Sechs Menschen, die trotz allem in der Ukraine bleiben wollen
Der Tag, an dem Russlands Präsident Wladimir Putin seinen Angriffskrieg auf die Ukraine startete, ist bald einen Monat her. Mehr als vier Millionen Menschen sind seither aus dem Land geflohen, viele weitere sind innerhalb der Ukraine auf der Flucht. In zahlreichen Städten stehen die Menschen buchstäblich vor den Trümmern ihrer Existenz.
In Mariupol an der Küste des Asowschen Meeres ist die Lage dramatisch, Hunderttausende harren seit Wochen ohne Strom und Gas aus. Hier zeigt sich Putins Heer von seiner brutalsten Seite. Nirgends ist der Beschuss schlimmer als in der strategisch wichtigen Stadt im Süden des Landes. Am Mittwoch wurde das Theater im Zentrum der Stadt bombardiert, obwohl eine riesige Markierung am Dach signalisierte, wer dort auch Zuflucht suchte: „Kinder“. Bis Freitagabend konnten rund 130 Überlebende aus den Trümmern gerettet werden; bis zu 1000 Menschen sollen sich im Schutzraum des Theaters versteckt haben.
Mit der Gewaltoffensive gegen Zivilisten hat der Kreml die nächste Eskalationsstufe erreicht. Experten, darunter der österreichische Militärstratege Markus Reisner, sehen die verstärkten Angriffe auf Städte als Versuch, den Widerstandswillen der Bevölkerung zu brechen. Zum Einsatz kommen dabei besonders brutale und höchst unpräzise Waffensysteme. „Waffensysteme wie diese Mehrfachraketenwerfer haben wir seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges auf europäischem Boden nicht mehr erlebt“, sagt Reisner im Gespräch mit profil, „sie richten verheerende Schäden an, diese Waffen sind der Horror.“
Mit der steigenden Gewalt gegen Zivilisten werden auch die Rufe nach mehr Hilfe aus dem Westen lauter. Die USA und Europa liefern zwar Waffen und haben scharfe Sanktionen gegen Russland beschlossen, doch das geht vielen Ukrainerinnen und Ukrainern nicht weit genug. Viele fordern eine NATO-Flugverbotszone, oder, wie zuletzt auch Präsident Wolodymyr Selenskyj, zumindest Flugabwehrsysteme und Kampfflieger, damit die Ukraine ihren Luftraum selbst sichern kann.
„Der Westen muss jetzt zeigen, dass er keine Angst vor Putin hat“, sagt auch der 32-jährige Dmitry Belobrov aus Kiew im Gespräch mit profil. „Er muss gegen Putins Truppen kämpfen. In der Ukraine.“ Das allerdings schließt die NATO aus, um keinen Dritten Weltkrieg heraufzubeschwören. Für den Westen sind die Hilfen für die Ukraine eine Gratwanderung, die umso schwieriger wird, je mehr Putin den Druck auf Zivilisten erhöht.
profil hat für die aktuelle Cover-Geschichte mit sechs Menschen gesprochen, die in ihren ukrainischen Heimatstädten ausharren. Hier lesen Sie die einzelnen Porträts:
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Kristina Nikolaenko, 26 aus Kiew: „Ich glaube nicht, dass man sich an Krieg gewöhnen kann“
Kristina Nikolaenko studiert an der Wiener Wirtschaftsuniversität. Jetzt sucht sie zuhause in Kiew Schutz vor den Bomben und hat sich fünf Rituale zurecht gelegt, um den Krieg zu überstehen.
>>> Lesen Sie hier den gesamten Text von Kristina Nikolaenko.
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Olha Chaban aus Lwiw: „Wir bleiben, und wir kämpfen bis zur letzten Sekunde“
Olha Chaban lebt in der westukrainischen Stadt Lwiw, in die Hunderttausende Menschen geflohen sind. Doch auch dort sind sie nicht mehr sicher.
>>> Lesen Sie hier das Porträt von Olha Chaban
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Vladislav Davidzon: „Können Sie sich vorstellen, was dieser Krieg mit den Kindern anstellt?“
Vladislav Davidzon nutzt seine Kontakte in den Westen, um Menschen aus Odessa zur Flucht zu verhelfen. Eben hat er seine Familie nach Paris gebracht. Jetzt will er zurück ins Kriegsgebiet.
>>> Lesen Sie jetzt dieses Porträt von Vladislav Davidzon!
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Maria Avdeeva: „Mein Smartphone ist meine Waffe“
Vor dem Krieg hat Maria Avdeeva zu russischer Desinformation geforscht. Jetzt filmt und fotografiert sie in ihrer Heimatstadt Charkiw die Zerstörungen durch die Angriffe der russischen Truppen.
>>> Lesen Sie jetzt dieses Porträt im Volltext!
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Serhiy Rodionov: „Die Russen werden es noch bereuen, dass sie hierhergekommen sind“
Serhiy Rodionov lebt in der einzigen Großstadt, die Russland bislang erobert hat. Die Menschen in Cherson geben nicht auf – und gehen gegen die Besatzer auf die Straße.
>>> Lesen Sie jetzt dieses Porträt im Volltext!
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Dmitry Belobrov: „Der Westen muss jetzt zeigen, dass er keine Angst vor Putin hat“
Dmitry Belobrov aus Kiew ist wütend auf den Westen. Neutralität nach dem Vorbild Österreichs, sagt er, komme für sein Land nicht infrage.