstande, einfache Serviceanfragen zu erledigen, können aber ebenso Zahlungsaufträge entgegennehmen. Im Gegensatz zum üblichen Digital-Banking wirkt dieser Kundenkontakt menschlicher, weil Elektro-Schlauberger so programmiert sind, dass sie Menschen bis zu einem gewissen Grad "verstehen".

Die Innovationsgeschwindigkeit auf dem Finanzsektor hat sich in den vergangenen Monaten klar gesteigert. Robotik oder künstliche Intelligenz sind keine Zukunftsmusik mehr.

Signal für radikalen Wandel der Gesellschaft

Solche Erfindungen sind trotz skeptischer Anmerkungen, dass kritische Verbraucher Maschinen kaum Vertrauen schenken dürften für sensible Finanzbelange, ein weiteres Signal für den radikalen Wandel der Geldwelt. Die einst beschauliche Hemisphäre der Schalter und Scheine avanciert zum Fließband für Neuerungen mit revolutionärem Charakter, zumindest theoretisch. Mit Hochdruck brüten Strategen in den Thinktanks Anwendungen oder Konzepte aus, gegen die jeder Kontoauszugsdrucker wirkt wie ein prähistorisches Relikt. Für diese aktuelle Beschleunigung nennt Klaus Hölzer, Experte der Managementberatung Oliver Wyman, gleich mehrere Gründe: "Die Innovationsgeschwindigkeit auf dem Finanzsektor hat sich in den vergangenen Monaten klar gesteigert. Robotik oder künstliche Intelligenz sind keine Zukunftsmusik mehr. Auch die Zahl der Firmen, die mit innovativen Produkten und Lösungen auf den Markt drängen, steigt ständig. Dabei handelt es sich nicht nur um Start-ups, sondern auch um Technologieanbieter. Weiters haben traditionelle Finanzdienstleister eine große Aufholjagd in diesem Bereich gestartet."

Auch der schnöde Mammon fungiert als Treibstoff: "Es wird sehr viel Geld in die Neuerfindung des Bankings gepumpt. Investoren erkennen, dass eine Generation von Digital Natives ohne Bindung zu Filialen den Markt betritt. Dazu kommt, dass Banken generell Vertrauen verloren haben durch ihre zu starke Verkaufsorientierung. Die Konkurrenz erlebt eine Situation, die für rasche Gewinnung von Neukunden spricht", vermerkt Christian Rauscher, Geschäftsführer der Beratungsfirma emotion banking.

Viele Banken zeigen dennoch null Bereitschaft, das Feld anderen zu überlassen und gehen manchmal gleich direkt auf Online-Newcomer der Finanzindustrie zu. Aktuell hat etwa die BAWAG PSK eine Kooperation mit dem heimischen FinTech "baningo" abgeschlossen. Über dessen Webplattform können Interessenten und Kunden des Kreditinstitutes online den für das jeweilige Anliegen geeigneten Berater in ihrer Nähe finden. Der Kontakt kann dann ebenfalls über den virtuellen Kanal stattfinden.

Robo-Adivisory als neuer Überflieger

Auch die UniCredit, zu deren Gruppe die Bank Austria gehört, intensiviert den Kurs in Richtung digitale Zukunft. Bis 2019 sollen 1,6 Milliarden Euro in IT-Innovationen fließen. Robo-Advisory ist dabei ein Thema, das auf der Agenda ganz oben steht. Auch dieses Werkzeug, das punktgenau für all jene passt, die Geldgeschäfte primär elektronisch abwickeln, verspricht die totale Leichtigkeit.

Hinter Robo-Advisory, nach bewährtem Brauch als neuer Überflieger bejubelt, verbirgt sich eine automatisierte Form der Geldanlage. Sie könnte Couch-Potatos gut gefallen, weil Online- Convenience pur auf dem Programm steht: Der Investor hinter dem Monitor beantwortet einige Fragen, unter anderem zur Risikobereitschaft, deponiert seine Rendite-Vorstellungen und bekommt eine vom Anbieter vorgefertigte Strategie der Anlage serviert. Nach dem "Ja" ist der Deal mit wenigen Klicks perfekt. 2020 soll das durch Robo-Advisory verwaltete Vermögen laut Oliver Wyman weltweit immerhin 440 Milliarden Dollar betragen. Solche Perspektiven sollten speziell den Optimismus von Neulingen wie moomoc bestärken. Im September 2016 gegründet, bietet der Wiener Robo- Advisor Interessenten ab 10.000 Euro die Chance, mit Aktien zu sparen und so relevantes Vermögen aufzubauen, wenn alles klappt. Zu dem Zweck werden Gelder auf Grundlage mathematischer Modelle in Wertpapier-Systeme investiert. Der Kunde kann sein bereits bestehendes Depot behalten oder via moomoc eine Depotlösung bei einem großen Onlinebroker nutzen. Co-Gründer Andreas Fritsch ortet natürlich eine besonders rosige Zukunft: "Die Aktienmärkte werden immer weniger überschaubar. Robo- Advisor, die individuelle Strategien fördern, stehen daher vor einem Boom. Je mehr diese zeigen, dass sie nicht nur schöne Websites besitzen, sondern das Vermögen ihrer Kunden mehren können, werden sie klassischen Anbietern Marktanteile abnehmen."

Bei manchen klassischen Kreditinstituten dürfte sich die Begeisterung in Grenzen zu halten: Für Erste Bank und Sparkassen etwa ist Robo-Advisory kein Thema. Pläne betreffen vielmehr eine strukturierte Hilfestellung, wenn Investments via "George" gefragt sind: Künftig sollen Nutzer jener hauseigenen Online-Banking-Plattform alle Tools erhalten, um Wertpapiere nach Empfehlungen der Bank selbst verwalten und zusammenstellen zu können.

Wir beobachten die Entwicklung, sehen aber keinen Handlungsbedarf, diese Schiene in unser Angebot zu integrieren.

Auch die Oberbank lässt sich vom Hype nicht anstecken. "Wir beobachten die Entwicklung, sehen aber keinen Handlungsbedarf, diese Schiene in unser Angebot zu integrieren. Die meisten Robo-Advisor-Lösungen sind begrenzt flexibel und bei der Produktvielfalt überschaubar. Persönliche Beratung ist oft überlegen", meint dazu Vorstandsdirektor Florian Hagenauer.

Skeptisch betrachtet wird die neue Wunderwelt aber häufig auch hinsichtlich Datensicherheit. Viele Projekte sind technisch wenig ausgereift, vielen Gründern fehlt Erfahrung und Geld für jene Security, die über eine Placebo-Firewall hinausreicht. Für Hacker könnten solche Objekte eine leichte Beute darstellen, sollte mehr Geld in Werbung als in Risikoreduktion fließen. So weiß bei der Vielzahl an FinTechs niemand ganz genau, wie gut die IT ist und in welchen Ländern die Server tatsächlich stehen.

Die jüngsten Ereignisse führen vor Augen, dass sich Hersteller unterschiedlicher IoT-Produkte ihrer Verantwortung nicht bewusst sind. Wie ein Lauffeuer werden beinahe monatlich Sicherheitslücken entdeckt.

Das gehypte Internet of Things (IoT) liefert Indizien, dass technische Euphorie nicht den Vernunftfaktor aushebeln sollte. Die Onlinevernetzung von Alltagsgegenständen durch Einbau von Prozessoren, Sensoren und Netzwerktechnik gilt auch als Option zur Abwicklung von Geldgeschäften -was auf Hindernisse stoßen könnte. "Die jüngsten Ereignisse führen vor Augen, dass sich Hersteller unterschiedlicher IoT-Produkte ihrer Verantwortung nicht bewusst sind. Wie ein Lauffeuer werden beinahe monatlich Sicherheitslücken entdeckt", warnt Markus Robin, General Manager des Security-Unternehmens SEC Consult.

Defizite in Sachen Sicherheit sind aber kontraproduktiv für den Markterfolg. Christian Rauscher verweist auf die strukturelle Eintrittshürde: "Die Frage der Sicherheit ist bei Fin-Techs natürlich im Hinterkopf, schließlich geht es um Geld. Wir haben eine lange Tradition an Datenschutz, und so existiert eine gewisse Grundskepsis. Deshalb haben die meisten Newcomer ihr Geschäftsmodell auf eine Zusammenarbeit mit etablierten Kreditinstituten verändert. Damit führt man Vertrauen, Markenstärke oder Reputation zusammen mit Innovation sowie tollem Kundenerlebnis."

Unerfahrene Gründer müssen für eine ausreichende Datensicherheit Anbieter wählen, die abgesicherte Plattformen mit offenen Schnittstellen bereitstellen.

Do-it-yourself ist gleichfalls möglich, um das Online-Territorium vor Angriffen abzuschirmen. Dieter Steiner, Chef des Security-Service-Providers SSP Europe: "Start-ups stehen unter starker Beobachtung. Unerfahrene Gründer müssen daher für ausreichende Datensicherheit Anbieter wählen, die abgesicherte Plattformen mit offenen Schnittstellen bereitstellen. Newcomer sparen sich horrende Entwicklungskosten und können mit ihrem Geschäftsmodell trotzdem rasch ihren Markt betreten." Allfällige Zweifel betreffend Datenlecks werden den Boom ohnehin kaum bremsen. Mit Augmented Reality hat die Branche das nächste Allheilmittel geortet. Dabei wird die menschliche Wahrnehmung durch Daten gezielt erweitert - Stichwort Datenbrille. Laut Unternehmensberatung PwC wird jene Anwendung die Industrie erobern und besitzt sogar hohes Potenzial für eine kognitive Revolution.

Vielleicht etabliert sich die Geldwelt als Vorreiter. Walter Mösenbacher, Chef der Raiffeisen e-force, skizziert eine Option: "Für Banken wäre ein Usecase bei Immobilien vorstellbar, Hypotheken oder Kreditvergabe gehören zum Kerngeschäft. Der Kunde kann in einer Straße mittels App erkennen, welche Häuser zum Verkauf stehen. Gleichzeitig werden Informationen wie der Kaufpreis angezeigt." So könnten sich die Einnahmen einiger Banken real erweitern.