Geld und Liebe: Warum Paare über ihre Finanzen reden sollten
Über Geld spricht man nicht, man hat es, so ein Sprichwort. Während davon Ersteres in Österreich mit Sicherheit gilt, ist Zweiteres für viele nur Wunschdenken. Insbesondere für Frauen. Nach wie vor zählt Österreich im EU-Vergleich zu den Ländern mit der größten Gender Pay Gap, also dem größten Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern. Dieser liegt laut Eurostat, dem Statistischen Amt der Europäischen Union, mit 18,8 Prozent deutlich über dem EU-Schnitt von 12,7 Prozent.
Auch nach der Erwerbstätigkeit setzt sich der Einkommensunterscheid fort und wird sogar noch größer. So lag 2022 die Gender Pension Gap in Österreich bei über 40 Prozent. Laut der Jahresstatistik der Pensionsversicherung betrug die monatliche Bruttopension von Männern im Schnitt 2.162 Euro, jene von Frauen nur 1.285 Euro. Sie liegt damit unter der Armutsgrenze von 1.392 Euro. In Österreich sind aktuell 18 Prozent der Frauen über 65 Jahren armutsgefährdet.
"Wurzel des Übels"
Eine Ursache für weibliche Altersarmut: Frauen arbeiten öfter in schlechter bezahlten Berufen und sind seltener in Führungspositionen zu finden als Männer, die wiederum häufiger im besser entlohnten MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik) tätig sind. "Die Gender Pay Gap ist die Wurzel des Übels", meint Klaudia Frieben, Vorsitzende des Österreichischen Frauenrings, der Dachorganisation österreichischer Frauenvereine. "Der Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern beruht auch auf der unterschiedlichen Bewertung von Arbeit. Das betrifft sowohl die sogenannten frauentypischen Berufe als auch die Care-Arbeit. Die machen Frauen meist unbezahlt."Dabei gehe es einerseits um die Kinderbetreuung, aber auch um die Pflege naher Angehöriger.
Die Gender Pay Gap gehe nahtlos in die Gender Pension Gap über, so Frieben. "Hier wirkt sich dann einerseits die schlechtere Bezahlung aus. Andererseits haben wir ein Pensionsrecht, das nicht der Realität der Frauen entspricht. Es orientiert sich vielmehr an einem in Vollzeit beschäftigten Mann."
Diese Einschätzung teilt auch Marietta Babos, Finanzberaterin und Gründerin von Damensache (www.damensache.at),einer Plattform zur unabhängigen Finanzberatung von Frauen. "Die letzte Umstellung des Pensionssystems war für Frauen nicht vorteilhaft." Bis 2003 hatte man die 15 bestbezahlten Erwerbsjahre als Durchrechnungszeitraum für die Pension genommen, mittlerweile beträgt der Bemessungszeitraum 40 Jahre. "Da sind die Karenz-und die Teilzeitjahre ebenso dabei. Die wirken sich dann für Frauen brutal aus."
Teilzeit kostet Pension
Viele Frauen befänden sich ihr Einkommen betreffend ab dem ersten Kind im freien Fall. Und das nicht nur jahresondern jahrzehntelang (siehe Abbildung Erwerbsbiografien im Vergleich),so Marietta Babos. "Das hat für Frauen drei fatale Folgen: Einerseits fehlt das Geld, das man nicht mehr verdient. Zweitens findet man schwer wieder auf den Karriereweg zurück. Und drittens hängt die Pension von der Anzahl der Beitragsmonate und vom Bruttogehalt ab."
Laut Statistik beträgt die Teilzeitquote der Frauen in Österreich fast 50 Prozent; im EU-Durchschnitt arbeitet dagegen nicht einmal ein Drittel in Teilzeit. Die Teilzeitquote der 25-bis 49-jährigen Frauen mit Kindern unter 15 Jahren liegt sogar bei über 70 Prozent.
Welche Auswirkungen Karenz und Teilzeit auf die Pensionshöhe haben, zeigt das Projekt "TRAPEZ-Transparente Pensionszukunft" der Sektion Frauen und Gleichstellung im Bundeskanzleramt (www.trapez-frauen-pensionen.at) auf. Das Beispiel einer 1975 geborenen Sozialarbeiterin, die nach der Geburt ihrer Tochter mit 34 Jahren in Elternkarenz geht und danach bis zur Pension aufgrund von Care-Arbeit und der Pflege der Eltern nur in Teilzeit 20 Wochenstunden arbeitet, macht eindrucksvoll deutlich: Sie erhält auf diesem Lebensweg weniger als 1.600 Euro Pension im Monat. Würde sie sich jedoch Kinderbetreuung und Pflege mit dem Partner teilen und bis zur Pensionierung in qualifizierter Teilzeit im Ausmaß von 33 Wochenstunden arbeiten, blieben ihr später einmal rund 2.000 Euro Pension. Also 400 Euro mehr. Monatlich. Netto.
Gemeinsam informieren, gemeinsam handeln
Der Grundstein für eine finanzielle Absicherung in der Zukunft liegt also in der Gegenwart. Einerseits für Eltern in einer gerechten Aufteilung der Betreuungs-und Care-Arbeit und damit im Ermöglichen eines baldigen Wiedereinstiegs in einen lukrativen Job. Andererseits in einer fairen Finanzaufteilung innerhalb der Partnerschaft, um privat zumindest einen kleinen Ausgleich für die Gender Pay und Gender Pension Gap zu schaffen. Die Voraussetzung dafür: ein offenes Gespräch, wie Marietta Babos erklärt. "Ich appelliere, das Thema dem Partner gegenüber offen anzusprechen. Meiner Erfahrung nach wird die Problematik gerade von Männern oft einfach nicht gesehen, weil sie nicht explizit aufgezeigt wurde." Nachsatz: "Die meisten sind dann sehr wohl einsichtig. Zumal beide im Jetzt von einem höheren Gehalt und später-sofern man zusammenbleibt-von einer höheren Pension der Frau profitieren."
Babos plädiert gerade beim "Zukunftsthema" Pensionen gemeinsam umfassende Informationen einzuholen. "Machen Sie sich bei der Pensionsversicherungsanstalt einen Termin aus, um sich darüber zu informieren, was Teilzeit für Ihre spätere Pension bedeutet. Informieren Sie sich, wie hoch diese sein wird".Alternativ kann man die Entwicklung des Pensionskontos und der Pension beispielsweise auf der Website www.pensionskontorechner.at berechnen lassen.
Ausloten aller Möglichkeiten
Zeigt das Ergebnis, dass man im Alter den Lebensstandard nicht halten wird, muss man sich schon jetzt gemeinsam Gedanken machen, wie diese Lücke geschlossen werden kann. Ein Hebel: die private Vorsorge, die neben der gesetzlichen Pension und der betrieblichen Vorsorge als freiwillige Sozialleistung des Arbeitgebers das "Drei-Säulen-Modell" der Altersvorsorge ergänzt. Hier entscheidet man selbst, wie viel Geld man in eines der unterschiedlichen Produkte, die Versicherungen und Banken (etwa Fondssparpläne oder private Pensionsversicherungen) anbieten, steckt. Auch ein Depot mit ETF-Sparplan bei einem Online-Broker oder der Erwerb anderer Assetklassen wie einer vermieteten Immobilie oder Gold bieten sich zur Absicherung an.
Sind Ersparnisse oder monatlich ein Sparbetrag zur Veranlagung vorhanden, kann-nach eingehender Information-eine Veranlagung ins Auge gefasst werden. Wofür man sich dabei auch immer entscheidet: Die aktuelle wirtschaftliche Sicherheit stehe im Vordergrund, so Marietta Babos. So sollte man im Idealfall die drei-bis sechsfachen monatlichen Ausgaben angespart haben, bevor man an die Zukunft denkt. "Denn wenn heute gleichzeitig Kühlschrank und Auto eingehen, muss man diese Kosten tragen können."
Mit Drei-Konten-Modell auf Augenhöhe bleiben
In Österreich ist die private Altersvorsorge bislang kaum von Bedeutung: 90 Prozent der aktuellen Pensionseinkünfte stammen hierzulande aus der gesetzlichen Pension, lediglich vier Prozent aus Privatvorsorge. Auch in Zukunft wird sich daran aufgrund der aktuellen Teuerungen kaum etwas ändern. Die Sparquote für Gelder, die in die private Altersvorsorge fließen können, zu erhöhen, wäre aber ein wichtiger Schritt für die Absicherung. Doch woher nehmen? Expertin Babos rät Paaren generell zu einem Drei-Konten-Modell. Bei diesem werden alle Einnahmen auf ein Gemeinschaftskonto eingezahlt, von welchem dann sämtliche monatlichen Ausgaben der Partnerschaft beglichen werden: Miete, Haushalt, Lebensmittel, Auto, gemeinsame Urlaube-und natürlich alles, was etwaige Kinder betrifft. Ist am Monatsende noch Geld am Konto, wird dieses zu gleichen Teilen auf die beiden Konten der Partner aufgeteilt, um persönliche Ausgaben sowie die Einzahlungen in die eigene, private Altersvorsorge zu decken und so die Pensionslücke zu schließen.
Alternativ können sich Paare ihre Einkommen auch auf die eigenen Konten überweisen lassen und von diesen die vorab berechneten monatlichen Ausgaben auf das Gemeinschaftskonto abführen. Wie hoch der Betrag jeweils ist, ist dann Verhandlungssache. Die Aufteilung kann zu gleichen Teilen erfolgen oder prozentual nach Einkommen.
"Mit dem Drei-Konten-System bleibt man auf Augenhöhe. Und man hat damit im Idealfall sogar die Möglichkeit, etwas anzusparen",sagt Marietta Babos. "Ich verstehe ja, dass man unabhängig sein will, aber eine Partnerschaft ist auch eine wirtschaftliche Einheit. Insbesondere, sobald ein Kind da ist."
Pensionssplitting nutzen
Eine weitere Möglichkeit, einen Ausgleich zu schaffen, ist das sogenannte Pensionssplitting, das Eltern in Österreich freiwillig vereinbaren können. Dabei kann der erwerbstätige Elternteil Teile seiner Kontogutschrift an den Erziehenden übertragen. Jener Elternteil, der sich der Kindererziehung widmet, erhält dafür eine Gutschrift am Pensionskonto. Teilgutschriften können vom Kalenderjahr der Geburt bis zum Kalenderjahr, in dem das Kind sieben Jahre alt wird, übertragen werden. Wenn mehrere Kinder geboren wurden, sind Übertragungen für insgesamt maximal 14 Kalenderjahre möglich. Teilgutschriften, die nicht auf eine Erwerbstätigkeit zurückgehen (Arbeitslosen-oder Krankengeld),können nicht übertragen werden. Das Splitting können auch unverheiratete Elternpaare beantragen.
Klaudia Frieben begrüßt das Pensionssplitting als freiwillige Maßnahme zwar prinzipiell, sieht allerdings noch viele offene Fragen; beispielsweise, was passiert, wenn man sich scheiden lässt und weitere Kinder in einer neuen Partnerschaft bekommt. Pensionssplitting sei außerdem keine nachhaltige Maßnahme, um die Gender Pension Gap zu schließen, so Frieben: "Frauen sind dadurch wieder vom Einkommen des Mannes abhängig. Entscheidend aber ist, dass Frauen die Möglichkeit bekommen, ganztätig zu arbeiten. Und dass Betreuungsarbeit zur partnerschaftlichen Arbeit wird. Es muss in der Gesellschaft ein Umdenken stattfinden: Frauen sind nicht für die Betreuungsarbeit hauptverantwortlich", sagt die Frauenring-Vorsitzende. Klar ist auch: Beim Pensionssplitting bleibt der Person, die ihre Pensionsbeiträge überträgt, letztlich weniger Pension.
Entscheidend ist, dass Frauen die Möglichkeit bekommen, ganztätig zu arbeiten. Und dass Betreuungsarbeit zur partnerschaftlichen Arbeit wird.
Freiwillige Höher-und Selbstversicherung
Neben Pensionssplitting besteht auch die Möglichkeit einer freiwilligen Höherversicherung, mit der der künftige gesetzliche Pensionsanspruch erhöht wird. Sie kann nur zu einer in der Pensionsversicherung bereits bestehenden Pflicht-,Weiter-oder Selbstversicherung eingegangen werden. Die Höhe der Beiträge kann dabei ebenso wie der Zeitpunkt der Zahlung(en) frei gewählt werden. Auch der Beginn und das Ende der Höherversicherung steht der oder dem Versicherten frei. Da es sich um eine freiwillige Einzahlung handelt, kann auch der finanziell besser gestellte Partner die Einzahlung für den anderen tätigen.
Personen ohne oder mit zu wenig Versicherungszeiten für eine Höherversicherung können eine Selbstversicherung in Anspruch nehmen. Diese schafft die Grundlage für eine anschließende Weiterversicherung. Da sich Menschen ohne Erwerbstätigkeit (also in der Regel Frauen) die Beiträge wohl nur schwer leisten können, können die erwerbstätigen Partner (in der Regel Männer) diese übernehmen und so die Basis für die Pensionsvorsorge legen.
Unabhängigkeit im Fokus
Gender Pay und Gender Pension Gap lassen sich also in der Partnerschaft durch eine faire Regelung der Finanzen und Care-Arbeit sowie private Vorsorge etwas schließen. Einig sind sich die Expertinnen aber darüber, dass sich auch die Rahmenbedingungen in Österreich ändern müssen. "Kinder und Job müssen vereinbar sein", betont Klaudia Frieben. "Und: Wir brauchen Lohntransparenz. In Ländern, in denen es diese gibt, werden die Probleme nachvollziehbar und es kann daran gearbeitet werden." Zudem müssten die Bestrebungen, Frauen für MINT-Berufe zu begeistern verstärkt werden. Denn: "Ökonomische Absicherung löst auch viele andere Probleme. Stichwort: Unabhängigkeit. Derzeit bin ich als Frau in der Pension meist nur abgesichert, wenn ich verheiratet bin oder war." Und Marietta Babos erklärt: "In Skandinavien kommt man gar nicht in die Führungsetage, wenn man als Familienvater nicht in Teilzeit gearbeitet hat. Das ist auch bei uns machbar."
Text: Daniela Schuster