Auf digitalen Amtswegen

Der Digital Act Austria soll die Digitalisierung vorantreiben. Zahlreiche Amtswege für Private und Unternehmen sind schon digital verfügbar – doch Experten sehen noch Luft nach oben.

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117 Maßnahmen und 36 Digitalisierungsgrundsätze – es ist ein durchaus ambitioniertes und umfassendes  Paket, das Anfang Juni von Digitalisierungsstaatssekretär Florian Tursky (ÖVP) und Gesundheitsminister  Johannes Rauch präsentiert wurde. Denn der vom Ministerrat beschlossene „Digital Austria Act“ (DAA) hat kein geringeres Ziel, als die Weichen für die Zukunft zu stellen, die Digitalisierung in Österreich mit einem Rundum-Paket merklich voranzutreiben und Chancen für Wirtschaft und Gesellschaft bieten.

Der DAA wirkt dabei in nahezu alle Bereiche des Privat- und Berufslebens hinein – vom neu eingeführten „Digi-Check“, der bei der Begutachtung von Gesetzen prüft, ob diese auch für die Digitalisierung geeignet sind, über die bundesweite Forcierung digitaler Kompetenzen in der Bevölkerung bis zur verantwortungsvollen und effizienten Nutzung von Künstlicher Intelligenz (KI).

Smart-Government

Einer der Schwerpunkte: Amtswege und Gesundheitsdienste unter Einhaltung geltender Datenschutz-grundsätze und der Berücksichtigung der barrierefreien Zugänglichkeit sicherer, bequemer und einfacher zu machen und Stempelmarken Geschichte werden zu lassen. Der Plan: das Digitale Amt zu einem „Smart-Government“ zu machen. Dokumente wie Meldeauskunft, Strafregisterauszug, Heirats- und Geburtsurkunde sowie RSa- und RSb-Briefe werden dann über das Digitale Amt verfügbar und kostenlos abrufbar sein. Und auch Gesundheitsdaten wie Röntgenbilder, Laborwerte und Diagnosen sollen zukünftig online abrufbar und in der elektronischen Gesundheitsakte ELGA standardisiert erfasst werden.

Doch wie weit ist Österreich bereits in Sachen digitalisierter Amtswege – und wo liegen die größten  Herausforderungen? „Die App ‚Digitales Amt‘“, sagt Staatssekretär Tursky, „eröffnet den Zugang zu Österreichs digitalen Amtsservices und informiert über Verwaltungsprozesse, thematisch aufbereitet nach  Lebenssituationen. Derzeit können rund über 200 Services digital genutzt werden. Voraussetzung für die  Nutzung des digitalen Amts und vieler weiterer EGovernment-Services ist der Besitz der ID Austria. Aktuell nutzen bereits über eine Million Menschen die ID-Austria.“ Die elektronische Unterschrift, die seit 2023 in der gesamten Europäischen Union anerkannt wird, ermöglicht es, Amtswege online zu erledigen und Dokumente elektronisch zu unterzeichnen. Das Anmelden eines neuen Hauptwohnsitzes gehört ebenso dazu wie der eFührerschein fürs Smartphone oder die online Abwicklung der Steuererklärung. Florian Tursky betont, dass  die Services des digitalen Amts stetig weiter ausgebaut und verbessert werden. Sein Ziel: Bis 2024 möglichst alle Behördengänge auch digital anzubieten – „und somit die Verwaltung dorthin zu bringen, wo die Menschen sind.“

Digitales Musterland?
Wie weit es tatsächlich um die Fortschritte beim digitalen Amt bestellt ist, weiß Christian Rupp nur zu gut. Der Universitätslektor für Digitalisierung und Experte der Europäischen Kommission für E-Government war von 2003 bis 2018 Exekutivsekretär E-Government des Bundes und Sprecher der Plattform Digitales Österreich im Bundeskanzleramt sowie Digitalisierungsbeauftragter und Leiter KMU Digital (2016 bis 2019): „Österreich hat E-Government Geschichte geschrieben und ist in vielen Bereichen der digitalen Verwaltung ein Musterland.  1997 wurde mit dem ersten Bürgerportal HELP.gv.at – das heutige oesterreich.gv.at – und FinanzOnline das E- Government Zeitalter eingeleitet. Ebenso ist das Rechtsinformationssystem des Bundes und das gesamte E-Recht von der UN ausgezeichnet worden und war für viele Staaten ein Vorzeigebeispiel für digitale Prozesse und Open Data.“

Rupp gibt allerdings zu bedenken, dass Österreich für data.gv.at zwar ein zweites Mal von der UN ausgezeichnet  wurde, im EU OGD Ranking 2022 mittlerweile vom Trendsetter auf den Platz 17 zurückgefallen ist. Der größte  Aufholbedarf besteht, so der Experte, im flächendeckenden Serviceangebot. „Österreich hat knapp über 2.000 Gemeinden und gerade in jenen mit unter 10.000 Einwohnern, aber auch in vielen Marktgemeinden, gibt es kein oder nur ein geringes vollständiges, barrierefreies interaktives E-Government Serviceangebot.“

„Die App eröffnet den Zugang zu Österreichs digitalen Amtsservices und informiert über Verwaltungsprozesse, aufbereitet nach Lebenssituationen. Derzeit können rund über 200 Services genutzt werden “ Florian Tursky, Staatssekretär

Services für Unternehmer
Auch für Unternehmer hat sich in Sachen der Digitalisierung von Amtsgeschäften in Österreich einiges getan. Aktuell sind mehr als 90 Services über das Unternehmens-Serviceportal (USP) verfügbar. Dazu gehören unter anderem Finanzonline und das ePostfach für behördliche Nachrichten. Das USP bringe enorme  Erleichterungen für Unternehmer mit sich, da mithilfe eines einzigen Zugangs verschiedene E-Government Anwendungen genutzt werden können („Single-Sign-On“), berichtet Mariana Kühnel, stellvertretende Generalsekretärin der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ). Das USP wurde 2010 auf Initiative der  Bundesregierung ins Leben gerufen und hat zum Ziel ein zentraler One-Stop-Shop zu sein, in dem  Unternehmer sämtliche für sie wichtigen Erledigungen digital abwickeln können und Verwaltung so einfach wie möglich zu gestalten. Das Motto: nicht der Bürger kommt zum Amt, sondern das Amt kommt zum Bürger.

Zu den online zu erledigenden Services werden in rund 120 Themenbereichen, die das Unternehmertun  betreffen, Tipps und Tricks angeboten. Über das USP gibt es auch die Möglichkeit, eine Gründung zu starten  und sämtliche Schritte der Unternehmensgründung (für Einzelunternehmen und Ein-Personen-GmbHs) an einer Stelle online durchzuführen. „Die Digitalisierung“, ist Kühnel überzeugt, „ist das Trampolin in die Zukunft für alle Unternehmerinnen und Unternehmer. Die Wirtschaftskammer unterstützt mit über 90 Beratungsstellen in ganz  Österreich Gründerinnen und Gründer bei ihrem Start in die Selbstständigkeit, zum Beispiel bei der eelektronischen Gewerbeanmeldung oder der Beantragung der Neugründungsförderung. Der Großteil der  Gründungen – rund 80 Prozent – sind Einzelunternehmen und freie Gewerbe – in Österreich kann das sehr rasch
und unbürokratisch erfolgen.“

Digitales Wissen gefragt
Im internationalen Vergleich sei Österreich schon weit vorne, betont Staatssekretär Tursky. „Im jährlichen Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft (DESI) über alle EU-Mitgliedstaaten konnten wir uns bereits zum zweiten Mal in Folge unter den Top 10 behaupten, wollen aber natürlich besser werden. Gerade in der Digitalisierung gibt es immer Luft nach oben.“ Er sieht es als seinen Auftrag, Österreich bis 2025 in der Digitalisierung unter die Top 5 zu bringen „und so in eine digitale Zukunft zu führen.“ Auch Mariana Kühnel  attestiert Österreich im Vergleich zu anderen europäischen Ländern wie etwa Deutschland einen „recht hohen“ digitalen Reifegrad in Sachen E-Government-Angebote für Bürger. Sie verweist auf das „eGovernment Monitoring 2022“, laut dem rund 72 Prozent der Österreicher elektronische Verwaltungsleistungen nutzen, gefolgt von der Schweiz (61 Prozent) und Deutschland (54 Prozent). „Bei den digitalen öffentlichen Diensten für Unternehmen  liegt Österreich aber noch im EU-Durchschnitt – da ist also noch klar Luft nach oben.“

Christian Rupp verweist darüber hinaus, dass auch mehr Menschen nötig sind, die digitales Wissen haben – nur so könne der digitale Wandel gelingen. „Die Schlagwörter Digitalisierung, Automatisierung, Künstliche Intelligenz allgegenwertig. Um den digitalen Wandel schnell zu vollziehen und die Transformation zu schaffen braucht es dringend Digital Skills auf allen Ebenen.“

Verwaltung in der Cloud
Mariana Kühnel von der Wirtschaftskammer würde sich wünschen, dass zukünftig alle Behörden auf  elektronischem Wege erreichbar sein sollten. Es wäre sinnvoll, Services von Bund, Ländern und Gemeinden in einem gemeinsamen Portal zu bündeln. Außerdem sollten Kosteneinsparungen, die in der Verwaltung durch E-Government-Lösungen erzielt werden, in Form von Abgaben- und Gebührensenkungen an Unternehmer weitergegeben werden. Davon würde in weiterer Folge nämlich auch der Wirtschaftsstandort Österreich profitieren. „Wichtig ist uns auch ein durchgehender digitaler Gründungsprozess für alle Gründerinnen und Gründer mit einer begleitenden Beratung – von der Eintragung ins Firmenbuch bis zur Anmeldung des ersten Mitarbeiters. So können wir sicherstellen, dass die Unternehmen betriebswirtschaftlich nachhaltig gut  aufgestellt sind und Ideen für die Herausforderungen der Zukunft entwickeln können.“

Die nächsten drei Jahre, prognostiziert Christian Rupp, werden geprägt sein von Aktivitäten rund um eine  Verwaltungscloud, dem mobil first und digital only Ansatz, Datenökonomie (Musterbeispiel Data Excellence Strategie Stadt Wien), Unterstützung durch künstliche Intelligenz (z.B. Chatbots) sowie durch eine Digital Wallet (zum Beispiel die eAusweise in Österreich). „Und wir werden auch in den nächsten fünf Jahren öfters über das  Metaverse diskutieren. Die Erfolgsbasis für erfolgreiche Digitalisierung sind eine einheitliche Strategie,  gemeinsamen Standards und Open Source Tools, die in einer Partnerschaft zwischen Bund, Ländern, Städten,  Gemeinden und Wirtschaft gelebt werden.“

„Bei den digitalen öffentlichen Diensten für Unternehmen liegt Österreich aber noch im EU-Durchschnitt – da ist also noch klar Luft nach oben.“ Mariana Kühnel, WKO