Homepage von Elfriede Jelinek, Screenshot vom 7. November 2023
Nahost-Konflikt

Elfriede Jelinek: Das bittere Schweigen der Literaturnobelpreisträgerin

Auf ihrer Homepage reagiert Elfriede Jelineks seit Jahren mit Texten auf aktuelle politische, soziale und ökonomische Schieflagen. Seit der Terrorattacke der Hamas ist auf elfriedejelinek.com nur mehr ein einziger Text zu finden.

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Die Petition der IG Autorinnen Autoren vom 10. Oktober trägt – neben den Namen von Doron Rabinovici, Gerhard Ruiss, Michael Köhlmeier, Doris Knecht, Maja Haderlap, Sabine Gruber – auch ihre Unterschrift. Zitat aus der Mitteilung: „Die Massaker der Hamas an der israelischen Bevölkerung sind Terrorakte, die mit keinen anderen bisherigen Terrorakten zu vergleichen sind, sie sind Kriegsverbrechen, für die die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden müssen.“ Niemand sei berechtigt, Israel das Existenzrecht abzusprechen, Israel und seine Bevölkerung aus diesem Grund anzugreifen, solche Angriffe zu unterstützen oder gutzuheißen.

 

Jelinek hat zudem den am gestrigen Montag veröffentlichten Appell von rund 180 österreichischen Autorinnen und Autoren unterzeichnet, der anlässlich des Brandanschlags auf die Jüdische Zeremonienhalle am Wiener Zentralfriedhof zur konsequenten Bekämpfung antisemitischer Handlungen in Österreich aufruft.

 

Ein überaus eindrückliches Zeichen sendet die Literaturnobelpreisträger aus dem Jahr 2004 nun auf ihrer Homepage aus: Seit Jahren reagiert die Autorin auf ihrer Site elfriedejelinek.com mit aktuellen Texte und Anklagen auf ökonomische, soziale und politische Schieflagen – und veröffentlichte hier auch ihren ausgedruckt über 900 DIN A4-Seiten umfassenden „Privatroman“ mit dem Titel „Neid“. elfriedejelinek.com war gleichermaßen das Archiv und die öffentliche Plattform der Schriftstellerin. Infolge des mörderischen Großangriffs der Hamas ist auf elfriedejelinek.com nur mehr ein einziger, knapp 1.500 Wörter umfassender Text abrufbar, mit „Kein Einer und kein Andrer mehr“ überschrieben. Dazu der knappe Hinweis: „Sämtliche hier wiedergegebenen Texte sind urheberrechtlich geschützt und dürfen ohne ausdrückliche Erlaubnis in keiner Form wiedergegeben oder zitiert werden.“ Dieser eine Text, „Kein Einer und kein Andrer mehr“, ist ein schmerzhaftes Stück Trauer- und Verzweiflungsliteratur: über den Verlust der Humanität, über Fanatiker, die das menschliche Leben verachten und denen der Tod erstrebenswert scheint, über ein Massensterben, das Assoziationen zum Dreißigjährigen Krieg aufruft. Es gehe, schreibt Jelinek, um die Vernichtung des Anderen, um das Ende der Zivilisation.

Wolfgang Paterno

Wolfgang Paterno

ist seit 2005 profil-Redakteur.