5 Gründe, warum Österreicher so früh in Pension gehen
Es ist selten, dass sich alle Parteien im Parlament auf ein Ziel verständigen können. Im Falle der Pensionen wollen sie das faktische Antrittsalter erhöhen, die Neos wollen auch das gesetzliche erhöhen. Bei der Frage, wie das gelingen kann, unterscheiden sich die Ansätze.
Fest steht: Es gibt Handlungsbedarf. Im OECD-Vergleich treten die Österreicher deutlich früher den Ruhestand an als andere Länder. Nur in Belgien und Frankreich ist der Unterschied zwischen dem faktischen und gesetzlichen Pensionsantrittsalter größer. Männer gehen in Österreich im Schnitt mit 61,6 und Frauen mit 60,9 Jahren in den Ruhestand. Bis zum gesetzlichen Antrittsalter von 65 Jahren gibt es also noch Luft nach oben.
Warum die Frühpension noch immer so attraktiv ist, erklären die Ökonomen Christine Mayrhuber, Christoph Badelt und Holger Bonin im profil-Gespräch.
1. Weil es geht
29,4 Milliarden Euro schießt der Bund 2024 für Pensionen zu. „Würde in Deutschland ein Drittel des Haushaltsbudgets für Pensionen aufgewendet werden, gäbe es einen riesigen Aufschrei”, sagt der Direktor des Instituts für Höhere Studien (IHS) Holger Bonin. Während Deutschland das gesetzliche Antrittsalter schon auf 67 erhöht hat, wird in Österreich jenes der Frauen bis 2030 an die 65 Jahre der Männer angeglichen.
„Menschen wollen möglichst früh in Pension. Das ist ein nachvollziehbarer Wunsch. Und wenn es die Möglichkeit dafür gibt, dann nutzen sie das”, so Bonin. Für Fiskalratspräsident Christoph Badelt werden die Bedingungen für Frühpensionen zwar strenger. Doch fehle es ihm noch immer an Anreizen, wirklich länger zu arbeiten. „Es ist von allen akzeptiert, früher in Pension zu gehen", kritisiert Badelt.
Der aus Deutschland stammende IHS-Chef Bonin meint, eine Gesellschaft müsse sich den Folgen bewusst sein: „Wieviel ist uns das Pensionssystem wert? Irgendwo anders fehlt uns das Geld, wie etwa bei der grünen Transformation.”
2. Lange Versicherungszeiten
Der Staat macht den früheren Pensionsantritt schmackhaft. Korridor-, Hackler,- und krankheitsbedingte Pensionen machen - bei Männern - den Großteil der vorzeitigen Pensionierungen aus. „Das ist jene Generation, die sehr gute Arbeitsmarktbedingungen vorgefunden hat und durchgängige Versicherungszeiten sammeln konnte”, erklärt die stellvertretende Direktorin des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO) Christine Mayrhuber. Sie kann den frühzeitigen Pensionsantritt nachvollziehen: „Sobald die Leute die Voraussetzungen erfüllen, verabschieden sie sich vom Arbeitsmarkt.” Die finanziellen Abschläge nehmen die meisten dafür gerne in Kauf.
3. Weil es nicht mehr geht
„Der Dachdecker kann nicht bis 67 am Dach arbeiten”, sagt IHS-Chef Bonin. Für den Ökonomen ist klar, dass nicht jeder Beruf bis ins hohe Alter zumutbar ist. Gesundheitsprävention und Arbeitsschutz seien hier gefragt, um die Menschen rechtzeitig weiterzubilden oder für weniger körperlich belastende Jobs umzuschulen. „Damit uns die Leute nicht in die Berufsunfähigkeit rutschen", so Bonin.
Der Dachdecker kann nicht bis 67 am Dach arbeiten.
Als ungerecht empfindet der IHS-Chef die Abschläge für den früheren Ruhestand. Es sind vor allem Gutverdiener, die sich diese finanziellen Einbußen für eine Frühpension leisten können. Zudem können sie noch dazu mit einer höheren Lebenserwartung rechnen, als jene Beschäftigte, die jahrzehntelanger Schwerarbeit nachgegangen sind.
4. Attraktiv für Unternehmen
Ältere Mitarbeiter im Betrieb zu halten, ist für viele Firmen teuer. Durch das Senioritätsprinzip steigen die Einkommen mit zunehmendem Alter an. Sind im Kollektivvertrag Vordienstzeiten geregelt, steigen die Lohnkosten ebenfalls an.
Es ist komplizierter, die ältere Belegschaft bei einem etwaigen Stellenabbau zu kündigen, als ihre jüngeren Kollegen. Anfechtungen vor dem Arbeitsgericht sind kostspielige Verfahren, weswegen das frühzeitige „Fade-Out” in die Pension (inklusive einer Abfertigung) für Unternehmen oftmals die günstigere und attraktivere Variante ist. „Arbeitgeber orientieren sich am gesetzlichen Pensionsalter. Wenn es die Möglichkeit gibt, die Mitarbeiter früher in Pension oder Altersteilzeit zu schicken, dann tun das Betriebe auch”, so Bonin.
5. Kaum Jobs für Alte
Trotz Arbeitskräftemangels ist eine Bewerbung ab dem 50. Lebensjahr immer noch schwierig. Laut Bonin hätten Betriebe wenig Anreize, ältere Personen einzustellen. Es gibt Firmenchefs, die der Meinung sind, dass sich Investitionen in Weiterbildung bei Älteren weniger lohnen und dass junge Arbeitskräfte körperlich fitter sind. Die Erfahrung, die etablierte Arbeitskräfte mitbringen, wird oft nicht gesehen.
Das gesetzliche Pensionsantrittsalter zu erhöhen, um damit älteren Arbeitnehmern bessere Chancen zu ermöglichen, greift nach Meinung der stellvertretenden WIFO-Chefin zu kurz. Geht es nach Mayrhuber, brauche es Begleitmaßnahmen am Arbeitsmarkt, um ältere Arbeitnehmer für Betriebe attraktiv zu machen. „Ansonsten verschieben sich die Kosten von der Pensions- in die Arbeitslosenversicherung”, so die Ökonomin.