Hoffnung Europa: "Der Riss" erzählt von der Flüchtlingskrise
„Dieses Buch basiert nicht auf realen Ereignissen – es ist die Realität.“ Diese Warnung, die auf der Rückseite des Buches „Der Riss“ gedruckt ist, darf man durchaus ernstnehmen. Zwei Jahre, zwischen 2014 und 2016, haben die spanischen Journalisten Carlos Spottorno und Guillermo Abril die Außengrenzen der Europäischen Union bereist. Von Melilla, der spanischen Enklave in Marokko, in den unwirklichen Norden Finnlands und die Wälder Weißrusslands, wo NATO-Soldaten für einen Grenzkonflikt mit Russland trainieren.
In Melilla, diesem Außenposten der EU, konnten die beiden Reporter bereits Anfang 2014 die ersten Flüchtlinge aus Syrien beobachten. In der Hitze des Sommers 2015 sollte das nicht nur das System der EU, das gesellschaftspolitische und diplomatische Miteinander, sondern auch die Menschlichkeit an sich an ihre Grenzen bringen.
Identitätskrise
„Uns war von Anfang an bewusst, dass wir Zeugen von etwas Außergewöhnlichem sind“, sagen die Reporter Carlos Spottorno und Guillermo Abril über ihr Mammutprojekt. Insgesamt 25.000 Fotos haben die Reporter von ihren Reisen mit nach Hause gebracht, 15 Notizbücher haben sie vollgeschrieben. 184 Seiten stark ist das Fotoreportage-Buch, das dank Kolorierung wie ein Comic wirkt, jetzt geworden. Spottorno und Abril haben damit nicht nur ein eindringliches Zeitdokument kreiert, sondern erschaffen dank der Bild-Text-Kombination eine Atmosphäre, die einem sprichwörtlich den Atem nimmt.
Dieser Riss durch Europa, durch die Welt, von dem hier in eindringlichen Bildergeschichten erzählt wird, wird mit Sicherheit noch die nachkommenden Generationen beschäftigen. „Der Riss“ erzählt eben nicht nur vom Flüchtlingselend an den Außengrenzen, sondern auch von einer gesamteuropäischen Identitätskrise. Die Festung Europa ist immerhin Teil des Kontinents – die meterhohen Zäune, die Frontex-Schnellboote und die Wasserleichen. Davor sollte man nicht die Augen schließen.