"Man fühlt sich verarscht"
Ich war mit Herzblut dabei, inspiriert von Sebastians Kurz' Aussage, dass es kein Widerspruch ist, Moslem und stolzer Österreicher zu sein. Was soll ich jetzt Schülern auf ihrem Weg mitgeben, wenn ich mich als Kopftuchträgerin in dieser Gesellschaft unerwünscht fühle?" Mit diesem Posting beendet im Jänner eine Integrationsbotschafterin ihr Engagement und bittet in der geschlossenen Facebook-Gruppe um "Solidarität". 30 der 270 Kollegen stellen sich mit einem Like demonstrativ hinter sie. Stein des Anstoßes ist Kurz' Kokettieren mit einem Kopftuchverbot für Lehrerinnen. Es rumort auch außerhalb der sozialen Medien. "Wenn Kurz nach der Wahl mit den Blauen kooperiert, bin ich weg", sagt ein anderes engagiertes Mitglied des Botschafter-Teams, das schon länger Bauchweh hat wegen Kurz' harter Flüchtlingspolitik: "Bin ich da noch richtig?"
2011 wird der 24-jährige Sebastian Kurz Staatssekretär für Integration und gibt die Losung aus: "Integration durch Leistung". Erfolgreiche Migranten aus Wirtschaft, Sport oder Medien tragen die Botschaft unter dem Label "Zusammen Österreich" in die Schulen. Kurz ist oft dabei, hört zu, lernt, sammelt Image-Fotos. "Er blieb ewig hocken", erinnert sich die serbisch-stämmige Marketing-Leiterin Ivana Cucujkić-Panić. 2013 steigt er zum Außenminister auf und kommt seltener. 2015 verlagert sich sein Hauptfokus auf das Eindämmen des Flüchtlingsstroms. Er gewinnt dadurch an Popularität, verliert als Hardliner aber Rückhalt bei einem Teil der Botschafter.
Ich stehe weiter zu dem Projekt. Wir sind ja keine Sekte mit einer einzigen Meinung
"Integrationsbotschafter distanzieren sich von Minister Kurz", schreibt das Migranten-Magazin "Bum Media" am 8. Mai, gespickt mit harschen Zitaten. Am 10. Mai stellt der Integrationsfonds in einer Aussendung klar: "Die Integrationsbotschafter stehen zu den Zielen von Zusammen Österreich" und bildet die Hauptkritiker ab. Was stimmt? "Ich stehe weiter zu dem Projekt. Wir sind ja keine Sekte mit einer einzigen Meinung. Aber meine Kritik an den Überlegungen für ein Kopftuchverbot im öffentlichen Dienst bleibt aufrecht. Damit kann man gut Stimmen sammeln, aber es wäre ein irrsinniger Rückschritt", sagt die Mode-Unternehmerin und konvertierte Muslima Roma Bemat, die selbst einen losen Umgang mit dem Kopftuch pflegt. Der irischstämmige Flüchtlingsbetreuer Desmond Doyle meint: "Mit Verboten bewirkt man nichts. Man muss Frauen klarmachen, dass sie freie Menschen sind." Als Distanzierung wolle er das aber nicht verstanden wissen.
Ich habe das Gefühl, da ist nix mehr dahinter. Man fühlt sich verarscht
"Es ging uns nie darum, ob die Botschafter die Politik von Kurz voll unterstützen oder komplett ablehnen. Deswegen haben wir bewusst Menschen aus allen politischen Richtungen gesucht", heißt es aus dem Büro des Ministers. "Der Erfolg der Aktion misst sich daran, ob Schüler nach den Besuchen weniger Vorurteile gegenüber Migranten haben und Migranten sich in der Gesellschaft stärker angenommen fühlen." Der slowenisch-palästinensisch-stämmige Physiotherapeut Valid Hanuna ist SPÖ-Mitglied in Kärnten: "Ich wurde in meiner Partei kritisiert, weil ich bei einer ÖVP-Aktion mitmache. Aber ich fand die Idee der Schulbesuche perfekt und habe entgegnet: Wenn wir das als SPÖ nicht zusammenbringen ..." Heute kritisiert er die zu starke Verknüpfung der Aktion mit Kurz. "Bei jedem Treffen wurde der heilige Sebastian als alleiniger Initiator dargestellt." Auf der Website von Zusammen Österreich ist Hanunas Name und Promo-Video nicht mehr zu finden.
Der syrisch-österreichische Thai-Box-Weltmeister Fadi Merza ist ein Fan der Aktion und würde, obwohl ihm Kurz' neue Töne "zu streng" sind, selbst unter Schwarz-Blau weitermachen. Nur: "Ich wurde seit eineinhalb Jahren nicht mehr eingesetzt. Ich habe das Gefühl, da ist nix mehr dahinter. Man fühlt sich verarscht." Cucujkic glaubt weiterhin an das Projekt, "wenn die Anfangs-Message:,Du kannst es schaffen, egal wer du bist' nicht in Vergessenheit gerät. Sonst ergibt es keinen Sinn mehr."