Unter Arbeitslosen geht die Angst um: Wird bald auf ihr Vermögen zugegriffen?

Angst vor Regierungsplänen: Dieser Langzeitarbeitslose will auswandern

Sechs Jahre steht der gelernte Schlosser Christian N. schon ohne Job da. Er erzählt von 200 abgelehnten Bewerbungen, von sozialer Ächtung und von seiner Exit-Strategie: Er will nach Thailand ziehen.

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Auf den Fußballplatz geht Christian N. nur mehr selten. Auch um das Wirtshaus im Ort macht der 53-Jährige lieber einen Bogen. "Man wird da saublöd angeredet. Im Dorf kennt jeder jeden", erzählt der gelernte Schlosser aus einer Kleingemeinde im niederösterreichischen Pielachtal. "Such dir endlich eine Arbeit!", bekommt Christian N. dort zu hören, oder: "Hast noch immer nichts?" Also bleibt der kräftige Mann lieber zu Hause: "Nach mehreren Anfeindungen geht man irgendwann nimmer hin. Es tut jeder so, als würde ihm von seinem Geld was fehlen, weil ich keinen Job finde."

Unumwunden breitet der Niederösterreicher seine Geschichte aus. "Erspartes?", fragt er: "Das habe ich alles verjubelt." Obwohl N. nun bereits sechs Jahre auf Jobsuche ist, entspricht er nicht dem Klischee eines verarmten Langzeitarbeitslosen. Der alleinstehende Mann lebt in seinem Haus, das ihm seine Eltern hinterlassen haben. In der Einfahrt steht ein klappriger Renault, mit dem fährt er zu seinen Terminen beim Arbeitsmarktservice (AMS). Ein Luxusleben führt Christian N. freilich nicht: "Auf Urlaub gehen, Skifahren, die Welt anschauen - das können Sie vergessen. Heute kostet jedes Hobby viel Geld. Ich komme gerade so über die Runden", sagt er. Wie verbringt er seine Tage? "Fernsehen und Nachrichten im Internet lesen."

Christian N. ist einer von 120.000 Notstandshilfebeziehern, die meisten stehen wie er schon länger ohne Arbeit da. Die Versicherungsleistung ist für alle gedacht, die die maximale Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes (52 Wochen) ausgeschöpft und noch immer keinen Job gefunden haben. Die Notstandshilfe ist unbefristet, allerdings niedriger als das Arbeitslosengeld - und der Druck der AMS-Betreuer ist größer.

Gut 1000 Euro monatlich bekommt Christian N. vom AMS überwiesen. Früher verdiente der Metallbauer gut, war viel auf Montage und häufte Hunderte Überstunden an. Vor sechs Jahren kündigte ihm sein Chef ohne Vorwarnung, seither hat N. an die 200 Bewerbungen verschickt: "Als Junger habe ich auf zehn Bewerbungen fünf Zusagen bekommen, ich konnte es mir aussuchen. Jetzt ist das anders: Ich habe jedes Unternehmen in der Region angeschrieben. Wenn du einmal alle abgeklappert hast, lässt die Motivation nach. Man verzweifelt mit der Zeit." Ein Betrieb, der seit über einem Jahr nach einem Schlosser sucht, reagierte nicht auf seine Bewerbung: "Da fragt man sich dann schon: Warum nehmt ihr mich nicht?"

Christian N. zählt mit seinen 53 Jahren zur Gruppe, die es am Arbeitsmarkt besonders schwer hat. Nach 32 Arbeitsjahren im Metallbau ist er körperlich eingeschränkt und darf bloß noch fünf Kilo heben. "Eine große Flex hat aber sieben Kilo", erklärt N. Das dürfte - neben dem Alter - Arbeitgeber abschrecken.

Soll man von 50 bis 65 am Existenzminimum leben und wird einem dann alles, was man sich im Leben erarbeitet hat, weggenommen? Da kann ja was nicht stimmen.

Als Schlosser kennt sich N. bestens mit Maschinen und Werkzeug aus. Wäre vielleicht ein Job als Verkäufer im Baumarkt eine Option?"Auf die Idee bin ich auch schon gekommen", sagt N. geknickt. Bisher setzte es nur Absagen. Einen Versuch startet er jetzt noch: Seit Montag ist er auf eigenen Wunsch in Betreuung der Initiative 50, einem vom AMS geförderten Verein, der Subventionen an Unternehmen zahlt, die über 50-Jährige einstellen. N. ist Realist genug, um zu wissen, dass es trotzdem schwer bleiben wird. Aber er will es zumindest versuchen.

Die Pläne der Regierung verfolgt der frühere Jörg-Haider-Wähler im Internet akribisch. In Foren für Langzeitarbeitslose wird über mögliche Auswirkungen diskutiert. Christian N. redet sich in Rage: "Soll man von 50 bis 65 am Existenzminimum leben und wird einem dann alles, was man sich im Leben erarbeitet hat, weggenommen? Da kann ja was nicht stimmen", zürnt er. Seine Ersparnisse steckte der Metallbauer in Reisen um die halbe Welt, in die Pflege seiner Eltern und schließlich in den Umbau seines Elternhauses.

Der Schätzwert des Hauses liegt bei 140.000 Euro. Für den Fall, dass die Notstandshilfe abgeschafft wird, N. in die Mindestsicherung abrutscht und auf sein Vermögen zugegriffen wird, hat der Mann einen Plan B. Und der heißt Paraguay oder Thailand. "Ich habe mich da schon informiert: Dort kriegt man recht einfach eine Aufenthaltsgenehmigung. Mit 140.000 Euro kann man in gewissen Ländern schon gut leben -bis zur Pension sollte es sich ausgehen."

N. erweckt nicht den Eindruck, als würde er das einfach so dahinsagen. "Ich habe keine Familie mehr, die sind alle weg oder gestorben. Bekannte habe ich natürlich, aber die werden mit der Zeit auch weniger. Ich hinterlasse kein großes Loch, wenn ich einmal weg bin."

Jakob Winter

Jakob Winter

ist Digitalchef bei profil und leitet den Faktencheck faktiv.