Abschaffung der Kammern: "Man bleibt freiwillig"
profil: Sie sind als Vize-Präsident der Wirtschaftskammer für das Ende der Pflichtmitgliedschaft. Matthias Krenn: Ja. Historisch haben wir eine eindeutige Haltung. Unsere Forderung steht nun bei den Regierungsverhandlungen zur Disposition.
profil: Ist eine deutliche Senkung der Pflichtbeiträge auch eine Option? Krenn: Wie gesagt, die Verhandlungen laufen. Es gibt für beide Fälle wunderbare Modelle, die den Fortbestand der Kammern sichern. Wir sind ja nicht gegen die Kammern, sondern nur gegen die Pflichtmitgliedschaft.
profil: Aber die Kammern sind nicht mehr dieselben, wenn viele Mitglieder ausscheren. Krenn: Wenn das Service passt, bleibt man freiwillig dabei. Das zeigen der Gewerkschaftsbund, die Industriellenvereinigung, die Hoteliervereinigung oder der ÖAMTC.
profil: Was kann die Kammer? Krenn: Speziell die Außenwirtschaftsorganisation wird wegen ihrer hervorragenden Leistung von der Industrie genutzt. Auch das Gründerservice ist bei ihr ganz gut aufgehoben.
Lesen Sie im aktuellen profil: Wie sieht Österreich aus, wenn sich die FPÖ durchsetzt und die Kammern entmachtet? Ein Szenario.
profil: Wo ist der viel zitierte Speck? Krenn: In den Bundesländern sind Strukturen aufgebläht. Ein Beratungsgespräch kann zum Beispiel auch über Videotelefonie laufen. Neun extra Lohnverrechnungen braucht es schon gar nicht.
profil: Was bliebe von der Arbeiterkammer ohne Pflichtmitgliedschaft? Krenn: Die Doppelgleisigkeiten zwischen Gewerkschaft und AK würden wohl bereinigt.
profil: Den Rechtsschutz und die Beratung der AK kann die Gewerkschaft doch nie kompensieren. Krenn: Arbeitnehmer-Rechtsschutz lässt sich auch ohne Zwangsmitgliedschaft organisieren – von günstigen Versicherungen über die Gewerkschaft bis hin zu privaten Arbeitnehmerschutzverbänden. Die persönliche Beratung bei Problemen im Job ist und bleibt Hauptaufgabe der Betriebsräte.
profil: Derzeit sind zwei Drittel nicht bei der Gewerkschaft. Krenn: Das ist eine freie Entscheidung. Und darum geht es ja bei freiheitlicher Politik.
profil: Ohne Pflichtmitgliedschaft in einem Fachverband der Wirtschaftskammer müssten sich Betriebe nicht mehr an einen Kollektivvertrag halten. Sie regeln 13./14. Gehalt sowie den Mindestlohn. Krenn: Der Gesetzgeber kann einen Mindestlohn oder die Zahlung eines 13. und 14. Gehalts vorschreiben.
profil: Und der Rest würde zwischen Betrieb und Mitarbeiter ausgemacht? Krenn: Zum Teil. Es wären mit Blick auf andere Länder ohne Pflichtmitgliedschaft auch Muster-Kollektivverträge eines freiwilligen Verbands möglich, die per Gesetz für alle Betriebe einer Branche gelten.
profil: Bei einer Urabstimmung 1996 stimmten 90 Prozent für die Pflichtmitgliedschaft in der Arbeiterkammer und 80 Prozent in der Wirtschaftskammer. Krenn: In der WKÖ lag die Wahlbeteiligung bei 34 Prozent. Würden Betriebe auf einen Blick sehen, wie viel Kammerumlagen und Grundlagen sie zahlen, wäre die Diskussion schon damals ganz anders gelaufen.
Interview: Clemens Neuhold
Matthias Krenn, 57 Krenn ist Obmann der Freien Wirtschaft. In den Regierungsverhandlungen gehört der FPÖler der Gruppe "Wirtschaft und Entbürokratisierung" an. Über die Zukunft der Kammern verhandelt das oberste Gremium, die Steuerungsgruppe rund um Kurz und Strache.