Staudinger: "Ich setze die Maske in Wien nicht auf"
Der Waldviertler Schuhfabrikant und Kandidat zur Bundespräsidentschaftswahl, Heinrich Staudinger, will sich nur an Gesetze halten, die für ihn „einen Sinn haben“. Ist so jemand für das höchste Amt im Staat überhaupt denkbar?
Warum tun Sie sich mit 69 Jahren diese Bundespräsidentenwahl an, bei der Sie keine Chance haben?
Heinrich Staudinger
„Pogo“ und ich sind doch die einzigen zwei Jungen im Rennen. Die anderen kommen mir so alt vor.
Bei der ersten Diskussion mit den anderen Kandidaten im ORF-Zentrum haben sie nicht sehr jugendlich-frisch gewirkt.
Staudinger
Ich war krank und hatte Fieber - wegen eines entzündeten Zahnes. Danach habe ich 18 Stunden geschlafen und war wieder fit.
Sie sind neben dem Musiker und Gründer der Bierpartei, Dominik Wlazny alias Marco Pogo, der zweite linke Herausforderer von Alexander Van der Bellen. Warum soll man Sie und nicht Pogo wählen?
Staudinger
Er hat Erfahrung als Musiker, ich seit 40 Jahren als Unternehmer. Dazu: Ich will eine Stimme für Mutter Erde sein. In Österreich ist der Welterschöpfungstag am 6. April. Ab diesem Datum leben wir über unsere Verhältnisse. Wir bräuchten also vier Erden.
Van der Bellen ist ein Grüner. Ist er keine Stimme für Mutter Erde?
Staudinger
Seine Stimme war kaum hörbar. Von ihm als Wirtschaftsprofessor hätte ich mir erwartet, dass er unsere Abhängigkeiten beschreibt und uns zur Besinnung ermahnt. Wir produzieren fast nichts mehr im eigenen Land. Sogar das Brot im Supermarkt stammt nur noch zu 30 Prozent aus österreichischem Getreide. Das ist doch durchgeknallt. Wir sind selbst Natur.
Ich bin ein Prediger. Frei nach John Lennon: Mag schon sein, ich bin ein Träumer. Aber ich bin nicht allein. Amen.
Heinrich Staudinger
Sie klingen wie ein Prediger.
Staudinger
Ich bin ein Prediger. Frei nach John Lennon: „Mag schon sein, dass du sagst, ich bin ein Träumer. Aber ich bin nicht allein.“ Amen.
Sie sind nach wie vor ungeimpft und stehen dazu. Sind Sie ein Kandidat für Impfgegner?
Staudinger
Ich bin kein Impfgegner. Ich habe alle möglichen Impfungen – von Kinderlähmung bis Tetanus. Aber mich stört die Propaganda rund um die Corona-Impfung.
An welchem Punkt in der Pandemie hätten Sie als Präsident gegen die Maßnahmen aufbegehrt?
Staudinger
Als die sozialen Schäden der Maßnahmen sichtbar wurden, mit zerrissenen Familien und Depressionswellen, hätte ich eine strengere Prüfung der Maßnahmen auf soziale Folgen hin eingemahnt. Vom grünen Gesundheitsminister hätte ich mir erwartet, dass er für eine bessere Immunabwehr wirbt, etwa durch mehr Bewegung an der frischen Luft. Stattdessen schürte er Angst. Und die ist das größte Gift für das Immunsystem.
Staudinger würde mit der Angelobung von Herbert Kickl als Innenminister zögern und sieht sich selbst als Prediger.
Mit Bewegung und Zuversicht gegen das Virus, da stellt es Virologen die Haare auf.
Staudinger
Ich könnte Experten zitieren, die das anders sehen.
Die sind aber allesamt Außenseiter.
Staudinger
Für mich und viele andere nicht.
Wenn Sie mit dem Zug nach Wien fahren, setzen Sie an der Stadtgrenze die Maske auf wie vorgeschrieben?
Staudinger
Ein Teil setzt die Maske auf, ein Teil nicht. Zu welcher Gruppe gehöre ich, denken Sie?
Trauen Sie sich nicht, eine klare Antwort zu geben?
Staudinger
Ich setzte die Maske nicht auf, weil ich bei einer solchen Absurdität nicht mitmache. Ich halte mich gerne an Gesetze, die einen Sinn haben. Die Gesetzgebung ist gut beraten, mit der Vernunft der Menschen zu rechnen, sonst verliert sie die Menschen – siehe die vielen Fahrgäste ohne Maske.
Was unterscheidet Sie vom Präsidentschaftskandidaten der Impfgegnerpartei MFG, Michael Brunner?
Staudinger
In Sachen Impfung ist er unglaublich kompetent. Er hat eine wertvolle Aufgabe. Dennoch sollte man mich wählen, weil es mir nicht nur ums Impfen geht, sondern auch um Mutter Erde, ein Wirtschaftsmodell für Klein- und Mittelbetriebe, um Dörfer, die nicht aussterben.
Was meinen Sie damit?
Staudinger
Früher gab es selbst in 100-Seelengemeinden einen Wirten, Schneider, Schuster, Schmied. Heute gibt es oft keinen einzigen Ort mehr, an dem soziale Nähe und Wärme entstehen kann.
Was soll ein Bundespräsident daran ändern?
Staudinger
Zum Beispiel eine Mehrwertsteuerbefreiung für Klein- und Mittelbetriebe, bis sie ihre Startnachteile gegenüber Konzernen wettgemacht haben.
1984 wurde die "Waldviertler Schuhwerkstatt" in Schrems, Niederösterreich, eröffnet. Zunächst unter Selbstverwaltung. Staudinger wurde 1991 Miteigentümer.
Im Kommunismus ging es Betrieben auch nicht besser, sondern schlechter. Sie bezeichnen sich als Kommunist. Schon deswegen sind Sie für viele unwählbar.
Staudinger
Unter Kommunismus verstehe ich: Teilen und den Armen geben. Ich bin ja auch Christmensch. Beides passt zusammen.
Kommunismus à la Stalin, oder Tito, dem früheren Diktator Jugoslawiens?
Staudinger
Im Sinne der Grazer KPÖ. Aber weil Sie Tito sagen: Diese Schuhfabrik hier ist 1984 als selbstverwalteter Betrieb gegründet worden – nach dem Vorbild des damals kommunistischen Jugoslawiens. Einziger Gesellschafter war ein Verein. Das Modell finde ich nach wie vor super.
Stehen Sie als Kommunist hinter der Parteiendemokratie?
Staudinger
Dass sich Gruppen in Parteien organisieren, halte ich für sinnvoll.
Zu einer anderen grünen Tradition: Zivilem Ungehorsam. Was halten Sie von Klimaaktivisten, die sich auf Straßen ankleben?
Staudinger
Wunderbar! Ich gehörte zu den Pionieren von Verkehrsblockaden.
Bei solchen Blockaden kommt es immer wieder zu Gesetzesübertretungen.
Staudinger
Wir stehlen den jungen Menschen ihre Zukunft. Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht.
Heinrich Staudinger
wurde 1953 in Oberösterreich geboren. Nach mehreren Studienabbrüchen eröffnete er 1980 ein Schuhgeschäft in Wien, aus dem sich später das Unternehmen GEA entwickelte. 1984 wurde in Schrems im Waldviertel eine Schuhfabrik gegründet, die zunächst unter Selbstverwaltung stand. Anfang der 1990er wurde er Mit- und später Mehrheitseigentümer. Während der Corona-Pandemie positionierte sich Staudinger als Maßnahmen- und Impfskeptiker. Er war einer der ersten in Österreich, die auf Crowdfunding gesetzt hatten und finanzierte sein Geschäftsmodell nicht über Bankkredite, sondern Mikro-Darlehen von Privatpersonen. Damit geriet er ins Visier der Finanzmarktaufsicht.
Seit 2015 Allrounder in der profil-Innenpolitik. Davor Wiener Zeitung, Migrantenmagazin biber, Kurier-Wirtschaft. Leidenschaftliches Interesse am Einwanderungsland Österreich.