25 Jahre "Friends" – eine Würdigung
Gegen Ende des diesjährigen Sommerlochs berichtete das Branchenblatt "Variety" von einem unerhörten Prozess: Robert De Niro geht gerichtlich gegen seine ehemalige Assistentin vor. Klagesumme: sechs Millionen US-Dollar. Unter anderem, so De Niros Anwälte, habe die Beklagte während ihrer Arbeitszeit in nur vier Tagen 55 Folgen der TV-Serie "Friends" gestreamt. Man kann die Frau sehr gut verstehen. Vor genau 25 Jahren, am 22. September 1994, strahlte der US-Fernsehsender NBC die erste Folge seiner stilprägenden Sitcom aus - übrigens drei Tage nach der ersten Folge von "ER -Emergency Room".
20.000 Dollar pro Gag
Es war offenbar ein goldener TV-Herbst -und eindeutig eine andere Zeit. Fernsehserien hatten einen festen Sendeplatz, in der Regel einen pro Woche. Auf eine gute halbe Stunde "Friends" folgten also 335 halbe Stunden ohne "Friends". Das ging zehn Jahre und 236 Folgen lang gut. Inzwischen kann man sich ganze Staffeln am Stück ansehen, und weil das auch sehr viele Menschen machen, hat der neue Streaminganbieter HBO Max gerade 425 Millionen Dollar für die Rechte an "Friends" bezahlt (die deshalb mit Jahresende aus Netflix verschwinden werden). Geht man von einer durchschnittlichen Gagdichte von vier Pointen pro Minute und also insgesamt knapp 21.000 Witzen aus, macht das gut 20.000 Dollar pro Gag, was ein durchaus angemessener Preis ist.
Chandler, Phoebe, Joey, Monica, Ross und Rachel, sechs ziemlich eloquente, sehr gut aussehende, wahnsinnig egozentrische und auch leicht neurotische Mittzwanziger aus der bourgeoisen Bohème New Yorks, prägten den Zeitgeist der Jahrhundertwende. "Friends" diente als Blaupause für eine ganze Reihe von Lifestyle-Phänomenen: der Freundeskreis als zentrales Bezugssystem, der Coffeeshop als Lebensmittelpunkt, der Kreativjob als sinnstiftendes Element, die Beziehung als Work in Progress. Nur der unerschütterliche Optimismus, den "Friends" auch angesichts beruflicher Fehlschläge, sexuell übertragbarer Krankheiten oder untreuer Haustiere pflegte, ist der Welt ein bisschen abhanden gekommen. Aber das wird schon wieder.
Im Bild: Courteney Cox, Matthew Perry, Jennifer Aniston, David Schwimmer, Lisa Kudrow und Matt LeBlanc (v.li.) waren zehn Jahre lang "Friends".