5 Dinge, die Sie über Multi-Level-Marketing wissen müssen
Das Video, mit dem alles angefangen hat, ist um die zwei Wochen alt. „Wenn ihr einen schlechten Tag habt, dann denkt daran, dass ihr immerhin noch nie auf ein Schneeballsystem reingefallen seid“, sagt Levi. Das Video hat mittlerweile über eine Million Aufrufe. Und gefühlt ebenso viele Reaktionen. Vor allem Vertreter:innen der Firma iGenius, einem Finanzdienstleister aus Großbritannien, ritten zur Verteidigung. Ihr Tenor: Reich werden sei ziemlich easy, es brauche nur die richtige Firma, eben iGenius - und die sei sicher kein Schneeballsystem. Aber was bedeuten diese ganzen Wörter überhaupt? profil beantwortet fünf Fragen zur Online-Debatte.
1. Was ist Multi-Level-Marketing?
Der Begriff Multi-Level-Marketing (MLM) bezeichnet eine Spezialform des Direktvertriebs. Dabei geht es normalerweise um den Verkauf von physisch vorhandenen Waren, während beim MLM potenzielle Kunden angehalten werden, nicht nur selbst weitere Kunden anzuwerben, sondern diese auch zu animieren, selbst Vertriebspartner zu werden. In weiterer Folge profitieren diese durch das Anwerben neuer Kunden, indem Provisionen für diejenigen vergütet werden, die die Person akquiriert haben.
2. Ist MLM und Schneeballsystem dasselbe?
Nein, sagt die von profil befragte Rechtsexpertin Barbara Bauer vom Verein für Konsumenteninformation (VKI): „Bei seriösen Unternehmen kann man mit dem Verkauf des Produkts allein einen Gewinn machen“, erklärt die Juristin. „Beim Schneeballsystem beziehungsweise Pyramidenspiel liegt der Fokus wiederum am Gewinnen neuer Vertriebspartner und nicht mehr am Verkauf des Produktes“, sagt Bauer. Ähnlich sieht das auch der Obmann des Bundesgremiums Direktvertrieb in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ). „Ein seriöses Direktvertriebssystem hat ein klares Produkt, eine physische Ware mit einem Marktpreis und alle, die am Verkauf dieses Produkts mitarbeiten, werden am Umsatz beteiligt“, sagt Krasser. Geld für das bloße Anwerben neuer Partner, gebe es aber keines, so der Vertreter der Wirtschaftskammer.
3. Wie sieht es mit der Firma iGenius aus?
Im Firmenbuch ist iGenius als Versand- und Internet-Einzelhandelsunternehmen eingetragen. Laut Homepage bietet die Firma unterschiedliche Produkte an, unter anderem den Zugang zu einer Trading-KI, aber auch Reiserabatte sowie Schuldenberatungen oder um die eigenen finanziellen Gewohnheiten zu verändern. Vorrangig wird Kund:innen mit Lehrvideos, eBooks und Co. „Daytrading und Forex-Trading“ beigebracht. In einem Interview mit dem Handelsblatt warnt Peter Scholz, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg Mosbach, jedoch davor: „Daytrading und Forex-Trading ist nur für Leute geeignet, die wirklich wissen, was sie tun.“ Nun kann man bei iGenius aber auch Geld verdienen, wenn man neue Leute anwirbt. Hier schließt sich also der Kreis zum Multi-Level-Marketing-System.
4. Wie viel Geld lässt sich damit verdienen?
Wie viel Geld sich mit MLM verdienen lässt, kann nicht seriös beantwortet werden. Denn beim MLM der Firma iGenius geht es zum einen um den Verkauf von Lernvideos, Finanzplanungsapps oder Reiserabatten. Zum anderen werden Kauf- oder Verkaufsvorschläge für Trader verkauft sowie der Zugang zu einer Trading-KI angeboten. Damit soll Wissen für Hochrisiko-Finanztransaktionen wie Daytrading oder Forex Trading vermittelt werden. Aufgrund der starken Kursschwankungen bei diesen Finanzinstrumenten raten Experten zur Vorsicht und es wird empfohlen, nur Beträge zu investieren, die man auch bereit ist, vollständig zu verlieren. Wie viel Geld sich im herkömmlichen Direktvertrieb, also beim Verkauf von beispielsweise Tupperware-Produkten, dem Thermomix der Marke Vorwerk oder auch Kosmetikprodukten machen lässt, ist sehr genau bekannt. Laut dem Branchenreport für das Jahr 2024 verdient mehr als die Hälfte der rund 18.000 aktiven Direktvertriebspartnerinnen und -partner mit aktivem Gewerbeschein bis zu 500 Euro monatlich. Drei von vier Befragten gaben zudem an, dass die Tätigkeit maximal 15 Arbeitsstunden pro Woche ausmacht. Im Vollzeitausmaß sind mit rund 7 Prozent der Befragten nur die wenigsten tätig, sie verdienen laut eigenen Angaben ein Monatseinkommen von über 4.000 Euro brutto.
Daytrading & Forex-Trading
Daytrading: Beim Daytrading geht es um den kurzfristigen Handel an einer Börse unter Ausnutzung der täglichen Kursschwankungen von Börsenkursen. Daytrader kaufen und verkaufen am gleichen Tag beziehungsweise innerhalb der Zeitspanne, in der der Handel an einer bestimmten Börse am selben Tag möglich ist.
Forex-Trading, auch Devisenhandel oder Foreign-Exchange-Trading (FX-Trading), ist die Umrechnung von einer Währung in eine andere. Beim Währungshandel tauschen Privatkunden, Unternehmen und Organisationen weltweit unterschiedliche Zahlungsmittel. Die erste Währung des Paars nennt man beim Forex-Trading Basiswährung und die zweite Kurswährung. Trader spekulieren auf genau diese Kursveränderung. Experten raten dazu, dieses spekulative Finanzinstrument nur als erfahrene Privatanlegerin und erfahrener Anleger zu nutzen.
5. Wie erkenne ich, womit ich es zu tun habe und wie seriös MLM im Zusammenhang mit Finanzprodukten ist?
Christian Prantner, Konsumentenschützer in der Arbeiterkammer, versteht den Wunsch, sich auf den Kapitalmarkt zu wagen und dort gute Renditen zu erzielen: „Es spricht nichts dagegen, statt dem Sparbuch einen Investmentfonds oder einen ETF-Sparplan auszusuchen.“ Aber: Der Einstieg sollte sukzessive erfolgen und Einsteigern rät der Konsumentenschützer, anfangs mit kleineren Beträgen zu experimentieren. Spekulationsgeschäfte, Futures, Optionen, Derivate, Daytrading oder Forex-Handel sollten nur das Pünktchen auf dem I und keinesfalls ein Basisprodukt sein, meint Prantner. Der AK-Experte rät außerdem, darauf zu achten, ob Anbieter oder Einzelpersonen Druck ausüben, nach persönlichen Daten fragen oder hohe Gewinne versprechen. Besondere Vorsicht sei geboten, wenn die Rendite über zehn Prozent liegt. „Da gilt die gute alte Weisheit: eine hohe Rendite geht einher mit hohem Risiko“, sagt Prantner.