Wirtschaft

10 Jahre Registrierkasse und der Kassenbeleg sagt ade

Seit der Registrierkassenpflicht gilt: für jeden Euro Umsatz braucht es einen gedruckten Beleg. Jetzt fällt die Belegpflicht bis 35 Euro – könnte die Lockerung das Einfallstor für Schwarzgeld werden?

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„Brauchen’s eine Rechnung?“ Diese Frage könnte bald der Vergangenheit angehören – im Kaffeehaus, im Blumenladen oder in der Bäckerei. Die neue Bundesregierung hat am Mittwoch im Ministerrat beschlossen, die Belegpflicht bis zu einem Rechnungsbetrag von 35 Euro abzuschaffen. Laut Wirtschaftsministerium wird diese Maßnahme noch heuer umgesetzt. Das bedeutet: Verkäufer müssen Kassazettel bis 35 Euro Warenwert nicht mehr von selbst anbieten.

„Das ist eine Entlastung für viele kleine Geschäfte des täglichen Lebens“, sagte Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP). Denn neben der Abschaffung der Belegausdruckspflicht wird mit 1. Juli 2025 die Normverbrauchsabgabe für Kleintransporter abgeschafft. Für Selbstständige wird die Basispauschalierung für das heurige Steuerjahr von derzeit 220.000 (12 Prozent) auf 320.000 (13,5 Prozent) Euro angehoben.

„Das ist eine Entlastung für viele kleine Geschäfte des täglichen Lebens“

Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) nach dem Ministerrat am Mittwoch.

Das ist sicher eine Art Entlastung – aber wahrscheinlich eher im Sinne, dass eine Unannehmlichkeit wegfällt.

Thomas Oberholzner

KMU-Forschung Austria

Wirtschaftsminister und ÖVP-Wirtschaftsbündler Wolfgang Hattmannsdorfer verbucht die neue Belegpflicht als Erfolg – und als Signal an die heimischen Betriebe, die in derselben Woche eine neue Kammervertretung wählen

Davon sind laut KMU-Forschung immerhin 99,8 Prozent Kleinst-, Klein- und Mittelbetriebe. Rund 580.000 Firmen, die die Hälfte aller Umsätze in Österreich erwirtschaften. Wie viel Entlastung die neue Belegpflicht bringen wird, kann nur erahnt werden. Aus Daten der Nationalbank (zur Bargeldnutzung) ist ersichtlich, dass rund dreiviertel aller Zahlungen im Handel Kleinbeträge unter zehn Euro betreffen. 

„Das ist sicher eine Art Entlastung – aber wahrscheinlich eher im Sinne, dass eine Unannehmlichkeit wegfällt“, sagt Thomas Oberholzner, Leiter der KMU-Forschung, im Gespräch mit profil. Eine spürbare wirtschaftliche Erleichterung sei „nicht im signifikanten Ausmaß“ zu erwarten.

Was in anderen europäischen Ländern bereits Usus ist, wird damit auch in Österreich Realität: die Wahlfreiheit beim Kassenbeleg. Während viele Kundinnen und Kunden an der Supermarktkasse oder in der Bäckerei den Zettel vermutlich nicht missen werden, empfiehlt der Konsumentenschutz der Arbeiterkammer im Fachhandel weiterhin, eine Rechnung einzufordern – etwa für Reklamationen oder beim Umtausch. Der Kaufbeleg bleibt dafür unerlässlich.

Schwarze Kassen

Kritiker warnen, dass mit dem Wegfall der Belegpflicht für kleine Beträge das System anfälliger für Steuermissbrauch werden könnte. Die Arbeiterkammer etwa befürchtet, dass die Registrierkassenpflicht „ausgehöhlt“ werde.

2015 beschloss der Nationalrat die sogenannte Registrierkassenpflicht. Jeder Betrieb mit Barumsätzen über 7.500 Euro jährlich ist seither verpflichtet, jede Einnahme elektronisch zu erfassen. Die Kasse speichert jede Änderung, Manipulationen lassen sich dadurch rückverfolgen – theoretisch, sofern sämtliche Umsätze überhaupt korrekt eingetragen werden. Kartenzahlungen werden automatisch elektronisch aufgezeichnet. Doch wird bar bezahlt, muss der Unternehmer selbst alle Umsätze ordnungsgemäß aufzeichnen und die anhängigen Steuern abführen. 

Naturgemäß misstrauen Finanzbehörden Tageslosungen, vor allem wenn sie bar umgesetzt werden. Betriebsüberprüfungen schätzen die tatsächlichen Erlöse und vergleichen sie mit den Aufzeichnungen. Die Registrierkassenpflicht sollte die Manipulationen an den Kassenbücher verunmöglichen. Der deklarierte Kampf gegen Abgabenbetrug hätte laut Finanzministerium 900 Millionen Euro an zusätzlicher Umsatzsteuer jährlich ins Bundesbudget spülen sollen. In einer parlamentarischen Anfragenbeantwortung von 2019 gibt das Ministerium aber selbst zu, dass die Einnahmen „hinter den Erwartungen geblieben“ sind. Eine aktuelle profil-Anfrage an das Finanzministerium blieb bisher unbeantwortet. Könnte nun mit dem Teilwegfall der Belegpflicht das Tor für Schwarzgeldkassen geöffnet werden?

Thomas Oberholzner von der KMU-Forschung sieht keinen Anlass zur Sorge: „Es geht darum, ob Zahlungen registriert werden – nicht darum, ob der Beleg ausgedruckt wird.“ Wer bisher an der Registrierkasse vorbei wirtschaften wollte, werde das auch weiterhin tun. Die Belegpflicht habe darauf kaum Einfluss. Im Ministerrat glättet der neue Staatssekretär für Deregulierung, Sepp Schellhorn (Neos), die Wogen: „Die Abschaffung der Belegpflicht heißt nicht die Abschaffung der Bonierpflicht.“

Die konkrete Forderung nach weniger Zettelwirtschaft ist hingegen nicht neu. Bereits 2023 sprach sich, damals Jugendstaatssekretärin, Claudia Plakolm (ÖVP) für eine Lockerung der Belegpflicht aus – aus Umweltschutzgründen. Einen Seitenhieb auf Klimaaktivisten wollte sich die heutige Bundesministerin, dabei nicht vorkneifen: „Wenn es um Klimaschutz geht, braucht es mehr Maßnahmen mit Hausverstand und weniger Aktivisten, die sich auf die Straße kleben.“ Der damalige grüne Regierungspartner zeigte sich interessiert, die Entscheidung lag letztlich beim Finanzministerium, das „den Vorschlag dahingehend mit Expertinnen und Experten prüfe.“ Jetzt startet ein neuer Versuch.

Kevin Yang

Kevin Yang

seit November 2024 im profil Digitalressort.