Ratternde Öfen und warme Kühlschränke: Unterwegs mit dem Energiesparberater
Die junge Frau kann es immer noch nicht ganz glauben. „Wie viel müssen wir für den Kühlschrank und den Herd bezahlen?“, fragt sie. „Nichts“, antwortet Wolfgang Studeny, Energiesparberater der Caritas. „Und die Montage, was kostet die?“, hakt die Frau nach. „Auch das übernimmt der Staat. Für Sie fallen keine Kosten an“, erklärt Studeny den kostenlosen Gerätetausch. Die Rechnung, die in den nächsten Wochen im Postkasten landen wird, solle sie „bitte nicht zahlen“, betont er. Sie sei nur für die Garantie.
Wer von der GIS befreit ist, einen Heizkostenzuschuss des Landes erhält beziehungsweise Sozialhilfe, Ausgleichszulage oder Wohnbeihilfe bezieht, hat seit Ende Februar einen Anspruch auf eine kostenlose Energieberatung. Bei Bedarf ersetzt das Klimaschutzministerium pro Haushalt bis zu zwei alte, energiefressende Elektrogroßgeräte wie Waschmaschinen, Kühlschränke oder Backöfen durch neue Modelle. „Das spart Energie, senkt den Energieverbrauch im Haushalt langfristig, schont die Geldbörse und ist gut für das Klima“, ist Klimaministerin Leonore Gewessler (Grüne) überzeugt. Bis 2026 stehen jährlich 30 Millionen Euro zur Verfügung.
Um Energiesparberatung ansuchen
Termine für die Erstberatung können auf der Website der Caritas gebucht werden: caritas.at/energiesparberatung
Abgewickelt wird die Beratung über Caritas und Volkshilfe, die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter zu Energieberaterinnen und -beratern umschulen ließen. Die Hilfsorganisationen sind für viele armutsgefährdete Personen ohnehin die erste Anlaufstelle. Und die Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter wissen, wie man Menschen in Notsituationen hilft. Doch wer nimmt das Angebot an? Wie wird Missbrauch verhindert? Und welche Energiespar-Tipps kann man sich abschauen? Auf der Suche nach Antworten begleitet profil einen Energiesparberater durch das Waldviertel.
Warme Kühlschränke
Wolfgang Studeny beginnt seinen Arbeitstag um halb acht in der Früh. Der Energiesparberater der Caritas ist neben dem Waldviertel auch für Krems, Tulln, St. Pölten Land und den Norden Melks zuständig. Er muss den Tag gut planen, um in seinem schwarzen VW Polo von einer Kundin zur nächsten zu kommen. Am häufigsten treffe er auf Mindestpensionistinnen, sagt der gelernte Elektriker. Die Frauen haben ihr Leben lang gearbeitet, oft unbezahlt etwa in Form von Care-Arbeit, und wissen heute nicht mehr, wie sie die Stromrechnung bezahlen sollen. Von einem neuen Elektrogerät ganz zu schweigen.
„Der älteste Kühlschrank, den ich getauscht habe, war 48 Jahre alt“, sagt Studeny. Bei einer anderen Klientin habe sich die Kühlfunktion schon länger verabschiedet. „Die Dame hat den Kühlschrank nur noch als Schrank verwendet.“ Die 80-Jährige hatte darin Konserven, eingelegte Paprika und andere haltbare Lebensmittel gelagert.
Menschen, die arbeiten gehen und nie damit gerechnet hätten, zu einer Hilfsorganisation gehen zu müssen, fragen nun um Sozialberatung an.
Die Energiesparberatung nehmen auch in Wien besonders viele Mindestpensionistinnen und -pensionisten, armutsgefährdete Haushalte mit vielen Kindern und alleinerziehende Mütter an – aber nicht nur. „Die Teuerungskrise ist merkbar in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Menschen, die arbeiten gehen und nie damit gerechnet hätten, zu einer Hilfsorganisation gehen zu müssen, fragen nun um Sozialberatung an“, sagt Martin Binder-Blumenthal, Kommunikationsleiter der Volkshilfe Wien. Jeden Dienstag gibt die Hilfsorganisation Lebensmittelpakete aus. Durch die Teuerung wurde die Nachfrage so groß, dass Menschen teils hungrig heimgeschickt werden mussten.
Durch die Decke geheizt
Eine alleinerziehende Mutter in einer 4000-Einwohner-Gemeinde im Bezirk Gmünd ist Studenys erste Kundin an diesem Tag. Sie muss 515 Euro Gaskosten nachzahlen, doch der Schwangeren stehen im Monat rund 1100 Euro Einkommen zur Verfügung. Nach einem Blick auf die Energierechnung kontaktierte ihr Sozialberater seinen Kollegen der Energieberatung.
Schon beim Hineingehen sieht Studeny einen Grund für die exorbitant hohe Stromrechnung der Frau: Ein kleiner Heizstrahler steht in der Mitte der Dachgeschosswohnung. Der laufe oft, bestätigt die Mieterin: „Die Gasheizung kannst du vergessen im Winter. Die packt es nicht.“ Ihre Wohnung werde „ein Eiskasten“, sie sitze dann mit zwei oder drei Pullovern in der Kälte.
Auch müsse sie die Therme immer wieder auffüllen – wohl, weil die Heizung undicht sei, vermutet der Energiesparberater: „Da zahlen Sie doppelt: Die Wärme vom Gas kommt nicht in die Heizkörper, und dann müssen Sie mit Strom zuheizen.“ Dass der Heizstrahler in der Mitte des Raumes steht, sei ebenfalls ungünstig, erklärt Studeny: Heizkörper seien bewusst unter Fenstern montiert, um die eindringende kalte Luft direkt aufzuheizen und für einen warmen Luftstrom im Raum zu sorgen.
Die Gasheizung kannst du vergessen im Winter. Die packt es nicht.
Studeny ist selbst seit mehr als 20 Jahren Sozialarbeiter bei der Caritas Niederösterreich. Jetzt zählt er Leuchtkörper: Acht alte Glühbirnen sind in den Lampen der Dachgeschosswohnung seiner schwangeren Kundin verschraubt. Sie zu zählen, ist Teil des Standardprotokolls jeder Energieberatung, erklärt Studeny, denn: „LED-Leuchten können bis zu 80 Prozent des Stroms sparen.“ Sie solle die Birnen bei Möglichkeit tauschen, empfiehlt er seiner Klientin, das koste aber. „Ich sitz eh lieber im Dunkeln“, antwortet diese. In der Wohnecke neben ihr sitzt ihre beste Freundin und nickt zustimmend.
Strom sparen, Geld sparen
„Wir helfen zam“, sagen die beiden alleinerziehenden Frauen: Seit die Waschmaschine der Kundin defekt ist, wird in der Wohnung der Freundin gewaschen. Studeny inspiziert das Badezimmer. Die Waschmaschine ist ein gebraucht gekauftes Billiggerät, alt und pumpt nicht mehr ab. Ein klarer Fall für den kostenlosen Gerätetausch. Das Sparprogramm des neuen Geräts wird mehr Wäsche in einem Durchgang säubern – und so zusätzlich Strom sparen.
Ein Waschtrockner würde dafür sorgen, dass der Heizstrahler seltener laufen würde, meint die Klientin: Die nasse Kleidung hängt derzeit meist über dem Heizstrahler. Auch deshalb steht er in der Raummitte. „Ein Trockner braucht Strom. Lufttrocknen nicht“, hält Studeny entgegen. Die beiden einigen sich auf eine neue Waschmaschine ohne Trockner-Funktion. „Ich wusste gar nichts vom Gerätetausch“, gibt die Klientin zu: „Damit ist mir wirklich viel geholfen. Weil finanziell ist es bei mir grad wirklich scheiße.“
Mit der neuen Waschmaschine ist mir wirklich viel geholfen. Weil finanziell ist es bei mir grad wirklich scheiße.
Geliefert werden die neuen Geräte in vier bis acht Wochen durch den Elektrofachhändler „Electronic Partner“ (EP). Welche Filiale den Tausch übernimmt, weiß Studeny oft erst bei der Bestellung. Die Aktion ist so aufgesetzt, dass die Firma nie mehr als 25 Minuten Anfahrtszeit hat. Zu seinem nächsten Klienten, Manfred Trisko, wird wohl derselbe EP-Händler liefern. Der 79-Jährige lebt wenige Minuten entfernt in einer 36 Quadratmeter kleinen Mietwohnung. Eine Freundin der Familie empfängt den Energiesparberater schon vor der Haustür. Die junge Frau ist Pflegerin, in ihrer Freizeit kümmert sie sich gemeinsam mit seiner Schwägerin um Herrn Trisko.
Lokalmatador mit helfenden Händen
Das Haus ist alt, schon Triskos Großmutter hat hier gelebt. Baujahr vor 1919 notiert Studeny. Eine frühere Kategorie gibt es in den Unterlagen der Caritas nicht. Obwohl der Regen aufgehört hat und die Sonne einen warmen Herbsttag ankündigt, ist es kühl in der Erdgeschosswohnung. 290 Miete zahlt Trisko im Monat, Gas ist inkludiert. Dazu kommen rund 40 Euro Strom monatlich, extra höher angesetzt, um nicht nachzahlen zu müssen. Der Blickfänger im kleinen Wohnzimmer ist ein unter der Last von zahllosen Pokalen ächzendes Holzregal.
Manfred „Fuzzy“ Trisko war Speedway-Rennfahrer – ein Lokalmatador, wie ein ausgestellter Artikel der „Niederösterreichischen Nachrichten“ beweist. Seit seiner Geburt lebt der Pensionist in dem kleinen Haus, bis vor Kurzem aber eine Tür weiter in einer Wohnung mit Klo am Gang. Seine neuen vier Wände haben eine Toilette hinter einem Badevorhang aber weder Internet noch Telefon, nur einen kleinen Fernseher, vor dem eine Sammelbox der „Tatort“-Folgen mit Kommissar Schimanski liegt. Die spärliche Deckenbeleuchtung würde keine großen Kosten verursachen, sind sich die Damen sicher: „Der Herr Trisko sitzt gern im Finstern. In der Nacht leuchtet meist nur der Fernseher.“
Getauschte Geräte
Nicht alle, die um die Förderung ansuchen, erhalten sie auch. Seit dem Start der Aktion Ende Februar wurden laut Klimaschutzministerium mehr als 3000 Erstberatungen durchgeführt. Dafür müssen sich Betroffene bei der örtlichen Beratungsstelle von Caritas oder Volkshilfe melden und zum Ersttermin Ausweis, Meldezettel sowie einen Nachweis über GIS-Befreiung, Heizkostenzuschuss, Sozialhilfe, Ausgleichzulage oder Wohnbeihilfe liefern.
Somit wird direkt überprüft, ob ein Anspruch besteht. Meist ist das der Fall: Bis 9. Oktober wurden über 2100 Energiesparberatungen durchgeführt – und fast 1800 Geräte getauscht. Je ein Viertel der neuen Geräte waren Waschmaschinen und Kühlschränke, jedes sechste ein E-Herd mit Backofen und elf Prozent reine Gefrierschränke. Am seltensten werden Geschirrspüler (acht Prozent) gewechselt. Ob ein Tausch notwendig ist, entscheiden der Energieberater oder die Energieberaterin vor Ort.
Getauscht werden kann nur, was schon in der Wohnung steht, und eine Waschmaschine hat Trisko nicht. „Ich will kein Schmarotzer sein“, sagt die Freundin der Familie, aber: „Man kann bis zu zwei Geräte tauschen?“, fragt sie mit Blick auf Kühlschrank und Backrohr. Studeny nickt und inspiziert die Geräte. Der Kühlschrank ist mindestens 30 Jahre alt, klein und ohne Gefrierfach. Sie koche bei sich zu Hause für Herrn Trisko mit, erklärt die junge Frau: „Hätte er einen größeren Kühlschrank, müsste ich sein Essen nicht bei mir kühlen.“ Sehr viel Platz ist in der kleinen Wohnung nicht, doch Studeny findet ein passendes Modell – sogar mit Gefrierfach.
Wir müssten alles zusammenkratzen, um irgendwie einen neuen Kühlschrank anzuschaffen.
Auch Herd und Backrohr haben ihre besten Jahre hinter sich. Triskos Schwägerin dreht das Gerät auf. Es beginnt zu rattern – und hört nicht mehr auf. „Da glaubst du, ein Flieger startet“, sagt sie. Studeny schüttelt den Kopf und misst das Gerät ab. Es wird ein Einbauset von AEG – mit Touchscreen und Induktionsplatte. „Etwas anderes haben wir nicht“, sagt Studeny. Nachdem sie sich versichert haben, dass Herrn Trisko keine Kosten anfallen, ist den beiden Frauen die Erleichterung ins Gesicht geschrieben: „Wir hätten sonst alles zusammenkratzen müssen, um irgendwie einen neuen Kühlschrank anzuschaffen.“ Ein neuer Herd wäre unleistbar gewesen.
Problem erkennen und lösen
Über die Aktion hatte Triskos Schwägerin zufällig online gelesen. Wie die meisten Haushalte, die Studeny aktuell besucht, wurde Triskos Antrag bereits im Frühjahr gestellt. „Ich habe am Anfang gar nicht gewusst, wo ich anfangen soll“, sagt Energiesparberater Studeny. Erst jetzt, fast ein halbes Jahr später, findet er Zeit, die Energieberatung breiter zu bewerben. Er stellt sich beim Psychosozialen Dienst (PSD) und bei Heimhilfen vor – und sucht bei den Bürgermeister-Konferenzen der einzelnen Bezirke nach Aufmerksamkeit. Schon jetzt erreiche er als Energieberater Personen, die sonst keinen Kontakt mit der Caritas hätten, sagt Studeny: „Der kostenlose Gerätetausch ist dafür sicher ein Anreiz.“
Auch in Wien melden sich durch die Aktion viele Menschen erstmals bei Caritas und Volkshilfe. „Das niederschwellige Angebot hilft, auf Probleme rechtzeitig aufmerksam zu werden“, sagt Binder-Blumenthal von der Volkshilfe Wien: „Wenn sich eine Person zum Beispiel wegen des kaputten Kühlschranks meldet, und man merkt im Gespräch, dass sie auch Probleme hat, die Rechnung zu zahlen, kann man dort ansetzen.“ Durch diesen ganzheitlichen Zugang könne man etwa Delogierungen verhindern.
Studeny muss weiter zur nächsten Klientin. „Man sieht schon, dass Sie das gerne machen“, sagt Triskos Schwägerin zum Abschied. Das stimmt: Vor Jahrzehnten hat der gebürtige Wiener bei einer Spedition gearbeitet. Immer wieder ist er dabei auch für den Exekutor durch die Hauptstadt gefahren und hat Fernseher, Radios und sonstige Wertgegenstände gegen den Willen der Bewohner in den Lastwagen gepackt. „Eigentlich wollte ich Menschen nicht ihr Hab und Gut wegnehmen, sondern ihnen dabei helfen, es behalten zu können“, sagt er heute.
Der damals junge Vater entschloss sich, Soziale Arbeit zu studieren und fing bei der Caritas an. „Heute bringe ich sogar neue Geräte. Manchmal fühle ich mich wie der Weihnachtsmann.“