Wie kommt die Energiewende in privaten Haushalten voran?
Über 30 Jahre hatte die Ölheizung ihren Dienst getan. Doch in den vergangenen Wintern häuften sich die Ausfälle. Der Servicetechniker warnte, dass die Beschaffung von Ersatzteilen zunehmend schwieriger werde. „Da war dann klar, dass wir uns um eine neue Heizung umschauen müssen. Aus klimatechnischer Sicht war ich ohnehin schon lange unglücklich damit, dass wir Öl verheizten“, erzählt Alexandra Moser, die mit ihrer Familie ein 1913 erbautes Zweifamilienhaus mit kleinem Garten in einer oberösterreichischen Kleinstadt bewohnt. Bei der Suche nach Alternativen fühlte sie sich schnell überfordert: „Mein Mann und ich kennen uns zu wenig aus, wir wussten nicht, worauf wir achten müssen.“ Die Mosers ließen einen Energieberater kommen, der das gesamte Haus inspizierte und zu dem Schluss kam, dass es eigentlich nur zwei Optionen gab: den Anschluss an das Gasnetz oder den Einbau einer Pelletsheizung. „Wir haben uns für Letzteres entschieden. Im Bekanntenkreis haben wir im vergangenen Herbst dafür viel Unverständnis geerntet, weil die Anschaffungskosten ungefähr doppelt so hoch waren wie für eine Gasheizung. Inzwischen haben sich die Zeiten geändert, und wir fühlen uns in unserer Entscheidung sehr bestärkt“, sagt Alexandra Moser.
Ukraine-Krieg, Klimakrise, exorbitant steigende Energiepreise: Viele Österreicherinnen und Österreicher machen sich derzeit Gedanken über ihre Heizung. Die türkis-grüne Regierung fördert all jene, die ihre alten Ölkessel und Gasthermen loswerden und auf klimaschonendere Alternativen umsteigen wollen. Doch auch diese sind nicht unumstritten, wie das Beispiel Pelletsheizungen zeigt. Diese sehen sich in letzter Zeit heftiger Kritik ausgesetzt (hören Sie dazu auch Siegmund Böhmer, Energieexperte vom Umweltbundesamt, in der aktuellen Folge von Tauwetter, dem profil-Podcast zur Klimakrise).
Wie kommt die Energiewende in privaten Haushalten eigentlich voran? Wie umsteigewillig sind die Österreicherinnen und Österreicher? Und wie kommen Handwerk und Gewerbe damit zurecht?
Mit mehr als 910.000 Gasheizungen werden Österreichs Wohnungen und Häuser im Winter warm gehalten. In den heimischen Kellern stehen aktuell noch knapp 509.000 Ölkessel. Letztere müssen, so will es die Regierung, bis 2035 Geschichte sein. Auch den Gasheizungen soll der Garaus gemacht werden: Laut einem vergangenen Monat geleakten Entwurf des Erneuerbaren Wärmegesetzes (EWG) sollen sie im Neubau bereits ab 2023 – statt wie geplant ab 2025 – verboten werden. Zudem sieht der Entwurf vor, dass sie bis spätestens 2040 durch klimafreundlichere Alternativen ersetzt werden müssen. Über das Papier wird freilich noch verhandelt.
Elisabeth Berger, Geschäftsführerin der Vereinigung Österreichischer Kessellieferanten (VÖK), verzeichnet derzeit einen Ansturm wie seit Jahren nicht. Bei der letzten Fachmesse bildeten sich Menschentrauben um die Stände der Hersteller. „Alle wollten wissen, welche Alternativen es gibt, wenn Wladimir Putin das Gas abdreht“, sagt Berger. Viele kamen mit großen Plänen: Sie wollten ihre Gastherme durch eine Wärmepumpe ersetzen und deren Strombedarf gleich durch eine eigene Photovoltaik-Anlage auf dem Dach decken. Doch beim Kostenvoranschlag bekamen die meisten weiche Knie: Solche Vorhaben kosten Zigtausende Euro. Jenen, die sich das nicht leisten konnten oder wollten, riet Elisabeth Berger, bei der Gastherme zu bleiben oder ein altes Modell gegen eine leistungsstarke Brennwerttherme zu ersetzen. Zusätzlich empfahl sie einen kleinen Holzofen, um im Notfall eigenständig heizen und kochen zu können.
Im vergangenen Jahr wurden laut Zahlen der VÖK rund 101.600 Heizkessel neu installiert. Am stärksten zugelegt haben Holzheizungen (hier vor allem Pellets) mit einem Plus von 38 Prozent, gefolgt von Wärmepumpen (plus 23 Prozent). Allerdings: Bei fast jeder zweiten neuen Heizung, nämlich 49.000, handelte es sich – trotz Klimakrise und drohendem Verbot – immer noch um eine Gastherme. Das entspricht einem Plus von sieben Prozent gegenüber dem Jahr davor (siehe auch Grafik auf Seite 26). Die ungebrochene Beliebtheit erklärt sich durch die im Vergleich zu anderen Heizsystemen vergleichsweise geringen Anschaffungskosten. „Wir hätten uns sicher einiges Geld erspart, wenn wir uns für Gas entschieden hätten“, meint auch Alexandra Moser, „aber im 21. Jahrhundert noch eine fossile Heizung einzubauen, wenn es Alternativen gibt und man sich diese auch leisten kann, halte ich nicht für vertretbar.“ Zudem wird der Umstieg von der öffentlichen Hand recht großzügig gesponsert: „Wir haben von Bund und Land in Summe rund 9000 Euro an Förderungen bekommen“, erzählt Moser. Damit sei die Differenz zur Gasheizung letztlich gar nicht so groß gewesen.
Der aktuelle Andrang durch die Gashysterie um den Ukraine-Krieg hat die Lage hinsichtlich des Fachkräftemangels verschärft.
Mit der Aktion „Raus aus Öl und Gas“ wird der Umstieg von fossilen Energieträgern auf einen klimafreundlichen Nah- oder Fernwärmeanschluss, auf eine Holzzentralheizung oder eine Wärmepumpe gefördert. Diese Bundesförderung beträgt bis zu 7500 Euro und 50 Prozent der förderfähigen Kosten. 392 Millionen Euro wurden Förderwerbern mit Stand Mitte Mai laut Auskunft des Klimaschutzministeriums zugesagt. 368 Millionen Euro stehen noch zur Verfügung. Zudem besteht in den meisten Bundesländern noch die Möglichkeit, Gelder aus den Fördertöpfen des Landes zu beziehen.
Man könnte vermuten, dass Hersteller und Installateure angesichts des rasant steigenden Kaufinteresses für alternative Wärmeversorgung über ein Jahrhundertgeschäft frohlocken. Doch es fehlt an Ressourcen, um die Nachfrage kurzfristig zu befriedigen. „Wir sind mit der Neuinstallation von 100.000 Kesseln pro Jahr schon ziemlich am Limit“, sagt VÖK-Geschäftsführerin Berger.
Michael Mattes, Bundesinnungsmeister der Sanitär-, Heizungs- und Lüftungstechniker, klagt zudem über den Mangel an Fachkräften. „Uns fehlt schon seit den 1970er-Jahren Fachpersonal, der aktuelle Andrang durch die Gashysterie um den Ukraine-Krieg hat die Lage noch einmal dramatisch verschärft“, sagt Mattes. Der Sanierungsstau, den seine Branche seit Langem bemängle, habe sich nicht aufgelöst. Im Gegenteil.
Branchenvertreter Mattes ist grundsätzlich dagegen, moderne Gasthermen durch andere Technologien zu ersetzen. Sein Argument: In Österreich sei „enormes Potenzial“ vorhanden, um den Bedarf bis 2040 mit Biogas und Biomethan zu decken. „Unsere Gasgeräte funktionieren auch mit Grünen Gasen, also den Brennstoffen der Zukunft. Daher ist es ökologisch und wirtschaftlich sinnvoll, die bestehenden Leitungen und Anlagen weiter zu verwenden. Technisch beherrschen wir das“, sagt Mattes. Er ist auch Teil der „Allianz für Grünes Gas“, bestehend aus 50 Unternehmen und Verbänden, die sich selbst als „Sprecherin der Gaskonsumentinnen und Gaskonsumenten“ bezeichnen und gegen ein generelles Gasheizungsverbot im Erneuerbaren Wärmegesetz lobbyiert.
Doch stimmt das auch? Können wir künftig wirklich alle Thermen mit Gas, hergestellt aus Energiepflanzen, Bioabfällen, Gülle und Klärschlamm, beheizen? Die Österreichische Energieagentur hat bereits im vergangenen Sommer gemeinsam mit der Linzer Kepler Universität und der Montanuniversität Leoben in einer Studie errechnet, wie sich Angebot und Nachfrage von Grünem Gas in Österreich im Jahr 2040 darstellen werden. Die Kurzfassung: Das realisierbare Potenzial an erneuerbarem Gas wird bei 20 Terawattstunden (TWh) liegen, der Bedarf jedoch, je nach Szenario, zwischen 89 und 138 TWh. Damit übersteigt die Nachfrage das Angebot um ein Vielfaches. Der Raumwärmebedarf müsse daher anders gedeckt werden, sagt Studienautor Günter Pauritsch von der Österreichischen Energieagentur. Grünes Gas sei zu wertvoll, um es nur zum Heizen zu verwenden. Vielmehr müsse es bei industriellen Hochtemperaturprozessen wie etwa in der Stahlerzeugung oder der Glasherstellung zum Einsatz kommen, weil es dort keine Alternativen gebe. „Gas mit 2000 Grad zu verbrennen, um damit 20 Grad Zimmertemperatur zu erreichen, ist nicht sinnvoll“, sagt Pauritsch.
Doch auch die Alternativen für die Raumwärme werden weniger. Denn um Holzheizungen haben sich in jüngster Zeit regelrechte Grabenkämpfe entzündet. Nichts sei klimaschädlicher, als Holz zu verbrennen, sagen Kritiker – von der Feinstaubbelastung ganz zu schweigen. Zudem würden die Wälder überstrapaziert, was ihre positive Wirkung gegen die Erderhitzung schmälere.
Der Anteil der Biomasse muss auf 65 Prozent des aktuellen Niveaus schrumpfen.
In der österreichischen Treibhausgasinventur zeige sich jedenfalls, dass derzeit nicht mehr Holz entnommen werde als nachwächst, sagt Siegmund Böhmer vom Umweltbundesamt. Was die -Emissionen betreffe, schneide Biomasse nicht besser oder schlechter als fossile Energieträger ab. Weil Biomasse ein nachwachsender Rohstoff ist, wird die Verbrennung mit null bilanziert.
Christian Rakos, Geschäftsführer der Interessenvertretung proPellets Austria, kann die Kritik nicht nachvollziehen: „In Pelletsheizungen stecken 40 Jahre technologische Entwicklung und Innovation. Die gesamte Menge an Holzasche, die eine Pelletheizung pro Jahr in Form von Feinstaub emittiert, passt in eine Mokkatasse.“ Auch Siegmund Böhmer vom Umweltbundesamt plädiert, die Sache differenziert zu betrachten: „Es ist ein deutlicher Unterschied, ob man Scheitholz, Hackschnitzel oder Pellets verbrennt. Die höchsten Emissionen haben sogenannte Allesbrenner. Eine vollautomatisierte Pelletsheizung ist, was Biomasseanlagen betrifft, die beste Option. Sie hat die geringsten Emissionen.“ Von einem flächendeckenden Einsatz von Pelletsheizungen rät Böhmer aber ab (mehr zu dem Thema hören Sie in der aktuellen Folge von Tauwetter, dem profil-Podcast zur Klimakrise).
Die Kritiker haben Aufwind. Das zeigt ein Votum des Umweltausschusses des Europäischen Parlaments über seine Stellungnahme zur Erneuerbaren-Energien-Richtlinie von vergangener Woche. Die Mitglieder einigten sich darauf, dass Wärme und Strom aus der Verbrennung von Holz nur noch eingeschränkt auf die EU-Ziele für erneuerbare Energien angerechnet werden dürfen. Subventionen für forstwirtschaftliche Biomasse sollen weitgehend eingestellt werden. Noch ist freilich ungewiss, ob die Forderung im September im EU-Parlament durchgeht.
Während die Grünen auf europäischer Ebene dem Verheizen von Holz den Kampf angesagt haben, wird es im heimischen Klimaschutzministerium unter der Führung von Leonore Gewessler subventioniert: „Gefördert werden moderne, automatisch beschickte Holzheizungen, für die strenge Emissionsgrenzwerte gelten. Das werden wir auch beibehalten“, sagt ein Ministeriumssprecher gegenüber profil.
Doch möglich wird die Energiewende ohnehin nur, wenn insgesamt weniger Energie für Raumwärme eingesetzt wird. Neben dem vollständigen Ausstieg aus fossilen Brennstoffen bis 2040 heißt das: „Der Anteil der verwendeten Biomasse muss auf rund 65 Prozent des aktuellen Niveaus schrumpfen“, so Böhmer. Das ist nur zu schaffen, wenn jeder Altbau eine Wärmedämmung erhält. Noch ein Kostenfaktor also. Die gute Nachricht ist allerdings: Die thermische Sanierung ist billiger zu haben als bisher gedacht. Eine Studie der Österreichischen Energieagentur und der VÖK hat gezeigt, dass neue Fenster und die Dämmung der oberen Geschoßdecke in vielen Fällen ausreichen, um bis zu zwei Drittel der Heizkosten zu sparen. Durch den Verzicht auf die Fassadendämmung kommt man dadurch nur auf ein Drittel der Kosten einer Gesamtsanierung.
Hausbesitzerin Alexandra Moser weiß jedenfalls schon, was ihre nächste Investition werden wird.