Stefanie Sargnagel am Opernball 2024.
Opernball

Stefanie Sargnagel besuchte den Opernball: „Eskalationen in der Falstaff-Champagner-Lounge”

Abgrundtief unterhaltsam und „vom Wahnsinn getrieben”: Wie Stefanie Sargnagel in einem „Hauch von Nichts“ auf den Opernball ging und aus dieser Erfahrung eine Theatergroteske entstand, die demnächst im Wiener Rabenhoftheater Premiere feiert.

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Federn, Pelze, Edelsteine, Knochen. Höcker wippen im Wind der Innenstadt. Ich stecke fest zwischen festgezurrten Körpern, die gezwängt sind in groteske Fetzen, aus denen das Fleisch quillt. Alles glitzert, reflektiert, blendet, und Stöckel klopfen laut wie die Hufe einer Herde.“So lautet der Auftakt zu „Opernball“, einem Text von Stefanie Sargnagel. Die Underground-Prinzessin der Literatur im goldenen Safaripark der High Society, irgendwo zwischen Karl Kraus und Elfriede Jelinek, besuchte 2024 im Zuge eines Stückauftrags seitens des „Rabenhof“-Theaters den Opernball. Ihre Eindrücke, die nicht nur von scharfsinnigem Zynismus, sondern auch von Selbstironie und einer unverhohlenen Zärtlichkeit für die Absurdität des Events geprägt sind, bringt die erprobte Sargnagel-Regisseurin Christina Tscharyiski als „Groteske“ auf die Bühne: Tscharyiski, die mittlerweile auch in Deutschland eine gefragte Theaterregisseurin ist, sieht die Dynamik des Opernballs aus der Perspektive der „Steffi“ als einen „Culture Clash, denn der dortige Wahnsinn taugt ja noch immer zu einem Klassenkampf, bei dem das Großbürgertum sich den Luxus erlaubt, sich selbst zu feiern“. „Opernball” feiert am 25. Februar im Wiener Rabenhoftheater Premiere.

„Mief steigt aus den Fettfalten” 

Die Menge, so der Sargnagel-Text, „ist eingezäunt mit einem Gatter wie Vieh bei Auktionen. Mief steigt aus den Fettfalten. Bussi, Bussi. Bussi, Bussi. Bussi, Bussi. 2 x. Man spricht eher mit Blicken.“Das Spannende an dem Text selbst ortet die Regisseurin bei ihrem vierten Sargnagel-Theaterprozess in der Tatsache, „dass die Steffi sich ja selbst auch voll involviert und nicht nur erwartungsgemäß mit einer Gesellschaft abrechnet, sondern auch mit sich selbst. Denn das verbindet uns ja beide auch irgendwie. Wir kommen beide aus der Underground-Kultur, unsere Jugend ist irgendwie vorbei, und wir sind jetzt im Establishment kultureller Institutionen gelandet. Eigentumswohnung statt Leben im Gemeindebau. Und abends wahrscheinlich zu müde aufgrund vieler Verpflichtungen, bei Protestaufläufen vor der Oper rote Farbe auf Pelzmäntel zu sprühen.“

Im Text beschreibt Sargnagel das Ermatten der Protestkultur so: „Kompromissloser scheinen die schwarz gekleideten StudentInnen. Viel weniger als früher. ‚WIR KÖNNEN UNS DIE REICHEN NICHT MEHR LEISTEN‘, schreien sie, aber für echte Eskalation ist der Hass nicht groß genug. Früher wollten sie den Gästen am liebsten die Champagnerflöten durch die Gurgel stoßen, heute ist eine gewisse Trägheit zu spüren.“

Allein durch „mein musisches Talent“ gleite Sargnagel „vom Vorstadtbeisel in die höfische Gesellschaft“ und lässt sich davor von einer Styling-Armada ballfein machen: „Die schwammige Wampe der McDonald’s-Kindheit wird in Palmers Shapewear Strong gestopft, die alles zusammenpresst, und seitdem steht der Bauch fest wie das Zwerchfell einer Kammersängerin nach oben. Sie dehnen den Hals. Das tut am meisten weh. Zu dritt ziehen sie an den Ohren die verkrümmten Wirbel aus dem Rumpf. Und nun keuchen sie, lassen die Arme sinken, und mit dem letzten Schwung der Hand streuen sie Glitzer über das Werk, der rieselt wie das allerletzte Gewürz über einen Auflauf. Aus dem Spiegel blicken jetzt eine dramatische Wikingerin, eine Walküre. Eine Matrone, eine Oligarchenwitwe, die Nichte eines Ölmillionärs, die Schwester eines Kriegsverbrechers auf einer serbischen Hochzeit.“ Persönliche Interviews vor der Premiere hat Stefanie Sargnagel leider abgesagt, doch profil durfte ihr einen Fragenkatalog schicken.

Angenommen man müsste jemanden, der überhaupt keine Ahnung hat, erklären, was der Opernball ist und was er für dieses Land für eine Bedeutung hat: Wie würde diese Erklärung aussehen?

Stefanie Sargnagel

Die gehobene Wiener Society spielt gemeinsam das 19. Jahrhundert nach, innerlich vergreiste Jugendliche werden in die Gesellschaft eingeführt, die Industriellenvereinigung tüftelt in lockerer Atmosphäre an der Abschaffung der Arbeiterkammer und Champagner-Sozialisten essen Würstel um 30 Euro, alle schauen im Fernsehen zu .

Haben Sie sich amüsiert bei Ihrem Besuch im letzten Jahr oder fiel es eher in die Kategorie Tortur?

Sargnagel

Ich wollte den Ball als Außenseiterin besuchen wie schon 2015 für das „Vice Magazin”, wurde aber immer wieder als bekannte Künstlerin, die ich mittlerweile bin, integriert. Das war schon schmerzhaft und ich musste immer wieder mal aufs Klo weinen gehen.

Angelika   Hager

Angelika Hager

leitet das Gesellschafts-Ressort