Wie man mit Geld umgeht: Dienstleistungsfeld "Finanz-Coaching" boomt

Wer mit seinem Geld nicht zurande kommt, steht sich oft selbst im Weg - was seit der Finanzkrise angeblich immer öfter vorkommt. Der Beraterbranche eröffnet dies ein neues Feld: Geldcoaching.

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Die ersten zweieinhalb Jahre lief alles bestens. Monika Zeilbauers Installationsunternehmen "Der Wärmepumpenprofi GmbH“ in der oberösterreichischen Gemeinde Asten hatte die Startphase nach der Gründung vorbildlich gemeistert, stand wirtschaftlich auf scheinbar sicherem Fundament. Doch dann begann das Geschäft zu stocken: neue Aufträge blieben aus, ein paar Kunden hohe Forderungen schuldig. "Es ging plötzlich nur noch ums Geld“, erinnert sich Zeilbauer. Die Angst, dass es sich nicht ausgehen wird, dass das Unternehmen scheitern könnte, saß der Geschäftsführerin im Nacken. Just in dieser angespannten Situation kam ein Angebot zur Teilnahme an einem Geld-Coaching-Seminar per E-Mail hereingeflattert. "Ich habe nicht lange darüber nachgedacht, ich habe gebucht“, erinnert sich Zeilbauer.

Veranstalter war Geld- & Wertcoaching, ein Beratungsunternehmen mit Zentren in Wien und im burgenländischen Welgersdorf. Der Mann dahinter ist Gerald Florian, der zu den Etablierten in der deutschsprachigen Geldcoaching-Szene zählt, zumal er eine Methode entwickelt hat, die er in Lizenz an von ihm ausgebildete Trainer vergibt. Gerald Florian betreibt das Geschäft gemeinsam mit seiner Ehefrau Verena, beide waren einst in der Vermögensverwaltung tätig. "Die Idee zum Geldcoaching entstand, weil wir erkannt hatten, dass man die Geldprobleme der Kunden nicht dadurch löst, indem man ihnen Finanzprodukte verkauft“, sagt Verena Florian, die Kommunikationsexpertin im Unternehmen.

"Weg zur finanziellen Freiheit"

In Österreich hat Finanz-Coaching noch eine relativ junge Geschichte. Das Beratungsgeschäft gegen "Geld-Störungen“ entstand unmittelbar nach 2008, dem Jahr, in dem die Finanzkrise ausbrach. In Deutschland etablierte sich dieses Leistungsfeld bereits um die Jahrtausendwende. Einer der gefragtesten Money-Coaches ist dort Bodo Schäfer, der auch das erfolgreichste Finanzbuch der Welt geschrieben hat: Sein "Weg zur finanziellen Freiheit“ wurde über zehn Millionen Mal verkauft. Wohlstand ist auch eine der Säulen für ein erfolgreiches Leben, die der Motivationsguru Jürgen Höller aufgestellt hat. Die beide Menschentrainer genießen Popstar-Status und locken mit ihrem Versprechen, den Weg zur finanziellen Unabhängigkeit zu verraten, massenweise Publikum an. Ihre Auftritte erinnern an jene amerikanischer Star-Prediger und füllen folglich Hallen.

Die Realität des Beratungsalltags mit Geld-Gestressten stellt sich allerdings deutlich nüchterner dar. Zumal es in der Praxis vor allem darum geht, den Klienten eine gesunde Beziehung zum Geld zu vermitteln. "Um ein System zu ändern, muss man verstehen, wie es entstanden ist“, weiß Geld-Coach Ursula Scarimbolo, die in Wien tätig ist.

Und das erfordert Zeitaufwand. Zunächst war Unternehmerin Zeilbauer daher ein wenig enttäuscht, als es in Gerald Florians Seminarraum um Selbstvertrauen, um Werte, um alles Mögliche ging - nur nicht um Geld. Die vermittelten Inhalte mussten erst sickern, bis sich ihr ein Zusammenhang zwischen dem, was sie dort hörte, und ihrer persönlichen Situation erschloss, und sie entschied, fortführend ein Einzel-Coaching zu absolvieren. "Es brauchte ein paar Termine, dann stellte sich das Selbstvertrauen tatsächlich wieder ein“, so Zeilbauer - "als ob jemand einen Schalter umgelegt hätte.“

Im Coaching-Prozess wird nach den Quellen der finanziellen Nöte gesucht und nach oftmals unbewussten Prägungen gegraben (profil 32/2014 berichtete, wie Kindheit und psychische Entwicklung in Geldangelegenheiten prägen). Um in tiefere Ebenen vorzudringen, greifen die Geld-Trainer gerne in die Trickkiste der Psychologie. Da werden etwa mit Holzbauklötzen monetäre Kreisläufe und sich darum rankende Beziehungsmuster nachgestellt. So bemerkte zum Beispiel einer von Florians Klienten, der den Familienbetrieb vom Vater übernommen hatte, dass er die unglückliche Art, wie seine Eltern wirtschafteten, einfach unbewusst fortführte. Diese funktionierte folgendermaßen: Man ging zur Bank, um einen Auftrag vorzufinanzieren. Das Hauptziel des Unternehmens bestand somit darin, raschest möglich die Finanzlücke gegenüber der Bank wieder zu schließen. Erst als der Gecoachte nicht mehr die Bank, sondern seine Kunden ins Zentrum seiner beruflichen Aktivitäten stellte, wurde der Teufelskreis durchbrochen.

"Wie ein Knäuel, das entwirrt werden muss"

Ursula Scarimbolo wiederum kombiniert gleich mehrere Methoden und arbeitet unter anderem mit therapeutischen Karten. Auch ihre Vorgehensweise zielt darauf ab, internalisierte Handlungsmuster in Geldangelegenheiten zutage zu fördern. Die abstrakten Bilder auf den Karten laden dazu ein, frei zu assoziieren, zu reflektieren und Lösungsansätze zu entwickeln. "Es ist wie ein Knäuel, das entwirrt werden muss“, sagt Scarimbolo.

Wer sich zum Geld-Coaching durchringt, muss also bereit sein, nicht nur ohne zu schummeln seine Kontoauszüge zu durchforsten, sondern auch eine unfrisierte Bilanz seines Innersten zu erstellen. Schließlich werden bei einer professionell begleiteten Sitzung Werte abgeklopft. Außerdem überprüft man unter fachkundiger Führung, wie es um den Selbstwert bestellt ist - und zwar um jenen, der nicht mit Statussymbolen aufgepeppt ist und bloß dem äußeren Erscheinungsbild dient.

Große Autos und teure Klamotten fallen tendenziell in die zuletzt genannte Kategorie. Oft kommen geschlechtsspezifische Verhaltensmuster ins Spiel, die - auch nicht selten - durch eine allzu konventionelle Erziehung noch verstärkt wurden. "Viele Frauen haben Selbstfürsorge nie gelernt“, beobachtet etwa Scarimbolo. Diese würden sich verbissen im Verzicht üben oder mit dem Armsein kokettieren und sich damit nichts Gutes tun.

Geld als Projektionsfläche für andere Probleme

Selten geht es bei diesen Gesprächen um gewaltige Summen, wie die Coaches einhellig verraten. Denn es muss nicht immer das große Geld sein, damit der Mensch sich wirtschaftlich wohlfühlt. "Ab einem Nettogehalt von 5000 Euro pro Monat steigert sich das persönliche Glücksgefühl nicht mehr“, fand etwa der deutsche Betriebswirt Karlheinz Ruckriegel heraus, Autor von Büchern wie "Gesundes Führen mit Erkenntnissen der Glücksforschung“ oder "Menschen im Glück: Glücksanthologie“. Auch in Florians Praxis sind selten Millionen im Spiel: "Manchen genügen 800 Euro im Monat und es fehlt ihnen an nichts, andere haben Existenzängste, sobald weniger als 10.000 Euro zur Verfügung stehen“, berichtet er. Allerdings dient Geld als Projektionsfläche für viele andere Problemlagen. So kommt es, dass auch wohlhabende Menschen Geldnöte quälen, die sie zum Berater führen. "Oft plagen sie diffuse Ängste, Erworbenes wieder zu verlieren und mit weniger auskommen zu müssen“, so der Coach.

Das Mantra, das allen Geld-Coaching-Ansätzen zugrunde liegt, lautet: Kapital ist im Fluss. Dass dieser Fluss erst durch die verkrampfte Beziehung des Menschen zum Geld massiv gestört werden kann, ist die zweite Grundannahme. Also alles nur eine Frage der Einstellung? Das klingt nach esoterischem Hokuspokus. Tatsächlich ist die Erfahrungsgeschichte hinter einem Geldproblem oft ein klassisches Beispiel einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. Nach Definition des österreichischen Psychotherapeuten Paul Watzlawick handelt es sich dabei um eine Voraussage, die rein aus der Tatsache heraus, dass sie gemacht wurde, zur Wirklichkeit wird und damit ihre eigene Richtigkeit bestätigt. Wer also den Teufel an die Wand malt und davon ausgeht, dass es sich finanziell ohnehin nie ausgehen wird, bei dem wird es sich demnach auch nicht ausgehen. Wem als Kind eingeredet wurde, dass Geld den Charakter verdirbt, ist darauf programmiert, später im Berufsleben etwa in Gehaltsverhandlungen zu versagen.

Finanzprodukte bekommen die Klienten von ihren Coaches nicht angedreht. Es werden ihnen auch keine Reichtümer in Aussicht gestellt. Und sie lernen auch nicht die goldenen Regeln einer positiven Budgeterstellung. Vom Coaching-Honorar einmal abgesehen, das im Regelfall zwischen 80 und 110 Euro pro Einheit beträgt, werden bei den Sitzungen keinerlei Geldsummen genannt, schließlich geht es nicht um Zahlenspiele. Das Ziel ist, den Ratsuchenden einen entspannten Umgang mit Geld zu vermitteln. Finanzielle Freiheit ist demnach nicht gleichbedeutend mit einem dicken Konto, sondern mit einer möglichst stressfreien Beziehung zum Geld. Und weil dafür mit tief sitzenden Gewohnheiten gebrochen und das Verhalten geändert werden muss, dauert das Umdenktraining zumindest sechs Monate. Denn man muss kein ausgebildeter Coach wie Ursula Scarimbolo sein, um zu wissen: Gewohnheit ist ein Hund.