Start-ups in Österreich: „Keine Anreize für Investoren“
Der Hype um Start-ups in Österreich scheint zuletzt etwas abgeflacht zu sein. Stimmt das?
Markus Kainz: Ich sehe es anders: Im Vorjahr wurde so viel in Start-ups investiert wie nie zuvor. Österreichische Firmen wie Bitpanda oder GoStudent sind heute sehr viel wert. Das hat für große Aufregung gesorgt, wenn Start-ups plötzlich mehr wert sind als eine Uniqa-Gruppe oder die Post AG.
Welche Vorzüge kann der Standort Österreich aufweisen?
Da bin ich eher kritisch. Man muss unterscheiden: Auf der einen Seite ist die Community aktiv, starke Initiativen machen Österreich zu einem attraktiven Gründerland. Doch seitens der Regierung kommt wenig, es gibt keine Anreize für Investoren. Daher mischt Österreich nie oben mit, was die Investmentsumme in Start-ups betrifft. Außerdem wirken sich protektionistische Maßnahmen wie etwa Investitionsbeschränkungen negativ aus.
Mangelt es an der klaren Zuständigkeit?
Das auch, außerdem ist das Lobbying von anderen einfach besser. Man müsste mehr Bewusstsein schaffen, wie wichtig Start-ups sind. Aber das ist ein Prozess, der langfristig läuft. Es wandern viele Gründer ab, was heute ein Problem ist. Die Mehrzahl der Investments in Start-ups kommt nicht aus Österreich selbst, sondern von internationalen Investoren, vor allem aus den USA.
Sie fordern, Start-up-Investments für Privatpersonen leichter zugänglich zu machen. Wie soll das funktionieren?
Es sollte vor allem Steuererleichterungen geben: Teile des Investments sollten steuerfrei absetzbar sein. So wie das in Großbritannien möglich ist, das ist ein ganz erheblicher Grund, wieso es dort die meisten Investments in Risikokapital auf europäischer Ebene gibt. In Österreich gab es vor einigen Jahren auch eine Förderung für Start-up-Investoren, dann wurde das Programm still und leise beendet.
Gibt es genug Privatpersonen, die investieren würden?
Die meisten sind sicherlich vorsichtig, aber durch professionelle Wissensvermittlung kann man sie dem ersten Start-up-Investment näherbringen. Man muss einfach mal mit kleineren Beträgen in den Bereich hineinschnuppern.
Welche Bereiche der Start-up-Szene in Österreich haben großes Potenzial?
Die Kryptoszene hat sich in Österreich sehr gut entwickelt. Und ganz generell sind FinTechs, aber auch HealthTechs gefragt. Da haben wir in Österreich sehr gute Möglichkeiten. Auch Nachhaltigkeit liegt stark im Trend. Investitionen in Umwelttechnologien sind jetzt wichtig, auch in dieser Hinsicht bietet Österreich Potenzial – Stichwort Wasserkraft.
Bei Start-ups werden oft nur jene beachtet, die am lautesten schreien. Wie wählt man als Investor die besten aus?
Ein unerfahrener Investor lässt sich von einer guten Story und der Euphorie des Gründerteams leicht mitreißen und beindrucken. Doch ein erfahrener Investor schaut sich viele weitere Faktoren an, etwa die Teamkonstellation, das Alleinstellungsmerkmal oder den Finanzplan und das Geschäftsmodell. In Ideen kann man rasch mal investieren, doch die Kunst ist es, tiefer in die Materie einzutauchen.
Bei Investoren und Gründern hört man oft Klagen über die hohen Lohnnebenkosten in Österreich. Andererseits wird gerne auf die hohe Lebensqualität in Österreich verwiesen und man nutzt auch die Absicherung. Wie passt das zusammen?
Es ist ein gewisser Spagat. Hohe Lohnnebenkosten sind für Start-ups sicherlich schädlich – sie sind hinderlich, um rasch ein Team aufzubauen. Daher brauchen die Gründer ja viel Geld von Investoren. Der Standort an sich ist heute gar nicht mehr so im Fokus, man kann beispielsweise Entwickler an anderen Orten einsetzen. Viel wichtiger ist aber, welches Ökosystem ich als Gründer vorfinde. Wenn es in Berlin hundert Risikokapitalgeber gibt, in Wien aber nur zehn, dann ist klar, wohin ich gehe.
Zur Person
Markus Kainz ist Gründer von primeCrowd, einem Investorennetzwerk. „Unsere Mission ist es, in den nächsten Jahren die wichtigste Anlaufstelle für Investoren zu sein, die in Europa in Start-ups investieren möchten“, sagt er. In den vergangenen fünf Jahren wurde in 35 Start-ups investiert.