Die Band Laibach zerlegt "The Sound of Music"
So gesittet geht es bei Rockkonzerten selten zu: Keiner tanzte mit, alle blieben brav sitzen. Die Frauen trugen Festtagskleider, die Männer ihre besten Anzüge. 2015 trat die Konzeptband Laibach, die sich selbst gern "Rammstein für Erwachsene" nennt, ausgerechnet in der hermetisch abgeriegelten Diktatur Nordkorea auf. Sie waren die erste westliche Musikgruppe, der dieses Kunststück gelang.
Die beiden Konzerte in Pjöngjang waren bizarre Höhepunkte einer Karriere, die 1980 in Slowenien begann. Laibachs provokanter Gebrauch politischer und religiöser Symbole, ihr obsessiver Einsatz von Versatzstücken der totalitären Ideologien des 20. Jahrhunderts sorgte vor allem in den Anfangsjahren für Verwirrung: Die einen sahen Kommunisten in ihnen, die anderen Faschisten. Teufelsaustreibung durch Überaffirmation wurde diese radikale Aneignung später treffend genannt. In ihren angriffslustigen Aussagen bleibt die Band bis heute eindeutig uneindeutig: "Wir sind so sehr Faschisten, wie Hitler ein Maler war." Einem breiteren Publikum bekannt wurden Laibach, indem sie Popkulturklassiker wie "Live is Life" von Opus 1987 martialisch aufluden. Mittlerweile gelten Laibach selbst als Monumente, genießen bereits zu Lebzeiten musealen Status - man ahnt, was einen auf ihren durchinszenierten Konzerten erwartet.
Auch deshalb überraschte die sanfte Version des Songs "The Hills Are Alive" aus dem Broadway-Hit "The Sound of Music" (1959) einigermaßen, die sie im Rahmen ihres Pjöngjang-Konzerts zum ersten Mal der Öffentlichkeit vorstellten. "Ich gehe in die Berge, wenn sich mein Herz einsam fühlt", heißt es in dem Lied. Im profil-Interview (siehe Print-Ausgabe) meinen Laibach dazu süffisant: "Das Herz ist eben ein sanftes und melancholisches Organ - besonders wenn es zu schlagen aufhört." Der 1965 uraufgeführte Filmversion mit Julie Andrews erzählte die Geschichte der singenden Trapp-Familie, die vor den Nazis nach Amerika fliehen musste, schließlich einem globalen Publikum. Er zeigte langfristig Wirkung: In Salzburg werden heute an jeder Ecke Touren zu den Originalschauplätzen angeboten, in vielen Ländern wird der Film als Lernhilfe im Deutschunterricht verwendet. Laibach spielten schon länger mit dem Gedanken, das Musical in ihr Universum einzugliedern. Ihr neues Album, das demnächst erscheinen soll, ist stark mit "The Sound of Music" verbunden, erzählen die Musiker: "Es wird den Menschen von Österreich gewidmet sein." Im Rahmen des Grazer Festivals steirischer herbst (20. September bis 14. Oktober) wird es eine Art Preview geben: Gemeinsam mit einem Kinderchor und einem Streichorchester findet zur Eröffnung am 20. September auf der Schlossbergbühne Kasematten eine rund 90-minütige "Musikperformance" mit Laibach und ihrer "Sound of Music"-Variation statt.
Es ist die erste Ausgabe des Festivals, die von der russischen Kunsthistorikerin und Kuratorin Ekaterina Degot, 59, verantwortet wird; sie setzt, wie Laibach, stark auf "Retroavantgarde". Unter dem Begriff "Volksfronten" will sie historische und gegenwärtige weltanschauliche Kämpfe thematisieren - unter anderem mit einer Parade des amerikanischen Bread & Puppet Theater und einer Musik-Performance des slowenischen Regisseurs Dragan Živadinov über den NS-Kriegsverbrecher Odilo Globočnik. Der steirische herbst gab sich schon immer gern sperrig, Degot dreht die Schraube nun weiter: weiße Schrift auf schwarzem Grund, abstrakte Bilder - sich auf der neuen herbst-Website zurechtzufinden, ist eine echte Herausforderung. Zudem erscheint das Team der neuen Chefin erstaunlich aufgeblasen: Da gibt es eine stellvertretende Intendantin - sogar die ungleich größeren Wiener Festwochen leisten sich diese Position nicht - und eine lange Liste an Kuratoren. Im Programm klingt vieles kryptisch und ähnlich pseudowissenschaftlich wie unter Tomas Zierhofer-Kin bei den Festwochen. Letzterer musste seinen Hut nehmen, in Graz hat man von dieser Diskussion offenbar nichts mitbekommen. So ist auch unklar, ob es sich bei dem "Sound of Music"-Projekt um ein klassisches Laibach-Konzert handeln wird oder ob es mehr in Richtung performative Inszenierung gehen soll. Zumindest die Band selbst sieht es gelassen: "Je weniger wir alle erwarten, desto besser wird es womöglich werden."