Henrike Brandstötter zur Medienpolitik: Gefangen im Möbiusband
Die Medienministerin sieht keinen Anlass, dem ORF eine Gremienreform zu verpassen. Dies stünde nicht im Regierungsprogramm, lässt sie ausrichten. Unterdessen kommentiert die grüne Mediensprecherin launig die Sideletter, in denen sich ÖVP und Grüne ORF-Posten aufgeteilt haben: Man habe sich entscheiden können, ob man „naive Idioten“ oder „korrupte Idioten“ sein möchte. Erstaunlich die Selbstbezichtigung als Letzteres. Während das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in Politik und Medien rapide sinkt, Österreich im Ranking der Pressefreiheit auf Platz 31 abstürzt, im Demokratie-Index nicht mehr als liberale Demokratie geführt wird und uns der renommierte Reuters Digital News Report handfeste Glaubwürdigkeitsprobleme attestiert, fiedelt sich die Regierung wie die Band auf der Titanic dem Untergang entgegen.
Leider reißt sie dabei den Glauben an Demokratie und Rechtsstaatlichkeit mit. Dabei gäbe es in Sachen Medienlandschaft viel zu besprechen. Im Sommer habe ich an dieser Stelle begonnen, über Medienpolitik zu diskutieren. Wenn wir über Medien reden, landen wir sehr schnell beim ORF und dabei, wie viel Geld er bekommen soll. Vermieden wird dabei jede Diskussion darüber, was eine zeitgemäße Rundfunkanstalt heute tun kann und tun sollte. Deshalb wird auch bei anderen Medienhäusern gerne darüber gesprochen, wer wie viel Geld bekommen soll. Übersprungen wird dabei jede Debatte, welche Medienlandschaft wir mit diesem Geld unterstützen wollen. Vor allem Medienministerin Susanne Raab scheut jede inhaltliche Diskussion über Medienpolitik.
In einer Zeit, in der vieles im Umbruch ist, vermisse ich allerdings agilere Unterstützungskonzepte, die mehr Experimentierfreude wachsen lassen.
Stattdessen präsentierte sie einen neuen Topf für Qualitätsförderung, der zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal in der parlamentarischen Begutachtung war, auf einer Medienkonferenz. In München. Schon vom Vorgänger aufgesetzt wurde die Digitaltransformationsförderung. Dieser Tage wurden unter diesem Titel 54 Millionen Euro unter privaten Medienhäusern verteilt. Paradoxerweise dabei ausgeschlossen sind junge Digitalmedien, die für neue Zielgruppen und mit neuen Geschäftsmodellen arbeiten. Während die Kleinen leer ausgehen, werden einige große Medienhäuser gut bedient. Ich gönne es allen, und ich bin überzeugt, dass in sehr vielen Verlagen sehr kluge Köpfe an Digitalisierung und neuen Wegen zu den Leserinnen und Lesern arbeiten. In einer Zeit, in der vieles im Umbruch ist, vermisse ich allerdings agilere Unterstützungskonzepte, die mehr Experimentierfreude wachsen lassen.
Statt unkonventionelle Zugänge zu fördern, werden Kirchenzeitungen finanziert. Statt zivilgesellschaftliche Relevanz in den Fokus zu stellen, bekommt die Medienplattform eines ÖVP-Großspenders, die antisemitische Karikaturen veröffentlicht, über 700.000 Euro an weiteren Förderungen. Statt maximale Transparenz zu garantieren, werden Millionen von der zuständigen Behörde verteilt – ohne jede veröffentlichte Begründung. Statt medienethisches Verhalten einzufordern, ist nicht einmal die Mitgliedschaft im Presserat vonnöten. Statt Kollaborationen und Innovationen zu fördern, gehen Förderungen an die großen Verlage – von denen dafür wiederum große Projekte und großes Eigeninvestment verlangt werden.
Diese Förderstrukturen schaffen kein Klima der Innovation. Sie schaffen die Versuchung, Fördergelder als Lückenfüller für Budgetlöcher einzusetzen. In der wirtschaftlichen Situation der meisten Medienhäuser ist das auch verständlich. Dennoch ist es schade, dass die Medienpolitik der Regierung es nicht schafft, hier andere Anreize zu setzen. Statt eines Flickwerks neuer Förderungen mit neuen Bedingungen brauchen wir eine klar strukturierte Medienförderung mit klaren Qualitätskriterien. Diese muss zwingend den Wildwuchs an öffentlichen Inseraten ablösen und Medien und Politik aus ihrem Dauerringelspiel von Zuckerbrot und Peitsche befreien. Wenn die Regierung diese Hausaufgaben gemacht hat, dann wird auch Spielraum für die Unterstützung von Innovationsprojekten entstehen.
So hätte es auch bei der „Wiener Zeitung“ geschehen können. Die Pflichtveröffentlichungen sind Geschichte, und das ist gut so. Jeder Euro, den Unternehmerinnen und Unternehmer nicht für das zwangsweise Veröffentlichen ihrer Bilanzen und Jahresabschlüsse ausgeben müssen, ist ein Euro, der in Innovation und Arbeitsplätze fließen kann. Leider hat sich eine visionslose Medienministerin für den denkbar schlechtesten Weg entschieden: Für die älteste Tageszeitung der Welt werden nun Budgets freigemacht, damit die Redaktion irgendetwas nicht näher Definiertes online produziert. Konkreter ist man bei der Journalismusausbildung, die man sich als Bundeskanzleramt im Umfeld der „Wiener Zeitung“ selbst baut.
Die Ideen stammen aus der Feder jenes Mannes, der für Sebastian Kurz Medienschaffende zur Schnecke gemacht hat. Gegen ihn ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft derzeit in der Inseratenaffäre. Der Vorwurf: Das Team rund um den ehemaligen Bundeskanzler soll sich mit Inseraten positive Berichterstattung gekauft haben. Der Beschuldigte ist seit wenigen Tagen wieder Kommunikationsleiter der ÖVP. Und eine Deckelung der Inseratenausgaben der öffentlichen Hand – 220 Millionen Euro pro Jahr – kann sich die Medienministerin nicht vorstellen.
Die Medien sind vielfach gefangen in diesem Möbiusband. Der liederliche Umgang der Regierung wird weder den Medienhäusern gerecht noch den Menschen, die dafür arbeiten – und auch nicht den Steuerzahlenden, die das alles finanzieren müssen.