Scorseses "Silence": Missionarsstellungen
Im Japan des 17. Jahrhunderts konnten sich die Katholiken noch einmal fast so vorkommen wie im Römischen Reich ganz am Anfang: eine Kirche im Untergrund, verfolgt und hin und her gerissen zwischen Martyrium und Abfall vom Glauben. Martin Scorsese erzählt in "Silence“ von zwei jungen Jesuiten, die sich auf die Suche nach einem legendären Missionar namens Ferreira (Liam Neeson) machen. Alles spricht dafür, dass Ferreira längst tot ist, aber Rodrigues (Andrew Garfield) und Garupe (Adam Driver) wollen sich selbst ein Bild machen. Sie kommen in ein Land, das ihnen in jeder Hinsicht fremd ist, sie tauchen bei einfachen Leuten in einer unwegsamen Küstengegend unter und fürchten nichts so sehr wie den Verrat am Großinquisitor Inoue.
Die japanische Christenverfolgung ist reich an ausgeklügelten Foltermethoden, von denen vor allem das langsame Ausbluten (kopfüber in eine Grube hängend) durchaus an die siedenden Ölbäder und natürlich die Kreuzigungen der Römer heranreicht. Auf Grundlage eines Romans von Shusaku Endo widmet Martin Scorsese sich seinen bekannten Obsessionen: Er war immer schon der wichtigste Nazarener des Kinos, vergleichbar den romantischen Malern im 19. Jahrhundert, die einen frommen Realismus vertraten und sich buchstäblich mit der Ausmalung lückenhaft überlieferter (oder historisch ferner) Vorgänge befassten.
Der Umstand, dass sich in der Konfrontation mit einem in jeder Hinsicht fremden Japan alte kulturelle Muster naiv reproduzieren könnten, kommt Scorsese bei seinem "der höheren Ehre Gottes“ gewidmeten Schinken leider nicht in den Sinn.
Dieser Artikel stammt aus dem profil Nr. 9 vom 27.02.2017. Das aktuelle profil können Sie im Handel oder als E-Paper erwerben.