Mit dem Tabubruch der rot-blauen Koalition spaltete Hans Niessl die SPÖ und wertete die FPÖ auf.
Wie Hans Niessl die FPÖ im Burgenland aufwertet

Glashausgemeinschaft: Wie Hans Niessl die FPÖ im Burgenland aufwertet

Im Burgenland hat Landeshauptmann Hans Niessl die FPÖ durch sein Regierungsbündnis ungewollt gefördert. Bei den Gemeinderatswahlen am 1. Oktober dürften die Blauen deutlich zulegen.

Drucken

Schriftgröße

Breitschultrig im aufgekrempelten weißen Hemd prangt er unübersehbar auf Plakaten im ganzen Burgenland: Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil mit dem Slogan "Er packt an, wenn es drauf ankommt. Mit Sicherheit“. Wenn es darauf ankommt, ist Doskozil bereits als möglicher Nachfolger von SPÖ-Chef Christian Kern im Gespräch, in jedem Fall aber als Fixstarter für eine eventuelle rot-blaue Koalition.

Im Burgenland regiert Rot-Blau schon seit über zwei Jahren. Landeshauptmann Hans Niessl ist stolz darauf, die gewohnte Koalition mit der ÖVP gegen jene mit einer willfährigen Landes-FPÖ eingetauscht zu haben. Seither gilt er als Galionsfigur all jener Genossen, die auch auf Bundesebene mit der FPÖ regieren wollen.

Im Burgenland, wo die SPÖ seit Jahrzehnten den Landeshauptmann stellt, hat die rot-blaue Landesregierung anfangs die Macht der SPÖ und damit vor allem jene Hans Niessls deutlich vergrößert. Die beiden FPÖ-Landesräte agieren nur in Nebenrollen: FPÖ-Chef Johann Tschürtz, erster Landeshauptmann-Stellvertreter der Blauen, ist für Sicherheitsagenden verantwortlich. Da aber die Kompetenzen für Polizei im Innenministerium in Wien liegen und für das Heer und damit für Grenzschutz der rote Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil zuständig ist, bleibt dem früheren Polizisten Tschürtz nicht viel mehr als die Aufsicht über Feuerwehren. Seine Forderung, nach den von ihm eingesetzten Ortswächtern eine berittene Polizeitruppe für die Bewachung der Grenzen aufzustellen, blieb bislang unerfüllt.

Der Einfluss des blauen Landesrates für Wirtschaft und Tourismus, Alexander Petschnig, ist ebenfalls begrenzt. Die Betriebe der Landesholding ressortieren beim Landeshauptmann. Seit dieser die Sonderförderungen, die sogenannten "Bedarfszuweisungen“, allein verteilt, müssen sich alle 171 Gemeinden mit Niessl gutstellen. Und auch bei den Subventionen für Vereine schneiden die roten Verbände - vom Sport bis zur Blasmusik - deutlich besser als früher ab.

Die FPÖ im Burgenland sei eine andere Partei als jene im Bund, erklärte Niessl 2015 zum Start der Koalition, um die damals heftige Kritik, vor allem aus der Wiener SPÖ, an seinem Tabubruch zu entkräften.

Niessls Pakt senkte die Hemmschwelle, FPÖ zu wählen

Doch der blaue Juniorpartner, der bei den Landtagswahlen 15 Prozent erreichte, nutzte die Chance durch die Ehe mit der Landes-SPÖ, die auf 41 Prozent kam. Niessls Pakt senkte die Hemmschwelle, FPÖ zu wählen: Bei den Bundespräsidentenwahlen 2016 lag der Burgenländer Norbert Hofer schon im ersten Wahlgang mit 41 Prozent klar vor dem SPÖ-Kandidaten Rudolf Hundstorfer, für den im traditionell mehrheitlich roten Bundesland nur 17 Prozent der Wähler stimmten. In der Stichwahl wählten alle Bezirke bis auf Eisenstadt-Stadt Hofer, der auf 58 Prozent kam und damit sein bestes Ergebnis vor Kärnten und der Steiermark erzielte.

Bei den kommenden Gemeinderatswahlen am 1. Oktober dürften die FPÖ-Kandidaten mit hoher Wahrscheinlichkeit zulegen, da sie 2012 nur auf vier Prozent Stimmenanteil kamen. Damals landete die SPÖ bei 46, die ÖVP bei 42 Prozent der Stimmen. Damit könnte Niessl bald einen Preis für die rot-blaue Koalition zahlen. Er hat die FPÖ in seinem Bundesland durchaus salonfähig gemacht.

Ungewohnt deutliches Lob für die Blauen spendete sogar SPÖ-Landesrat Norbert Darabos. Er habe nicht - wie von ihm angekündigt - ein Bollwerk gegen die FPÖ sein müssen, erklärte er vergangenen Donnerstag im ORF-Radio Ö1. Das Burgenland habe einen Beschäftigungs- und Wachstumsrekord erzielt, der in diesem Ausmaß wegen der "bündischen Interessen“ der ÖVP früher nicht möglich gewesen sei.

FPÖ-Chef Tschürtz preist im profil-Gespräch den "neuen Regierungsstil“ im Land. Es gebe keinen "kleinlichen Streit“ mehr wie unter der rot-schwarzen Regierung. Von dem vor zwei Jahren versprochenen "gläsernen Konzern Burgenland“ sei schon viel verwirklicht worden: Es habe bereits eine Volksbefragung im Südburgenland und unter allen Feuerwehren gegeben. Und auch die Postenbesetzung laufe durch "Assessment-Center“ transparenter ab. Dass die Landessicherheitszentrale und ein neuer Landes-Tourismusmanager jeweils mit einem FPÖ-nahen Geschäftsführer besetzt wurden, habe nur damit zu tun, dass beide bestgereiht waren, so Tschürtz blauäugig.

Beim Thema Sicherheit ziehen SPÖ und FPÖ am selben Strang: Grenzkontrollen, mehr Polizei, die weitere Präsenz von Bundesheer-Soldaten an der Grenze - da passt kein Blatt zwischen Rot und Blau.

Laut neuem "Burgenlandplan“, den Niessl Anfang September in Stegersbach für die Gemeinderatswahlen am 1. Oktober verkündete, soll das Burgenland "das sicherste Bundesland und eine der sichersten Regionen Europas bleiben“.

Wer anderer Meinung ist, der fliegt. Diese Vorgangsweise erinnert fast schon an Nordkorea

Auch Tschürtz sieht keinen Widerspruch darin, dass im Burgenland trotz niedrigster Kriminalitätsrate und höchster Aufklärungsquote unter allen Bundesländern Sicherheit "oberste Priorität“ habe: "Wir sind eben in der Prävention Weltmeister.“ Tschürtz verspricht im Gemeinderatswahlkampf mehr "Sicherheitspartner“. Das sind derzeit 20 vom Land bezahlte Ortssheriffs, die durch vorläufig neun Gemeinden patroullieren, ständig auf der Suche nach Missetätern und Gefahrenzonen wie offene Türen oder Fenster.

In den Reihen der Landes-SPÖ wagt kaum noch jemand Kritik an Niessls Kurs. Nur dem ehemaligen SPÖ-Landesrat Peter Rezar fiel im vergangenen April zur Absetzung des Chefs der burgenländischen Spital-Holding KRAGES ein drastischer Vergleich ein: "Wer anderer Meinung ist, der fliegt. Diese Vorgangsweise erinnert fast schon an Nordkorea“, so der nunmehrige Landtagsabgeordnete, den Niessl nicht mehr im Regierungsteam haben wollte.

Die Bereitschaft, sich offen für die FPÖ zu bekennen, ist im ganzen Land deutlich gestiegen. Das sah man schon bei den Bundespräsidentenwahlen. Bei den kommenden Gemeinderatswahlen wird die FPÖ deutlich zulegen.

Der ehemalige Landtagspräsident Gerhard Steier war 2015 aus Protest gegen die rot-blaue Koalition zurück- und aus der SPÖ ausgetreten und gehört nun dem Landtag als freier Abgeordneter an. Niessl habe durch die Koalition mit der FPÖ einen Dammbruch ausgelöst, meint er heute. "Für seinen Machterhalt ist ihm jede Aktion recht und billig. "Die Bereitschaft, sich offen für die FPÖ zu bekennen, ist im ganzen Land deutlich gestiegen. Das sah man schon bei den Bundespräsidentenwahlen. Bei den kommenden Gemeinderatswahlen wird die FPÖ deutlich zulegen.“

Die wirtschaftlichen Erfolge habe das Burgenland vor allem den hohen EU-Förderungen zu verdanken, so Steier. Dass Niessl so heftig gegen die Arbeitskräfte aus Ungarn polemisiere, sei unverständlich. "Ohne Ungarn würden Handwerk und Dienstleistung, im Speziellen die Sektoren Pflege, Gastronomie und Handel, sofort zusammenbrechen.“

Auch die Kaufkraft als Ausweis der Wirtschaftsentwicklung "wäre dann ein Trugbild, denn sie würde weit unter heutigem Niveau liegen“.

Die Landessprecherin der Grünen, Regina Petrik, sieht die wirtschaftlichen Erfolge unter Hans Niessl positiver. "Er hat sich sicher viele Verdienste erworben, indem die EU-Fördergelder meist gut angelegt wurden.“ Doch Petrik kritisiert das politische Klima im Land, das weit verzweigte Klüngelsystem: "Eine ganz freie politische Meinungsäußerung gibt es im Burgenland nicht. Man riskiert, geächtet zu werden oder einen angestrebten Job nicht zu bekommen.“

Im Landtag werden die meisten Landesgesetze ohne Debatte angenommen, sogar in den nicht-öffentlichen Ausschüssen. Als Petrik kritisierte, dass bei den Gemeinderatswahlen Rechtsradikale für die FPÖ kandidieren, konterte FPÖ-Chef Tschürtz mit privaten Attacken. Petrik möge doch lieber auf ihre Tochter, die für die Kommunisten kandidiere, aufpassen.

Aber es regt sich Widerstand gegen allzu dreiste Bevormundung. Im Vorjahr wagte in der Heimatstadt Niessls, Frauenkirchen, eine Bürgerinitiative den Aufstand gegen das Glashausprojekt eines Gemüseunternehmens. Als Hauptaktivist trat der Weinbauer Josef Umathum auf. "Mich hat gestört, dass so eine riesige Anlage heimlich vom roten Bürgermeister durchgedrückt werden sollte“, erzählt der parteilose Winzer. Viele Bürger trauten sich nicht, eine Petition gegen das Projekt zu unterschreiben. Das Glashaus-Projekt wurde letztlich doch verhindert. Die Rache des Systems folgte auf dem Fuß. Umathum erhielt plötzlich vom Bürgermeister eine Anzeige wegen angeblich illegal errichteter Bauten auf seinem Grundstück.

Der Dauerstreit zwischen Niessl und dem Chef der Esterházy-Stiftung, Stefan Ottrubay, zeigt, dass die Landespolitik auf Synergien keinen Wert legt. So laufen derzeit geich zwei Haydn-Festivals, eines vom Land organisiert, das andere von Ottrubay. Die von Esterházy finanzierten Opernfestspiele im Steinbruch von St. Margarethen wurden im vergangenen August mangels Subventionen des Landes gleich ganz eingestellt.

"Das ist ein Riesenverlust, auch für die Hotels und Gastronomie in der Region“, ärgert sich der ÖVP-Landesobmann Thomas Steiner, der auch Bürgermeister der Landeshauptstadt Eisenstadt ist. Die faktische Macht im Land liegt komplett bei der SPÖ“, klagt Steiner. "Es fehlen aber Strategien für die Zukunft des Burgenlandes.“ So sei der Rückstand des Südburgenlandes noch immer groß, etwa bei der Verkehrsanbindung und beim versprochenen Breitbandinternet. Auf die oft versprochene direkte Zugverbindung von Eisenstadt nach Wien warten die Eisenstädter bis heute vergeblich, klagt Steiner.

Gewinner der Koalition mit den Blauen sei der Landeshauptmann. "Unter Theodor Kery war die absolute Macht der SPÖ nicht größer als jetzt unter Niessl“, meint der Landeschef der ÖVP. Die Attacken von Niessl gegen ungarische Arbeitskräfte im Burgenland seien kontraproduktiv. Die Ostöffnung habe - gemeinsam mit dem EU-Beitritt - dem Burgenland "massiv geholfen.“ "Doch Niessl redet halt lieber über Probleme für den Arbeitsmarkt und für die Sicherheit.“