Cannes 2019: Jim Jarmuschs "The Dead Don’t Die"
Ein bisschen mehr wäre da schon drin gewesen. Das wichtigste und wohl auch elitärste unter den großen Filmfestivals der Welt hätte eine künstlerisch spannendere Arbeit an den Beginn seiner diesjährigen Auseinandersetzungen mit dem Zustand des globalen Autorenfilms stellen können als „The Dead Don’t Die“.
Aber klar, es produziert Blitzlichtlichtgewitter und Society-Schlagzeilen, wenn man am Eröffnungsabend prominenten Besuch aus New York City auf den roten Teppich stellen kann: So schritt der Regisseur Jim Jarmusch, 66, gestern Abend mit silbernem Haar und Ray-Ban-verschatteten Augen an der Seite seiner grundamüsierten Entourage (darunter: Bill Murray, Tilda Swinton, Chloë Sevigny sowie Adam Driver) cool in den 2300 Menschen fassende Lumière-Saal des Festivalpalais, um dort seine jüngste dark comedy zu präsentieren: The Dead Don’t Die“ ist eine Zombie-Groteske und eine genuin amerikanische Kleinstadtfabel, in der jedes Bild und jede Pointe bekannt erscheinen.
Viel popkulturelles Wissen steckt in dem Film, tausend Anspielungen auf George A. Romeros ungleich ernstere Untotenschocker und die Abgründe westlicher Konsumkultur finden sich hier, aber der konstruierte Hintergrund der apokalyptischen Rückkehr der Toten aus ihren Gräbern liegt in der Ökologie: Die Welt ist aus den Fugen, weil die Konzerne mit ihrer Ausbeutung der Ressourcen zu weit gegangen sind.
Ungehemmtes Polar-Fracking habe die Erde aus ihrer gewohnten Umlaufbahn geschoben, heißt es hier mehrfach, daher kommt es zu jähen Tageslichtverlängerungen, giftigen Sonnenprotuberanzen und eben einer gewaltig sich ausbreitenden Zombieplage. Daraus schöpft Jarmusch einer Reihe milder und selbstreflexiver Scherze, die sich aus dem Zusammenspiel eines Provinzpolizeitrios (Murray, Driver und Sevigny) und der einzigen wirklich exzentrischen Figur dieses Films, einer schottischen Leichenbeschauerin (Swinton) ergeben. Jarmusch und seine Freunde hatten sicher Spaß, diesen Film herzustellen; der Funke springt nur leider nicht über.
Ehrenpalme, Frauenfeindlichkeit und Homophobie
Ein wenig Ärger hatte sich Festivalchef Thierry Frémaux auch durch die Entscheidung eingehandelt, heuer eine Ehrenpalme in Gold an das französische Schauspielmonument Alain Delon, 83, zu verleihen, der letzthin nicht nur als persönlicher Freund der Familie Le Pen, sondern auch durch Frauenfeindlichkeit und Homophobie aufgefallen ist. Das Festival verliehe Delon ja nicht den Friedensnobelpreis, konterte Frémaux während einer Pressekonferenz, sondern würdige ihn als „Künstler“ – als wäre dieser vom „Menschen“ so ohne Weiteres zu trennen.