profil High Potential Day 2014

Sprossenklettern: profil High Potential Day 2014

Recruiting. Am 30. Juni treffen die besten Studenten auf 70 Top-Unternehmen

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Für die Dolmetscherin und Managerin Kerstin Dohnal ist der High Potential Day wie Schuhe anprobieren: „Ich habe gleich gemerkt, wo es passt und wo es drückt.“ Sie war bei der exklusiven Jobmesse im Vorjahr dabei, und das Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte in Wien hat offensichtlich gepasst. Dohnal arbeitet dort seit zehn Monaten als Forschungsassistentin an einer Studie über die Weltbank mit.

Absolventen wie die 36-jährige Wienerin gehören zur Bildungselite des Landes – sie mit den Personalchefs großer Unternehmen zusammenzubringen, ist das Ziel des profil High Potential Day. Die Chance, vom Fleck weg engagiert zu werden, ist groß.

Im Gegensatz zu anderen Berufsmessen werden die Studenten von einer Jury ausgesucht – überdurchschnittliche Studienerfolge und Praxiserfahrung sind Voraussetzung. Viele Absolventen haben im Ausland studiert oder gearbeitet und bringen entsprechende Sprachkenntnisse mit. Sie geben im Vorfeld bekannt, für welche Unternehmen sie sich interessieren und werden auf der Messe zu Vorstellungsgesprächen eingeladen. „Wir stellen uns gezielt auf die Kandidaten ein und überlegen mit ihnen gemeinsam, in welcher Abteilung sie sich wohlfühlen könnten“, sagt Sonja Graf vom Recruiting Team der Österreichischen Lotterien, die schon beim ersten High Potential Day im Jahr 2008 dabei war. Ebenfalls ein großer Vorteil für die Bewerber: Sie wissen bereits über freie Stellen Bescheid, bevor die großen Berufsmessen im Herbst beginnen.

Die 70 Spitzenunternehmen, die sich am 30. Juni im Wiener Rathaus präsentieren – unter anderen sind die Vienna Insurance Group, die Handelsketten Merkur und Hofer, die Anwaltskanzlei DLA Piper Weiss-Tessbach, Siemens und die Österreichische Post vertreten –, wissen, dass das Gehalt für die Absolventen nicht alleine entscheidend ist.

„Weiterbildungsmöglichkeiten, Aufstiegschancen, ein gutes Betriebsklima und die Möglichkeit, auch im Ausland zu arbeiten, sind mindestens genauso wichtig. Manche Bewerber fragen uns auch nach der Work-Life-Balance, das ist völlig in Ordnung“, sagt Alexandra Auer vom Cateringunternehmen Do & Co. Denn eigene Ziele klar zu formulieren und zu ihnen zu stehen, gehört heute genauso zum Anforderungsprofil eines erfolgreichen Werdegangs wie eine gute Ausbildung und Informiertheit.

Kerstin Dohnal, 36
Auf der Schokoladenstraße

Wenn Kerstin Dohnal über ihre Karriere spricht, könnte ruhigeren Gemütern schnell schwindlig werden. Zwei Studienabschlüsse, Freiwilligenarbeit, ausgedehnte Reisen, Entwicklungshilfe: Der Lebenslauf der quirligen Wienerin ist „kein Klassiker“, wie sie selbst sagt – dafür ist er umso spannender. Ihr Vater war Sicherheitsangestellter in der UNO-­City, weshalb Dohnal schon als Kind mit Menschen verschiedenster Nationalitäten in Kontakt war. „Ich wollte immer die Geschichten hinter den Menschen erfahren. Das ging nur, wenn ich ihre Sprache beherrschte“, sagt die 36-Jährige. Sie studierte also Translationswissenschaften und arbeitete fünf Jahre als Übersetzerin für Spanisch und Englisch am Wiener Konsulat der Dominikanischen Republik. Zudem organisierte sie Konferenzen für das International Institute for Peace (IIP). Beim EU-Lateinamerika-Gipfel 2006 in Wien brachte sie der eigensinnige Hugo Chávez ins Schwitzen: Der Staatschef Venezuelas schwänzte seinen Termin mit Kanzler Wolfgang Schüssel, um stattdessen eine ausschweifende Rede vor Anhängern in der Wiener Urania zu halten.

2010 zog es Dohnal, wie schon so oft, hinaus in die Welt. Sie arbeitete sechs Monate lang bei sozialen Projekten in Guatemala, Ecuador, Mexiko und Bolivien mit. Auf der Heimreise hatte die Wienerin eine Zukunftsidee im Gepäck: Wie könnte man Tourismus in Entwicklungsländern gestalten, damit auch die Einheimischen davon profitierten? Viel zu oft hatte die Übersetzerin gesehen, wie sich Europäer in hellblauen Süßwasserpools räkelten, während in den umliegenden Dörfern das Wasser zum Duschen und Kochen fehlte. An der Fachhochschule Wien belegte Dohnal ein Tourismus-Management-Studium. „Zwei Jahre Wirtschaft pur, das hat mir gutgetan“, sagt sie. Finanziert hat sich Dohnal das Zweitstudium durch ihre Arbeit bei der Werbeagentur Springer & Jacoby. Für ihre Masterarbeit entwickelte sie ein Konzept für die „El Ceibo“-Schokoladenstraße bei La Paz in Bolivien: Ähnlich wie in österreichischen Weinstraßen wollen sich die Kakaobauern der Region mit sanftem Tourismus ein zweites Standbein aufbauen.

Der High Potential Day des Vorjahres öffnete der zielstrebigen Absolventin die nächste Tür. Das Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte engagierte Dohnal vergangenen Sommer vom Fleck weg – dort untersucht sie derzeit, wie die Weltbank mit Beschwerden über Menschenrechtsverletzungen umgeht. Und weil Stillstand nicht Dohnals Sache ist, hat sie die nächsten Sprossen der Karriereleiter bereits gelegt: Auf ihrer Afrikareise Anfang des Jahres hat sie beschlossen, demnächst als Tourismusberaterin mit Fokus auf die Menschenrechte der einheimischen Bevölkerung zu arbeiten. Sie kann sich auch vorstellen, sich selbstständig zu machen. Und das Konzept für die Schokoladenstraße wird sie zur Doktorarbeit ausbauen. „Jeder braucht schließlich ein Hobby“, lacht Kerstin Dohnal.

Matthias Gangl, 25
Unterwegs sein ist alles

Der junge Jurist Matthias Gangl ist immer auf der Suche nach dem nächsten beruflichen Kick. 2012 war für ihn ein spannendes Jahr: In der heißen Phase des US-Präsidentschaftswahlkampfs war er drei Monate lang Praktikant in der Rechtsanwaltskanzlei Butzel Long P. C. in New York und Detroit. Das ist auch die Zeit, in der Richter und Anwälte um hohe Ämter rittern. Sein Chef, unter anderem Honorar­konsul von Großbritannien, nahm Gangl mit auf seine Werbetouren quer durch den Kontinent, sie trafen Senatoren, Kongressmitglieder, hohe Würdenträger. Eine gute Schule für den ehrgeizigen Juristen, der in der steirischen Kleinstadt Weiz aufgewachsen ist und als Erster in seiner Familie ein Universitätsstudium absolvierte. Bereits in der Schulzeit hatte Gangl sein Talent fürs Programmieren entdeckt. Für das Computertechnikunternehmen Triotronik entwickelte er als 16-Jähriger ein Programm, mit dem die Mitarbeiter Telefongespräche aufzeichnen und gleichzeitig ­Notizen machen konnten. Mit Softwareentwicklung finanzierte sich der gebürtige Kanadier – seine Eltern, beide Österreicher, lebten einige Jahre in Kanada, ­bevor sie mit dem vierjährigen Matthias in die Steiermark zurückkehrten – auch sein Studium der Rechtswissenschaften in Graz.

Es folgten Rechtspraktika in großen Anwaltskanzleien. „Ich merkte schnell, dass ich einen anderen Weg gehen wollte. Die Arbeit in der Kanzlei ist mir im Moment zu statisch, ich möchte noch die Welt ­sehen“, sagt der 25-Jährige. Da kam ihm der High ­Potential Day 2013 gerade recht. Er knüpfte Kontakt mit dem Halbleiterhersteller Infineon, in dessen Headquater in München er einige Monate als Manager für Datenschutz arbeitete. Doch dann ergab sich ein noch verlockenderes Angebot: Das Wiener Beraterunternehmen Syngroup, deren Personalchefs Gangl ebenfalls bei der Jobmesse im Rathaus kennengelernt hatte, wollte ihn als Consultant für Industrieunternehmen einstellen. Seit drei Wochen ist Gangl nun dabei und hochzufrieden: „Ich arbeite projektorientiert und stehe ständig vor neuen Herausforderungen. Und ich werde viel unterwegs sein.“ Freizeit bleibt da wenig. Nebenbei absolviert der ehrgeizige junge Mann einen einjährigen Kurs in Computer­wissenschaften an der US-Eliteuniversität Harvard. Irgendwann will er noch ein Masterstudium in New York und Großbritannien anhängen. Als Anwalt will er sich dann endgültig in Österreich niederlassen.

Nadine Leitner, 27 (Bild)
Gesetzbuch statt Ponyhof

Nadine Leitners Leidenschaft für die Juristerei ­begann früh: Zum 13. Geburtstag, als sich ihre Freundinnen die Zeit noch mit „Bravo“-Lesen und ­Ponyreiten vertrieben, ließ sie sich von ihrer Patentante eine Ausgabe des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetz­buches schenken. Mit 15 machte die Mühlviertlerin ihr erstes Praktikum in einer Linzer Wirtschaftskanzlei, über zehn Jahre hinweg verbrachte sie dort ihre Sommerferien. Das Jus-Studium in Linz war zwar spannend, sie hatte aber nicht immer die besten Noten, wie Leitner zugibt: „Ich bin durch und durch Praktikerin. Während der Arbeit lerne ich am meisten.“ Wegen der durchschnittlichen Noten rechnete sie auch nicht damit, 2010 ein Praktikum in der Außenstelle der Wirtschaftskammer in New York zu bekommen. Sie täuschte sich. Zwei Monate lang analysierte sie in der Stadt, die niemals schläft, den Markt für österreichische Unternehmen, die in den USA Fuß fassen wollten. Und bekam gleich das nächste Angebot: Sechs weitere Monate arbeitete sie in der Raiffeisenbank International in New York und Connecticut bei der ­Kreditvergabe mit. Ihre Diplomarbeit schrieb sie über die Gründung von Unternehmen im US-Bundesstaat Delaware. Leitner: „Ein Kollege hatte mir erzählt, dort ein Unternehmen zu gründen, sei so leicht, wie in Las Vegas zu heiraten. Das wollte ich genauer wissen.“ Der Kollege behielt grundsätzlich recht, dennoch blieben genug Details, um die Abschlussarbeit zu füllen.

Zurück in Österreich absolvierte die junge Ober­österreicherin das Gerichtspraktikum in Wien und lernte beim High Potential Day die Wirtschaftsanwaltskanzlei CHSH kennen. Seit März ist sie dort Rechtsanwaltsanwärterin. Leitner: „Ich bin endlich da, wo ich immer hinwollte.“ Gibt es Träume für die Zukunft? Innerhalb des Unternehmens weiter aufsteigen – und sich einen Hund zulegen. Mit dem kann sie sich dann ihrem Hobby widmen, der Jagd. „Es ist der perfekte Ausgleich. Ich sitze in völliger Ruhe auf dem Hochstand und verliere mich in der Natur. Das Handy funktioniert so tief im Wald glücklicherweise nicht“, sagt Nadine Leitner.

Mario Walser, 24
Nur nicht brachliegen

Mario Walser ist ein Vorarlberger wie aus dem Bilderbuch – tüchtig und willensstark. Den Kampfgeist zur Leistung bekam er früh eingeimpft. Sein Vater und sein Onkel haben eine der führenden Privatfleischereien im Ländle aufgebaut, und eigentlich sollte er den Betrieb einmal übernehmen. In den Sommerferien schnupperte sich Walser durch die Abteilungen und stellte schließlich fest: „Zahlen liegen mir mehr als Fleisch.“ Der Vater sah es entspannt und ließ ihn ziehen. Walser begann daraufhin das Studium der Internationalen Wirtschaftswissenschaften in Innsbruck und entdeckte seine Leidenschaft für den Finanzmarkt. Sein ­erstes Praktikum bei der Raiffeisen Privatbank Liechtenstein 2012 in Vaduz verlangte dem jungen Mann gleich einiges ab. Österreich, Liechtenstein und die Schweiz verhandelten gerade über ein Steuerabkommen und Walser berechnete, wie viel das die Kunden der Vaduzer Bank in Zukunft kosten wird.

Ein Jahr verbrachte Walser an der Norwegischen Universität für Wirtschaftswissenschaften in Oslo, wo er sich, ebenso wie bei den österreichischen Professoren, als fleißiger Student einen Namen machte. In Innsbruck hielt er Tutorien für 150 Studierende: „Damit habe ich mir mein Motorrad verdient“, sagt Walser stolz. Wenn es die Zeit erlaubt, schraubt er sich damit die Schweizer Berge hoch. Wirkliche Ferien hatte der junge Banker ­jedoch schon lange nicht mehr. Noch bevor er 2013 die letzte Prüfung an der Uni abgelegt hatte, machte ihm der Direktor der Liechtensteiner Bank persönlich ein Jobangebot. „Eine große Auszeichnung“, fand Walser und sagte sofort zu. Seit einem knappen Jahr ist er in Vaduz, doch er sucht schon wieder nach neuen Herausforderungen. Mehrere Personalchefs ritterten bereits um ihn, und so entschied er sich schließlich für den Wirtschaftsprüfer KPMG, mit dem er bereits am High Potential Day 2013 Kontakt geknüpft hatte. „Ich bin sehr wissbegierig. Bei KPMG kann ich viele Banken von innen kennenlernen, die Routinearbeit fällt weg.“ Im September fängt er an, davor geht es aber endlich in den Urlaub. Als Rucksacktourist wird Walser ein paar Wochen durch Indonesien streifen. Am Strand wird man ihn aber nicht finden: „Für mich gibt es nichts Schlimmeres, als brachzuliegen, ich will immer aktiv sein.“ Das gilt auch für die Zukunft. Der Vorarlberger will bei KPMG die Karriereleiter noch weit hochklettern.

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Foto: Michael Rausch-Schott für profil