"Man muss viele Menschen treffen und weite Wege zurücklegen, um eine Idee von Tokio zu bekommen."

Tokio: Im Herzen der Welt

Tokio: Im Herzen der Welt

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Über 35 Millionen Menschen leben in dem Großraum Tokio, der größten Agglomeration von Individuen, Gebäuden, Verkehrswegen, Fahrzeugen, die jemals existierte. Tokio ist ein unfassbarer Ort, in seiner geballten Form ein urbanes Schockerlebnis. Es ist einfach, in dem von Wien aus gesehen elf Flugstunden und 10.000 Kilometer Luftlinie entfernt gelegenen Inselstaat einen Sammelpunkt des Fremden und Eigentümlichen zu sehen: Tokio mag nah sein, Tokio ist unerreichbar. Es ist zu einfach. "Eine der beiden mächtigsten Städte der Welt ist um einen undurchsichtigen Ring aus Mauern, Wassergräben, Dächern und Bäumen angelegt, dessen eigentliches Zentrum nicht mehr als eine flüchtige Idee ist", notierte Roland Barthes 1970 über den kaiserlichen Palast in der geografischen Mitte Tokios.

Wer sich in der Öffentlichkeit schnäuzt, geht ein Wagnis ein, nahe am Tabubruch.

Es lassen sich Splitter dieser Stadt sammeln, Eindrücke, Fragmente, die sich mit etwas Glück zu einem Bild fügen. Man muss viele Menschen treffen und weite Wege zurücklegen, um eine Idee von Tokio zu bekommen. Man betritt das Terrain des Spurenlesens. Die Fährtensuche führt zu Verkehrskreuzungen und auf den höchsten Fernsehturm der Welt; in das Rathaus und in beengte Seminarräume. Schließlich in das von Tokio fünf Stunden Zugfahrt entfernte Hiroshima. Aus eurozentrischer Sicht ist Japan eine Inselgruppe am Rand der Erdkugel. Im fernen Osten liegt Tokio im Herzen der Welt.

Wolfgang Paterno

Wolfgang Paterno

ist seit 2005 profil-Redakteur.