Wie Steve Bannon die EU zerstören will
Die Revolution beginnt hinter adrett gestutzten Hecken. Dort steht die zweistöckige Villa, grüner Rasen, roter Backstein, weiße Fensterrahmen. Im Garten führen breite Stufen zum Swimmingpool hinab, dichte Baumreihen schirmen unliebsame Blicke ab. Hier wird ein Plan ausgeheckt, vor dem sich die globale Elite fürchten soll. An der Avenue de Houx, Nummer 42, in einer der reichsten Gegenden am Rande der belgischen Hauptstadt Brüssel, ist seit dem 9. Jänner 2017 eine Stiftung registriert. Sie trägt den Namen „The Movement – Le Mouvement“, die Bewegung. Laut Stiftungsurkunde will sie so einiges befördern: den Rechtsstaat, die freien Unternehmer, „die Souveränität der Nationen“, Grenzschutz, Volksabstimmungen, „den Kampf gegen den radikalen Islam“, einen „undogmatischen Zugang zu Klimaphänomenen“ und „die Verteidigung Israels“.
Bald soll vom Haus Nummer 42 in der Avenue de Houx auch noch ein weiteres Projekt vorangetrieben werden: die Zerstörung der EU. Hinter den akkuraten Hecken und dem Backstein wohnt der belgische Anwalt Mischaël Modrikamen. Der 52-Jährige hat sich mit einem Mann zusammengetan, der lange im Ruf stand, die rechtspopulistische Revolution in den USA verantwortet zu haben: Steve Bannon, früher Investmentbanker, wenig erfolgreicher Filmemacher, Ex-Chefredakteur des Online-Portals „Breitbart“.
„Das ist ein Krieg“
Als Modrikamen im Jänner 2017 für 2500 Euro die Stiftung an seiner Wohnadresse registrieren ließ, arbeitete Bannon noch im Weißen Haus. Er beriet US-Präsident Donald Trump, der ihn aber nur ein halbes Jahr später feuerte. Auf der Suche nach Aufgaben tourte Bannon durch Europa und trat dabei als Redner bei den Rechten des alten Kontinents auf. Bei einer dieser Reisen empfing Bannon vor einem Monat im Londoner Nobelhotel Mayfair auch rechte Politiker. Einer von ihnen war Mischaël Modrikamen.
Sie hätten sich sofort verstanden, sagt Modrikamen heute. „The Movement“ wird deswegen bei den EU-Parlamentswahlen im kommenden Mai mitmischen. Zehn bis 25 Mitarbeiter sollen europäische Rechtspopulisten koordinieren, anleiten und mit Informationen versorgen. „Das ist ein Krieg“, sagte Bannon in einem Interview mit dem britischen Digitalradio LBC. „Er möchte die EU auseinandernehmen, zerstören und begraben“, schrieb daraufhin die britische Zeitung „Financial Times“.
Drehscheibe Nigel Farage
Wie das genau gehen soll und wer ihn dabei unterstützen wird, ist noch unklar. Die bislang bekannten Namen des Bannon-Projekts stammen alle aus dem Umfeld des britischen EU-Parlamentariers, Trump-Fans und Brexit-Kampagnisierers Nigel Farage: Er war es, der Bannon und Modrikamen zusammenbrachte. Der belgische Anwalt arbeitete für Farages’ Partei Ukip – weswegen die Polizei im Zuge einer Ermittlung um Parteifinanzierungsverstöße von Ukip im November auch seine Büros durchsuchte (es gilt die Unschuldsvermutung). Neben Modrikamens Frau scheint im Vorstand von „The Movement“ Laure Ferrari auf: Die 38-jährige Französin lernte Farage im Jahr 2007 im EU-Parlamentssitz Straßburg kennen. Sie kellnerte, der Ukip-Chef unterhielt sich mit ihr und stellte sie kurzerhand ein. Die britische Presse arbeitete sich immer wieder an Gerüchten ab, die beiden hätten eine Liebesbeziehung – Farage dementierte stets.
Dazu kommt Raheem Kassam, ein langjähriger Mitarbeiter Farages und bis Mai Chefredakteur des London-Ablegers von „Breitbart“. Er ist eine schillernde Figur der Rechtsaußen-Subkultur: Der meist mit Seidenschals und Stecktuch ausstaffierte Brite wuchs in einem muslimischen Haushalt auf und ist Sohn indischstämmiger Einwanderer aus Tansania. Erst engagierte er sich bei den konservativen Tories, dann trat er Ukip bei, wo er sich im Jahr 2016 um den Vorsitz bewarb. Nach mehreren verbalen Ausfällen zog er seine Kandidatur zurück, blieb aber rechts gut vernetzt: Kassam spricht regelmäßig auf Tagungen von US-Konservativen und sitzt im „akademischen Beirat“ eines Institutes im französischen Lyon, das Marine Le Pens Nichte Marion Maréchal-Le Pen leitet.
Identitären-Anführer Martin Sellner auch dabei
Dieses Jahr zeigte sich der Brite auch mit einem der bekanntesten rechtsextremen Aktivisten aus Österreich: Martin Sellner, Anführer der Identitären Bewegung (siehe hier). Sie traten gemeinsam in einem Video auf, Kassam stellte als „Breitbart“-London-Chef eine Rede des Niederösterreichers in ganzer Länge online, seinen Twitter-Account ziert das Foto einer Demonstration mit der Fahne der Identitären in der Mitte.
Dass Kassam sich nicht gerade bescheiden in einer führenden Rolle in Bannons Projekt wähnt, stellte er vor einem Monat in einem Interview mit einem rechten YouTuber klar: „Wir helfen europäischen Parteien, ihren Scheiß auf die Reihe zu kriegen“, sagte er auf die Frage, was er nun mache, nachdem er „Breitbart“ London verlassen habe: „Es gibt viele, die Wahlen gewinnen, aber nicht notwendigerweise wissen, wie man regiert.“
Harald Vilimsky: „Punktuelle Kooperation“
Bislang reagierten die angesprochenen Rechtspopulisten in Rom, Wien oder Budapest eher abwartend auf Bannon und seine sehr selbstbewussten Brexiteere. Einen Berater aus den USA brauche man nicht, er könne sich aber eine „punktuelle Kooperation“ vorstellen, sagte FPÖ-Europaparlamentarier Harald Vilimsky. Gegenüber dem Magazin „Politico“ sorgte sich Gerolf Annemans, EU-Parlamentarier für den belgischen Vlaams Belang, dass Bannons Projekt nur ein Weg sein könnte, um den aus dem EU-Parlament scheidenden Farage samt Entourage mit Jobs zu versorgen. „Dann wollen wir damit nichts zu tun haben“, so Annemans. Das Ganze wirke „schlecht organisiert“.
Unklar ist, wer Bannons Revolution in Brüssel finanzieren soll. Er arbeitet an einer „Kryptowährung für Populisten“. Mit dieser könnte er Geld sammeln. Theoretisch ließe sich damit aber auch verschleiern, wer für „The Movement“ die Rechnungen begleicht.