"Der Terror hat den Finanzmarkt positiv verändert"
profil: Wie haben Sie den 11. September 2001 erlebt?
Zapotocky: Wir hatten an diesem Tag Gäste aus Amerika, Professoren einer kalifornischen Universität. In der Börse hängen ja bekanntlich überall Bildschirme, und auf einem lief CNN. Auf einmal sehen wir, wie ein Flugzeug in einen der beiden Zwillingstürme fliegt. Im ersten Moment dachten wir, das ist ein Katastrophenfilm, aber kurz darauf kam die Bestätigung des Nachrichtensprechers, dass das echt ist. Wir sind alle erstarrt, unsere Gäste standen richtiggehend unter Schock. Es war schrecklich.
profil: Die Finanzmärkte haben sich von dem Schock allerdings relativ schnell erholt. So stürzte der S&P 500 beispielsweise um über zehn Prozent ab, aber bereits ein Monat später erreichte er wieder sein Niveau von vor dem Anschlag. Warum zeigen sich die Finanzmärkte von solchen Erschütterungen doch so unbeeindruckt?
Zapotocky: Wenn ich das ein bisschen korrigieren darf: Der DAX war ein Jahr lang negativ. Viele europäische Indizes, auch der japanische Nikkei, haben sich lange nicht erholt. Der Schock war in Europa größer als in Amerika. Doch die Stimmung war ja schon vor den Anschlägen getrübt. Die Dotcom-Blase im Jahre 2000 sowie die Enron-Krise hatten weltweit zu einem Vertrauensverlust an den Börsen geführt.
profil: Hat 9/11 die Finanzmärkte langfristig verändert?
Zapotocky: Ja. Aus meiner Sicht durchaus positiv. Durch diese Katastrophe haben sich die großen amerikanischen Investoren plötzlich verstärkt für Europa interessiert. Sie haben nach neuen Märkten gesucht, weil die Verunsicherung am Heimmarkt doch recht groß war.
profil: Konnte davon auch die Wiener Börse profitieren?
Zapotocky: Absolut. Als ich im Jahr 2000 die Börse als CEO übernehmen durfte, hat die Marktkapitalisierung rund 35 Milliarden Euro ausgemacht. 2006 waren es über 160 Milliarden. Wir haben 2001 den Prime Market an der Wiener Börse eingeführt. Da war das Erfordernis, dass man die Transparenz des österreichischen Marktes massiv steigert. Etwa indem nach internationalen Rechnungslegungsstandards bilanziert werden muss. Das hat dazu geführt, dass internationale Analysten und Investoren österreichische Unternehmen plötzlich viel besser verstanden und für einen Boom gesorgt haben. Was mich allerdings bis heute ärgert, ist, dass wir es den ausländischen Investoren überlassen haben, die Gewinne von mindestens zehn Milliarden Euro aus diesem Aufschwung mitzunehmen. Die österreichischen Pensionskassen zu größeren Investments zu bewegen, war unmöglich. Aber das Anlageverhalten der Österreicher war und ist bis heute sehr verhalten.
profil: Viele Experten sagen, die Subprime-Krise aus 2007 sei eine direkte Folge der Anschläge vom 11. September. Die Fed senkte als Reaktion den Leitzins und sorgte für steten Nachschub an billigem Geld, was bekanntlich zu einer Immobilienblase und ihrem Platzen führt.
Zapotocky: Wir hatten damals eine unfassbare Liquidität vor allem am deutschen Markt: Fonds und Versicherungen haben nach Anlagen gesucht. Da hat es sich gut getroffen, dass die großen internationalen Banken Pakete geschnürt haben, in denen über drei Ecken amerikanische Wohnbaukredite verpackt waren. Die Überliquidität in Europa hat dazu geführt, dass mehr oder weniger blind vertrauend Hunderte Milliarden in diese Produkte gepumpt wurden.
profil: Welche Lehren lassen sich bezüglich der Auswirkungen auf die Finanzmärkte aus 9/11 ziehen?
Zapotocky: Ich glaube, weltweit hat man gelernt, dass es im Anlagebereich ganz wichtig ist, wirklich zu diversifizieren und nicht alles auf eine oder zwei Karten zu setzen. Dieser Fehler wurde damals zuhauf gemacht. Und auch mir selbst wurde das damals so richtig bewusst.