Pressefreiheitlich: Die Zeitung "Wochenblick" und die FPÖ
In diesem Projekt steckt Geld drinnen: Unlängst lud die oberösterreichische Zeitung "Wochenblick“ zu ihrem ersten Leserstammtisch. In einem schönen Linzer Gastgarten wurde für gut 60 Besucher und die rund zehnköpfige Redaktion eine zünftige Brettljause aufgetischt, adrette junge Frauen in weißen Polos teilten Aperol-Spritzer aus - alles auf Kosten der Zeitung. Vor dem Lokal parkte ein schicker Firmen-Wagen mit Logo des Blattes. Schließlich trat Chefredakteur Kurt Guggenbichler an seine Gäste - ein älterer Herr mit langen grauen, nach hinten gekämmten Haaren. Er nuschelte ein bisschen und versprach den Lesern: "Wir bürsten gegen den Strich. Wir wollen Themen aufgreifen, die sich andere Medien, aus welchen Gründen auch immer, nicht aufzugreifen trauen.“ Applaus. Auch wenn das Wort "Lügenpresse“ kein einziges Mal fiel, wussten alle, was gemeint war. Der vor 19 Wochen gestartete "Wochenblick“ positioniert sich als Gegenpol zu den "großen Medien“ und dem vermeintlichen "Establishment“. Im Blatt wirbt man sogar mit dem Satz: "Presse geht auch ohne Lügen.“
Passend zur alarmistischen Themensetzung bekommen Abonnenten einen Pfefferspray geschenkt
Konkret klingt das dann so: "Auch Oberösterreich kann jederzeit von einem brutalen Terroranschlag getroffen werden“- die These des Artikels stützt sich vor allem auf die Aussage freiheitlicher Politiker, die vor "Menschen aus anderen Kulturkreisen“ warnen. Zu Beginn der Badesaison wird wiederum die Frage aufgeworfen, ob Frauen "Freiwild“ seien, und behauptet, dass in Europa "Massenvergewaltigungen“ von Medien "totgeschwiegen“ würden. Passend zur alarmistischen Themensetzung bekommen Abonnenten einen Pfefferspray geschenkt. Dieser angeblich "unabhängige Journalismus“ findet namhafte Leser: Zum Beispiel hat FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache mehrfach "Wochenblick“-Artikel auf Facebook verbreitet. In oberösterreichischen Politikkreisen wird eifrig diskutiert, wie FPÖ-nahe diese neue Zeitung denn ist - ob gar die Freiheitlichen hinter dem Projekt stehen.
Das "Wochenblick“-Team lehnt Gespräche mit profil ab. Wer das Medium finanziert, wie die acht bis zehn Mitarbeiter, die Druckkosten für die Auflage von 35.000 Stück, das Firmenauto oder das Büro in Linz ermöglicht werden, bleibt trotz mehrerer Anfragen unbeantwortet. Laut eigenen Angaben ist das Blatt für fünf Jahre ausfinanziert. Wie der Medienberater Peter Plaikner errechnet hat, kostet ein solches Projekt mindestens 1,8 Millionen Euro für fünf Jahre, allein für Personalkosten, Büroräumlichkeiten und Druck - Bewerbung und Versand noch gar nicht eingerechnet.
Die FPÖ dementiert jedwede Beteiligung vehement
Die Geldgeber, angeblich eine "Phalanx oberösterreichischer Unternehmer“, sind "ganz geheim“, wie "Wochenblick“-Geschäftsführer Norbert Geroldinger gegenüber den "Oberösterreichischen Nachrichten“ erklärte. Er könne diese Financiers nicht verraten, sonst "wäre das Geld weg“. Die FPÖ dementiert jedwede Beteiligung vehement. Dennoch ist eine Nähe offensichtlich: In der Berichterstattung des Blatts, der Zusammensetzung der Redaktion - und in Werbeschaltungen.
Als die Leser des Blatts online abstimmen durften, welcher Kandidat zur Bundespräsidentschaftswahl interviewt werden soll, fiel die Wahl wenig überraschend auf Norbert Hofer (FPÖ). Die Fragen vor laufender Kamera blieben zahm: "Sie haben also ein gutes Gefühl. Hatten Sie das gute Gefühl auch bei der Diskussion im Fernsehen?“ Während die "Wochenblick“-Redakteure freiheitliche Politiker hofieren, werden ihre politischen Gegner oft härter angefasst. Eine Coverstory im April lautete etwa: "Schwarz und Rot können einpacken“. Geht es nach dem Text, werde die "Regierung bei den nächsten Wahlen vom Bürger abgestraft und von den immer reichlich gefüllten Futtertrögen entfernt“. Dazu ein Foto von FPÖ-Chef Strache. Wer sich die Redaktionsmitglieder genauer ansieht, wird sich über derlei parteiische Berichte nicht wundern. Chefredakteur Guggenbichler war zuvor viele Jahre bei den "Oberösterreichischen Nachrichten“ und soll dem "Wochenblick“ wohl Seriosität verleihen, etliche andere Mitarbeiter weisen eine klare Schlagseite auf.
Es erfordert einige Anstrengung, Redakteure zu finden, die keinen klaren FPÖ-Bezug haben
Beim Lesertreffen im Linzer Gastgarten war auch Christian Deutinger dabei, hauptberuflich Büroleiter des Linzer FPÖ-Vizebürgermeisters Detlef Wimmer. Bereits in den ersten Ausgaben - da wussten die meisten Oberösterreicher noch gar nichts vom neuen Blatt - schrieb Deutinger fleißig Leserbriefe. Der Unternehmer Norbert Geroldinger aus dem Innviertel, Geschäftsführer des Blattes, hält sich beim Lesertreffen im Hintergrund, er war bis 2010 FPÖ-Obmann im Brunnenthal bei Schärding, dann konzentrierte er sich auf die Unternehmensberatung - und die Gründung eines Mediums.
Geroldinger ist nicht der einzige "Wochenblick“-Mann mit FPÖ-Vergangenheit: Der Grafiker des Blattes, Mario Schaumberger, war zuvor Landesgeschäftsführer des Rings Freiheitlicher Jugend (RFJ), der blauen Parteijugend. Seine Kollegin Nicole Di Bernardo ist bis heute Bundes-Vizeobfrau des RFJ - als Journalistin beim "Wochenblick“ schreibt sie in ihren Kolumnen gegen "Gutmenschen“ an.
Es erfordert einige Anstrengung, Redakteure zu finden, die keinen klaren FPÖ-Bezug haben. Einer von ihnen: Johannes Schüller. Der Mann lebte bis Februar in Dresden in Deutschland und kann einen einschlägigen Lebenslauf vorweisen. Schüller schrieb für die neurechte Zeitung "Blaue Narzisse“ und gilt als Mitbegründer der rechtsextremen Identitären Bewegung in Deutschland, die in mehreren Bundesländern vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Der Pegida-Anhänger huldigte in früheren Texten den italienischen Neofaschisten und empfiehlt allen Rechten, die mit dem Nazivorwurf konfrontiert sind, sich bloß nicht zu distanzieren. Denn: Distanzierungen seien "immer der schlechteste Weg“. Nur wer "selbstbewusst für Deutschland“ einstehe, so Schüller, gewinne "in den eigenen Kreisen an Achtung und Respekt“. Wie sich ein stramm rechter Ostdeutscher zu einem oberösterreichischem Wochenblatt verirrt, ist eines der vielen ungelösten "Wochenblick“-Rätseln. Immerhin, eine mögliche Verbindung gibt es: Jan Ackermeier, ein Bekannter Schüllers, einst ebenfalls in rechtsextremen Kreisen in Ostdeutschland aktiv, ist seit einiger Zeit politischer Referent bei der oberösterreichischen FPÖ.
Bei Walter Höferl ist die Sache klarer. Jahrelang war er Journalist bei den "Oberösterreichischen Nachrichten“, 2012 unternahm er einen kleinen Ausflug in die Politik - als Kandidat für die FPÖ im niederösterreichischen Krems. Walter Höferls Sohn Alexander leitet das Kommunikationsbüro der freiheitlichen Bundespartei, verantwortet FPÖ-TV und ist einer der Betreiber des rechten Blogs "unzensuriert“. Hier schließt sich der Kreis, ist doch diese Website zentraler Bestandteil der blauen Medienparallelwelt.
Die FPÖ bestreitet heftig, aber Geld für ein solches Medienprojekt hätte sie genug
"Unzensuriert“ greift immer wieder "Wochenblick“-Beiträge auf - und führt dem vergleichsweise neuen Medium Klicks und Leser zu. "Unzensuriert“ teilte etwa den "exklusiven“ Bericht des oberösterreichischen Blatts "Wochenblick“, wonach angeblich die Obergrenze für Asylwerber in Österreich schon im April erreicht worden sei. Ein "brisantes Dokument“, wie Redakteur Johannes Schüller meinte, jedoch anscheinend nicht beim Innenministerium nachfragte: Schließlich zeigten Recherchen anderer Medien, dass ein einzelner Beamter eine falsche Information verbreitet hatte. Der Gegencheck blieb aus - eine spätere Richtigstellung des Online-Artikels übrigens auch.
Die FPÖ bestreitet heftig, aber Geld für ein solches Medienprojekt hätte sie genug. Nach deutlichen Zugewinnen bei der letzten Landtagswahl im Jahr 2015 erhöhte sich die jährliche Parteienförderung von 3,3 Millionen Euro auf 6,5 Millionen. In der oberösterreichischen Medienszene führt dies zur Mutmaßung, ob der "Wochenblick“ ein getarntes Wahlkampfinstrument sein könnte. Denn für Parteien gibt es mittlerweile gesetzliche Beschränkungen für Wahlkampfkosten. Zeitungen, die einer Partei nahestehen, dieser aber nicht nachweislich gehören, fallen nicht unter eine solche Beschränkung.
Eines kann die FPÖ nicht dementieren: Sie ist der dominante "Wochenblick“-Werbekunde, das reicht von der FPÖ Linz über die FPÖ-regierte Stadt Wels, die unter anderem eine halbe Seite um 3289 Euro buchte (auf den zehnprozentigen Rabat ist man stolz), bis hin zur freiheitlichen Parteijugend RFJ. Nach den auffälligen Werbeeinschaltungen befragt, gibt RFJ-Landesgeschäftsführer Thomas Schindler Einblick: Inseriert werde im "Wochenblick“, weil das Blatt der FPÖ "weltanschaulich nahe“ stehe und "wir damit unser Klientel direkt ansprechen können, ohne Streuverluste“. Und: Der RFJ bekomme "natürlich einen guten Preis“.