Eike Schmidt und Kulturminister Thomas Drozda (SPÖ)

Was steckt hinter dem Direktoren-Wechsel im KHM?

Der Vertrag von Sabine Haag als Direktorin des Wiener Kunsthistorischen Museums wurde von Kulturminister Thomas Drozda überraschend nicht verlängert. Ist Eike Schmidt, der designierte Nachfolger, der geeignete Mann für die Neuausrichtung des Hauses?

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Viel war die Rede von digitalen Medien und Besuchermassen, als Kulturminister Thomas Drozda (SPÖ) am 1. September den neuen wissenschaftlichen Direktor des Kunsthistorischen Museums (KHM) vorstellte: Der 1968 geborene Eike Schmidt, der ab der zweiten Hälfte 2019 das Haus am Ring führen wird, leitet seit 2015 die Florentiner Uffizien, ein Museum, das mit enormem Andrang zu kämpfen hat (und erst mit Schmidts Amtsantritt eine Website verpasst bekam).

Schmidt folgt damit Sabine Haag, die das KHM seit 2009 leitet - und durchaus eine Vertragsverlängerung verdient hätte. In einem hyperventilierenden Kulturbetrieb drosselte Haag die Geschwindigkeit und setzte ganz auf intensivere Begegnungen mit dem, was das Haus eigentlich ausmacht: seine Sammlung. Die Wiedereröffnung der Kunstkammer, die Haag forcierte, war das Highlight des Kunstjahrs 2013. Haag wurde bisweilen vorgeworfen, das KHM zeige unter ihrer Ägide zu wenige spektakuläre Ausstellungen - was bedingt zutraf: Schauen zu Diego Velázquez, den fantastischen Welten der Donauschule oder der deutschen Porträtkunst mit Albrecht Dürer, Lucas Cranach und Hans Holbein fanden eine breite Öffentlichkeit; die von Haag programmierten Ausstellungen über Peter Paul Rubens (ab kommenden Oktober) und Brueghel (ab Oktober 2018) werden diesen Anspruch ebenfalls erfüllen.

Steigende Besucherzahlen in den letzten Jahren

Zugleich kämpft das Haus mit dem gravierenden Problem, dass große Flächen für Wechselausstellungen fehlen. Eine Direktorin hitzigeren Temperaments hätte möglicherweise die halbe Antikensammlung leergeräumt, um Raum für spektakuläre Sonderschauen zu generieren. Haag weiß genau, dass einer der wesentlichen Wesenszüge jeder Museumsarbeit Beständigkeit ist - auch wenn das für manche langweilig klingen mag. Die Besucherzahlen zogen unter ihrer Direktion jedenfalls an. Verbuchte das Haupthaus am Burgring 2008 noch 550.000 Gäste, so pendelte sich die Frequenz in den vergangenen Jahren bei rund 800.000 Besuchern pro Jahr ein. Deshalb lässt sich umso schwerer nachvollziehen, warum der Kulturminister sich nun dermaßen freut, dass Haags Nachfolger "neue nationale und internationale Besucherschichten" erschließen werde.

Gewiss, Eike Schmidt, der vor seiner aktuellen Tätigkeit in renommierten internationalen Institutionen (Getty Museum, Los Angeles, National Gallery Washington, Sotheby's, Minneapolis Institut of Arts) gearbeitet hatte, ist eine Koryphäe. Mit Sabine Haag verbindet den Kunsthistoriker einiges: Wie diese hat auch er über barocke Elfenbeinskulptur dissertiert; und die Angelegenheiten, über die er bei seiner Präsentation sprach, kamen einem bekannt vor. Schmidt betonte etwa, dass er die Digitalisierung der Uffizien vorantreibe -Haag installierte iPads in der Kunstkammer, als derlei noch nicht öffentliches Thema war. Er erzählte, dass er mittels Opernaufführungen das lokale Publikum in das Haus in Florenz locke -das KHM zeigte die dauerausverkaufte Veranstaltung "Ganymed Boarding", bei der Schauspieler vor Kunstwerken performten. Die Gegenwartskunst, die Schmidt in sein Florentiner Museum holte, hat im KHM längst einen fixen Platz. Bei den bisherigen Neubesetzungen -Martin Kušej (Burgtheater), Bogdan Roščić (Staatsoper), Stella Rollig (Belvedere) - wählte Drozda Personen aus, die im Grunde ein Kontrastprogramm zu ihren jeweiligen Vorgängerinnen und Vorgängern darstellen. Beim KHM möchte Drozda die Weichen offenbar ebenfalls neu stellen. Zumindest erklärte er das mehrmals deutlich. Worin genau die Richtungsänderung mit Eike Schmidt besteht, wird sich zeigen müssen. Immerhin wurde knapp vor den anstehenden Wahlen eine große kulturpolitische Geste gesetzt.

Nina   Schedlmayer

Nina Schedlmayer